Merken

Checkpoint unterm Viadukt

In der Region wird zurzeit „Der Hauptmann“ gedreht. Jetzt geht es in Polen weiter, danach fällt die Klappe in Görlitz.

Teilen
Folgen
© Thomas Eichler

Von Constanze Junghanß

Es duftet nach Bohneneintopf. Der Geruch wabert vom Parkplatz am Schloss Königshain bis zur Dorfstraße. Dort stehen seit Montag mehrere Lkw und Autos. Allerdings ist es absolut still. Die Besitzer der Fahrzeuge sind in den umliegenden Wäldern und Feldern unterwegs.

Filmdreh "Der Hauptmann" bei Görlitz

Der Viadukt in Obercunnersdorf diente als Drehort.
Der Viadukt in Obercunnersdorf diente als Drehort.
Das Kriegsgerät wurde unterhalb des Viaduktes eingerichtet.
Das Kriegsgerät wurde unterhalb des Viaduktes eingerichtet.
Regisseur Robert Schwentke (links), hier in einer Drehpause, war nur so zu erwischen. Er wollte nicht fotografiert werden.
Regisseur Robert Schwentke (links), hier in einer Drehpause, war nur so zu erwischen. Er wollte nicht fotografiert werden.
Vor dem Dreh mußte sich natürlich erstmal gestärkt werden.
Vor dem Dreh mußte sich natürlich erstmal gestärkt werden.
Pünktlich zum Drehbeginn setzte heftiges Schneetreiben ein.
Pünktlich zum Drehbeginn setzte heftiges Schneetreiben ein.
Straßensperre direkt unterhalb des Viaduktes.
Straßensperre direkt unterhalb des Viaduktes.
Jede Menge Statisten in Wehrmachtsuniformen waren am Hauptstandort des Filmteams, dem Feuerwehrdepot anzutreffen.
Jede Menge Statisten in Wehrmachtsuniformen waren am Hauptstandort des Filmteams, dem Feuerwehrdepot anzutreffen.
Hauptdarsteller Max Hubacher bekommt noch in einer Drehpause die Uniform gerichtet.
Hauptdarsteller Max Hubacher bekommt noch in einer Drehpause die Uniform gerichtet.
Milan Peschel, hier noch in Zivil, wartet auf seinen Einsatz als Fahrer des Wehrmachtsfahrzeuges.
Milan Peschel, hier noch in Zivil, wartet auf seinen Einsatz als Fahrer des Wehrmachtsfahrzeuges.
Leichte Arbeiten an der Ausrüstung von Frederick Lau.
Leichte Arbeiten an der Ausrüstung von Frederick Lau.
Komparsen beim Filmdreh in Obercunnersdorf vor der Freilwilligen Feuerwehr.
Komparsen beim Filmdreh in Obercunnersdorf vor der Freilwilligen Feuerwehr.
Komparse Tom Pfeiffer aus Görlitz.
Komparse Tom Pfeiffer aus Görlitz.
Die Caterer waren wichtig beim Dreh.
Die Caterer waren wichtig beim Dreh.

Seit zwei Wochen fallen die Klappen zum Kinofilm „Der Hauptmann“. Und für einige Zeit steht die Basisstation der Filmcrew in Königshain. Dass kaum Einheimische vorbei schauen, wundert Kristina Peschel und Ronny Ebert. Die jungen Leute sind für das Catering von Regisseur Robert Schwentke, Produzent Frieder Schlaich und den Schauspielern verantwortlich. Zum Mittag köcheln Hähnchenkeule, Rosenkohl inklusive Kartoffelklößchen. Den Bohneneintopf gibt es zum Abendbrot. „Wenn wir in Großstädten wie München mit einem solchen Tross unterwegs sind, kommen jede Menge Interessenten zum Schauen und Fragen stellen“, erzählt Kristina Peschel.

