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Coole Sau

Minischweine liegen im Trend. Eine Sohländer Familie lebt zusammen mit Hund, Katzen und Borstentier.

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© Constanze Junghanß

Von Constanze Junghanß

Sohland. Jule braucht jede Menge Kuscheleinheiten. Laut grunzend fordert sie diese ein. Susi Kirsch hebt das Ferkel auf ihren Schoß. Kraulen ist angesagt. Jule macht Geräusche, die nach Zufriedenheit klingen. Tochter Lilly lacht und gibt Jule ein Gummibärchen. Der feuchte Rüssel schnauft und wackelt. Vorsichtig nimmt das Tier die Nascherei und kaut genüsslich darauf herum. Seit einigen Wochen lebt das knapp drei Monate alte Minischweinbaby nun bei der Sohländer Familie. Zusammen mit drei Maine Coon Katzen, die im Moment noch größer als die Winzlingssau sind. Und mit Hund Bonzo, der seine neue Freundin ganz besonders gern hat. Der Bullterrier ist ebenfalls eine Mini-Ausgabe. Zwei Kleine, die sich gut vertragen. Jule schläft manchmal gemeinsam mit Bonzo im Hundebett. Auch beim abendlichen Fernsehprogramm schauen die zwei vom Sofa aus mit zu.

Dass die Chemie zwischen den Vierbeinern so stimmt, war der Wunsch der Familie. Der Miniatur-Bulli sollte Gesellschaft bekommen. Warum dann nicht ein weiterer Hund? „Ein Minischwein ist schon etwas Besonderes“, gibt die Sohländerin zu. Das sollte so sein. Erworben hat die Familie das Schweinebaby über eine Annonce aus dem Internet. Auf einer Kleinanzeigenplattform bieten im gesamten Bundesgebiet weit über 100 Händler solche Tiere an. Auch die Sohländer kauften das Tier von einem solchen Züchter. 500 Kilometer weit sind sie für Jule bis nach Niedersachsen gefahren. Transportiert wurde Jule im Katzenkorb. Mittlerweile habe sich das Tierkind eingelebt. Jule nutze sogar das Katzenklo, um ihr Geschäft zu erledigen und fange an, auf ihren Namen zu hören. Kein Wunder: Schweine gelten als ausgesprochen kluge Tiere. Bis zu 100 Kommandos können sie erlernen.

Dass ab und an ein Mini-Schwein zum Tierarzt kommt, weiß auch Angela Besecke. Die Friedersdorfer Tiermedizinerin erzählt, dass Mini-Pigs sogar schon als Hauptpreis bei Kleintierschauen verlost worden sind. Keine so gute Idee eigentlich. Denn was will man mit einem Schwein in einer Wohnung machen? Zumal der Name Mini völlig irreführend ist. Aus den kleinen Ferkeln werden oft Tiere mit einem Gewicht von 60 bis 120 Kilogramm oder mehr. So kann das Silke Arnold bestätigen. Sie ist die 1. Vorsitzende vom wohl einzigen deutschen Verein „Schweinefreunde“ mit Sitz im rheinland-pfälzischen Einselthum. Arnold betreut selbst 22 Schweine. 16 davon sind Minis, bringen aber nichtsdestotrotz teils über 100 Kilogramm auf die Waage. Begeistert über den Minischwein-Boom ist Silke Arnold absolut nicht. „Mittlerweile haben sich Tausende Menschen in der Bundesrepublik so ein Tier angeschafft“, sagt sie.

Ihre Erklärung für den Hype: „Die Medien beleuchteten das Thema ziemlich einseitig. Minischweine wurden als besonders niedlich und schick dargestellt.“ Vielleicht auch deshalb, weil manche Promis Schwein haben. Popstar Miley Cyrus beispielsweise lebt mit Minisau in einer Villa. Und George Clooney hatte einen Hängebauchschwein-Eber namens Max. Beide Schweine erlangten dank bunter Gazetten einige Berühmtheit. Der Hintergrund für klein gezüchtete Schweine ist aber ein ganz anderer, wie die Vereinsvorsitzende erzählt. Ursprünglich stammen sie von einem Mix von Laborschweinen und dem vietnamesischen Hängebauchschwein ab. Auch Wildschwein ist mit dabei. Aufgrund dieser Genetik könne niemand exakt vorhersagen, ob aus dem angeblichen Mini- später ein Maxischwein werde. „Die Tiere wurden für Forschungszwecke gezüchtet, da sich die Organe von Mensch und Schwein sehr ähneln“, sagt Silke Arnold.

Der Verein betreibt zudem einen Gnadenhof für Schweine und Minischweine. Aus Erfahrung weiß Silke Arnold, dass gerade die Erwerber von Minischweinen oft überfordert sind. Artgerecht sei die Haltung in den wenigsten Fällen, wenn sich Privatleute die Tiere zulegen.

Bei der Sohländer Familie wird Jule allerdings nicht reinweg im Haus gehalten. Die Sau hat auch einen Stall und soll genügend Auslauf auf dem Grundstück bekommen. Die ersten Spaziergang-Versuche an der Leine allerdings erwiesen sich als Flop. Susi Kirsch zeigt ein Video: Darauf zu sehen ist, dass Jule von der Leine absolut nichts hält. Und was passiert, wenn das Tier doch größer wird, als erwartet? Definitiv werde Jule niemals im Kochtopf landen. Das stünde fest. Notfalls wird der Stall vergrößert. Und auch die enge Bindung zur Familie und den anderen Haustieren soll weiter bestehen bleiben.