Von Constanze Junghanß
Blass-erschöpfte Soldaten sitzen im Obercunnersdorfer Feuerwehrgerätehaus und machen Mittagspause. Manchen klebt Filmblut im Gesicht, allen jede Menge Schlamm an den Hosen und Stiefeln. Sie sind Komparsen für den Kinofilm „Der Hauptmann“. Dafür wird in der Oberlausitz gedreht. Drehorte sind unter anderem ein Wäldchen im Schöpstaler Ortsteil Liebstein, die Scheune eines Randgehöfts in Königshain, ein Umgebindehaus in Großschönau und am Freitag Obercunnersdorf.
Filmdreh "Der Hauptmann" bei Görlitz
Mit dabei im Örtchen am Kottmar ist Tom Pfeiffer aus Görlitz. Der junge Mann gehört zum Team der etwa 50 Komparsen, die beim Dreh dabei sind. In Obercunnersdorf schlüpfen 17 Laienschauspieler in Soldatenuniformen. Seine erste Komparsenrolle ist das nicht, wie Tom Pfeiffer erzählt. Bei diesem Kinofilm mitzuwirken, mache ihm besonders großen Freude. Obwohl die Bedingungen die Beteiligten wettermäßig heftig fordern: Kalt, nass und stürmisch. Bis zu minus sechs Grad an einem der Drehtage im Schöpstal. Graupelschauer auch in der Kottmargemeinde. Regisseur Robert Schwentke zieht sich die Kapuze über den Kopf und klappt seinen Stuhl unter dem Viaduktbogen im Umgebindehausdorf auf. Die Zigarre im Mund wird trotzdem nass. Zeit zum Reden hat Schwentke nicht. Gleich surren die Kameras. Das Viadukt ist ein Checkpoint im Film – ein Kontrollpunkt also. Die gab es in den letzten Kriegstagen in Deutschland, in denen der Film spielt. Bürokratie funktionierte im Land paradoxerweise noch bis zum Ende.
„Wir machen einen Film über Macht und Gewalt. Denn das bestimmt auch immer mehr unsere heutige Zeit“, sagt Produzent Frieder Schlaich. Demokratie sei weltweit schon fast im Aussterben begriffen. Deshalb soll der Antikriegsfilm die Zuschauer zum Nachdenken anregen. „Wir zeigen die böse Seite des Krieges.“ Dass von dem Werk allein etwa 20 Tage in der Oberlausitz entstehen, hat Gründe. Einerseits sind das die vielen historischen Gebäude, die zu entdecken sind. Die Kombination mit der besonderen Landschaft habe einen einmaligen Reiz. Für Frieder Schlaich ist die Region so spannend geworden während der Drehtage, dass er sagt: „Ich überlege, in der Oberlausitz mal ganz in Ruhe Urlaub zu machen.“ Bevor es soweit ist, steht aber jede Menge Arbeit an.
Zwei Tage vorher in Königshain: Es duftet nach Bohneneintopf. Der Geruch wabert vom Parkplatz am Schloss Königshain bis zur Dorfstraße. Dort stehen Laster und Autos. Allerdings ist es absolut still. Die Besitzer der Fahrzeuge sind in den umliegenden Wäldern und Feldern unterwegs. Für einige Zeit steht die Basisstation der Filmcrew in Königshain. Dass kaum Einheimische vorbei schauen, wundert Kristina Peschel und Ronny Ebert. Die jungen Leute sind für das Catering von Regisseur Robert Schwentke, Produzent Frieder Schlaich und den Schauspielern verantwortlich. Zum Mittag köcheln sie Hähnchenkeule, Rosenkohl und Kartoffelklößchen. Den Bohneneintopf gibt es zum Abendbrot. „Wenn wir in Großstädten wie München mit einem solchen Tross unterwegs sind, kommen jede Menge Interessenten zum Schauen und Fragen stellen“, erzählt Kristina Peschel. Doch in Königshain? „Höchstens ein Besucher pro Tag.“ Dabei weht ein Hauch Hollywood über das Schlossgelände. Regisseur Robert Schwentke kehrte für die Dreharbeiten aus der weltberühmten Filmmetropole zurück, um die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte des Gefreiten Willi Herald zu erzählen. Der desertiert am Ende des Zweiten Weltkrieges und findet eine ranghohe Hauptmannsuniform. In dieser Uniform sammelt Willi umherirrende Soldaten ein. Ruchlos testet der Protagonist die Grenzen seiner neuen Macht.
Für Obercunnersdorf ist ein Produktionstag angesetzt gewesen. Schon fährt das Filmteam im Tross mit Caterern, Maske, den Hauptdarstellern Max Hubacher, Milan Peschel, Frederick Lau, Alexander Fehling und allen anderen weiter nach Breslau. 20 Tage wird im Umfeld der polnischen Stadt geschauspielert. Danach stehen noch einige Drehtage in Görlitz auf dem Plan. Ein Kino in der Neißestadt verwandelt sich zur Filmkulisse. Welches Lichtspielhaus das ist, verrät Frieder Schlaich noch nicht. Nur soviel: Eine Art Büro ist das dann in der deutsch-polnischen Filmproduktion. Und auch der Görlitzer Untermarkt soll eine Rolle spielen. Voraussichtlich im kommenden Jahr flimmert der Film über die Kinoleinwände. Möglicherweise findet die Premiere sogar bei der Berlinale 2017 statt.