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Christenverfolgung nimmt zu

Weihnachten ist für Christen in vielen Ländern nicht mehr nur die Zeit der Freude, sondern auch der Angst. Vielerorts flüchten sie vor wachsendem Terror.

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© dpa

Von Laszlo Trankovits

Kapstadt. Für die Christen in Madalla wird es wohl lange nicht mehr eine unbeschwerte Weihnachtszeit geben. Das Fest 2011 hat alles verändert. Damals starben in der Kirche St. Theresa in der nigerianischen Stadt bei einem Terrorangriff 44 Menschen. „Es war ein schrecklicher Schlag für unsere Gemeinde“, sagt Pastor Raph Imelo. Seither steht eine Mauer um die Kirche, sie wird von bewaffneten Männer bewacht, Gottesdienstbesucher werden durchsucht. Imelo beklagt verlorenes Vertrauen. Inzwischen „wird jeder Muslim verdächtigt“. Vorbei die früher herzliche Beziehung zu Muslimen.

In Madalla wie anderswo in Nigeria hat die islamistische Terrorgruppe Boko Haram auch 2013 vor allem Christen im Visier. Erneut starben Hunderte Menschen. Christenverfolgung hat nach Angaben von Menschenrechtsgruppen und Kirchen nicht nur im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas, sondern weltweit erneut zugenommen. Besonders in Afrika und im Nahen Osten leiden Christen unter islamischen Extremisten und intoleranten, christenfeindlichen Regierungen. Etwa 100 Millionen Christen weltweit werden dem überkonfessionellen christlichen Hilfswerk „Open Doors“ zufolge verfolgt.

Kauder: Leiden der Christen wird im Westen verdrängt

„Noch nie zuvor in der Geschichte wurden so viele Christen bedrängt und verfolgt wie in unseren Tagen“, betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, im Juni. US-Senator Rand Paul spricht sogar vom „weltweiten Krieg gegen das Christentum“. CDU-Politiker Volker Kauder beklagt schon lange, dass „das Leiden verfolgter Christen“ im Westen zu sehr verdrängt werde. Langsam scheint sich das aber zu ändern. „Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Lage der Christen und anderer religiöser und ethnischer Minderheiten in Nordafrika, dem Nahen oder Mittleren Osten nach dem Sturz der autoritären Regime sich zum Schlechteren entwickelt“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.

Nordkorea, wo schon ein gemeinsames Gebet ins Arbeitslager führt, gilt als Horrorland für Christen. Im Weltverfolgungsindex 2013 von „Open Doors“ belegt Nordkorea zum elften Mal in Folge den ersten Platz. Experten wie Andre Stiefenhofer von „Kirche in Not“ verweisen aber darauf, dass die brutale Verfolgung Andersdenkender in der Diktatur Kim Jong Uns flächendeckend sei. In Afrika und im Nahen Osten gehe es aber oft gezielt nur gegen Christen.

In manchen islamischen Staaten wie Saudi-Arabien sind ohnehin fast alle Aktivitäten von Christen gesetzeswidrig. Das US-Forschungszentrum PEW zählt Saudi-Arabien zu den 18 Ländern, in denen die Religionsausübung massiv eingeschränkt wird.

Mehr als 40 Prozent der Christen in Syrien sind geflüchtet

Dramatisch hat sich die Lage in Syrien entwickelt. Mehr als 40 Prozent der etwa 2,5 Millionen Christen sollen schon geflohen sein. In Ägypten klagen die Christen weiter über Diskriminierung, 40 Kirchen und christliche Einrichtungen wurden der katholischen Kirche zufolge zerstört. Im Irak leben nur noch 300.000 der früher einmal 1,5 Millionen Christen. Sie flohen vor dem Terror der Islamisten, der 2013 erneut zunahm.

In den Palästinensergebieten wandern Christen schon seit vielen Jahren wegen wachsender Repressalien und Übergriffe von Islamisten aus. Auch in Pakistan wächst die Angst unter den acht Millionen Christen. 2013 gab es mehr Attacken denn je. Beim Anschlag auf eine Kirche in Peshawar starben mindestens 86 Menschen.

Weiter verschlechtert hat sich die Lage der Christen in vielen Teilen Afrikas. Eritrea bleibe das „Nordkorea Afrikas“, so das „Christian Persecution Magazine“. Laut „Open Doors“ geht es den 2,5 Millionen Christen weiter schlecht. 1.200 Christen befänden sich in menschenunwürdigen Gefangenenlagern und Gefängnis-Containern.

Seit März hat sich die Lage in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) zugespitzt. Nachdem die muslimischen Seleka-Rebellen mit Hilfe ausländischer Islamisten gesiegt und die Hauptstadt Bangui erobert hatten, sind nach Angaben von Amnesty International Christen systematisch Ziel von Attacken. Pastoren seien getötet, Frauen vergewaltigt und Kirchen zerstört worden. „Zuweilen wehren sich Christen, aber 90 Prozent der Gewalt geht von den Rebellen aus“, betonte Klaas Muurling von „Open Doors“ in Den Haag.

Auch im zu 95 Prozent muslimischen Sansibar, einer Insel vor Tansania, werden Christen vermehrt Zielscheibe brutaler Angriffe. Weltweite Aufmerksamkeit gab es, als im Sommer zwei 18-jährige Britinnen Opfer eines Säureanschlags wurden. Die Zerstörung von Kirchen und christlichen Stätten nimmt laut der US-Organisation „International Christian Concern“ weiter zu. Unruhe auch in Kenia: Die katholischen Bischöfe äußerten sich „tief besorgt über die wachsende Unsicherheit und Terroranschläge gegen unschuldige Christen“.

Nigeria: „Es wird immer schlimmer“

In Nigeria ist ein Ende des religiösen Fanatismus von Boko Haram nicht absehbar. „Es wird immer schlimmer“, sagt Joseph Scheppach von der Organisation „Hilfe für verfolgte Christen“. Auch 2013 wird die Zahl der Terroropfer auf über 1.000 gestiegen sein. Vor allem im islamischen Norden werden Christen drangsaliert und unterdrückt, Zehntausende sind in den Süden geflohen. Inzwischen seien auch andere Islamisten-Gruppen aktiv, ihr Einfluss verstärke sich sogar in Nachbarländern wie Kamerun, berichtete Klaas Muurling von „Open Doors“ (Den Haag).

„Viele Leute beten nur noch zu Hause, lesen dort die Bibel oder hören sich Predigten im Radio an, sie haben einfach zu viel Angst“, berichtet der Schreiner Fidelis John (29) in Nigerias Hauptstadt Abuja. Er und seine Frau gehen nur noch getrennt in die Kirche, im schlimmsten Fall soll die fünfjährige Tochter nicht Vollwaise werden. „Wir wissen, dass die meisten Anschläge geschehen, wenn Christen feiern. Wir haben Angst, aber Angst darf nicht dein Leben diktieren“. Der Schreiner wird trotz allem Weihnachten wieder in die Kirche gehen. (dpa)