Doch in Königshain? „Höchstens ein Besucher pro Tag.“ Dabei weht ein Hauch von Hollywood über das Schlossgelände. Regisseur Robert Schwentke lebt in Los Angeles, ist in den USA kein Unbekannter. 2005 führte er Regie bei „Flightplan“ mit Jodie Foster, 2015 und 2016 zwei Teile der Trilogie „Die Bestimmung.“ In Deutschland war er bislang bei drei „Tatorten“ Regisseur. Für die neuerlichen Dreharbeiten kehrte er aus der weltberühmten Filmmetropole zurück, um die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte des Gefreiten Willi Herald zu erzählen. Der desertiert am Ende des Zweiten Weltkrieges und findet eine ranghohe Hauptmannsuniform. In dieser Uniform sammelt Willi umherirrende Soldaten ein. Ruchlos testet der Protagonist die Grenzen seiner neuen Macht. Dargestellt wird er vom jungen Schweizer Max Hubacher. Auch bekannte deutsche Namen sind auf der Besetzungsliste: Milan Peschel etwa, der zuletzt Weihnachten als Sam Hawkens im Fernsehen und in Timm Thaler oder das verkaufte Lachen im Kino zu erleben war. Außerdem dabei unter anderem Frederick Lau und Alexander Fehling.

Drehorte sind unter anderem ein Wäldchen im Schöpstaler Ortsteil Liebstein, die Scheune eines Randgehöfts in Königshain, ein Umgebindehaus in Großschönau und seit Freitag auch Obercunnersdorf. Dort sitzen am frühen Nachmittag blasse, erschöpfte Soldaten im Feuerwehrgerätehaus und machen gerade Mittagspause. Manchen klebt sogar Filmblut im Gesicht, allen aber jede Menge Schlamm an den Hosen und Stiefeln. Mit dabei Tom Pfeiffer aus Görlitz. Der junge Mann gehört zum Team der etwa 50 Komparsen, die beim Dreh dabei sind. In Obercunnersdorf schlüpfen 17 Laienschauspieler in Soldatenuniformen. Seine erste Komparsenrolle ist das nicht, wie Tom Pfeiffer erzählt. Bei diesem Kinofilm mitzuwirken, mache ihm besonders große Freude. Obwohl die Bedingungen die Beteiligten wettermäßig heftig fordern: Kalt, nass und stürmisch. Bis zu minus sechs Grad an einem der Drehtage im Schöpstal. Graupelschauer auch in der Kottmargemeinde.

Regisseur Robert Schwentke zieht sich die Kapuze über den Kopf und klappt seinen Stuhl unter dem Viaduktbogen im Umgebindehausdorf auf. Die Zigarre im Mund wird trotzdem nass. Zeit zum Reden hat Schwentke nicht. Gleich surren die Kameras. Das Viadukt ist ein Checkpoint im Film – ein Kontrollpunkt also. Die gab es in den letzten Kriegstagen in Deutschland. Bürokratie funktionierte im Land paradoxerweise noch bis zum Ende.

„Wir machen einen Film über Macht und Gewalt. Denn das bestimmt auch immer mehr unsere heutige Zeit“, sagt Produzent Frieder Schlaich. Demokratie sei weltweit schon fast im Aussterben begriffen. Deshalb soll der Antikriegsfilm die Zuschauer zum Nachdenken anregen. „Wir zeigen die böse Seite des Krieges.“

Dass von dem Werk allein etwa 20 Drehtage in der Oberlausitz anstehen, hat Gründe. Einerseits sind das die vielen historischen Gebäude, die in und um Görlitz zu entdecken sind. Die Kombination mit der besonderen Landschaft habe ebenso ihren fast einmaligen Reiz. Für Frieder Schlaich ist die Region so spannend geworden während der Drehtage, dass er sagt: „Ich überlege, in der Oberlausitz mal ganz in Ruhe Urlaub zu machen.“ Bevor es soweit ist, steht aber noch jede Menge Arbeit an.

Für Obercunnersdorf ist ein Produktionstag angesetzt. Am nächsten Tag fährt das Filmteam im Tross mit Caterern, Maske, den Hauptdarstellern und allen anderen weiter nach Breslau. 20 Tage wird dann im Umfeld der polnischen Stadt geschauspielert. Danach stehen noch einige Drehtage in Görlitz auf dem Plan. Ein Kino in der Neißestadt verwandelt sich zur Filmkulisse. Welches Lichtspielhaus das ist, verrät Frieder Schlaich noch nicht. Nur soviel: Eine Art Büro ist das dann in der deutsch-polnischen Filmproduktion. Und auch der Görlitzer Untermarkt soll eine Rolle spielen, wie Crewmitglieder erzählen.

Voraussichtlich im kommenden Jahr flimmert der Film über die Kinoleinwände. Möglicherweise findet die Premiere sogar bei der Berlinale 2017 statt. Hier hatten in diesem Jahr die beiden ebenfalls in der Region gedrehten Filme „Der junge Karl Marx“ und „Es war einmal in Deutschland…“ Weltpremiere.