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Che Guevaras Gebeine geben weiter Rätsel auf

Die Identität seiner auf Kuba befindlichen sterblichen Überreste steht erneut in Frage.

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Von Rita Neubauer,SZ-Korrespondentin in Caracas

Vier Jahrzehnte nach seiner Exekution und zehn Jahre nach dem überraschenden Fund seiner Gebeine gibt Ernesto „Che“ Guevara erneut Rätsel auf. Eine spanisch-mexikanische Zeitschrift schreibt, dass es sich bei dem in einem Mausoleum auf Kuba aufgebahrten Skelett nicht um das des Revolutionärs aller Revolutionäre handelt.

Das Magazin „Letras Libres“ behauptet in seiner jüngsten Ausgabe, dass die kubanischen Gerichtsmediziner bei der vermeintlichen Identifizierung unter Druck von Fidel Castro gestanden hätten. Kubas Präsident wollte angeblich, dass die Gebeine seines argentinischen Kampfgefährten aus politischen Gründen als solche identifiziert wurden, um damit den Che-Kult und „revolutionären Geist“ wiederzubeleben. Die Autoren wollen nach Interviews in Bolivien und Kuba auf Widersprüche im Report der kubanischen Gerichtsmediziner und Experten gestoßen sein. Auch hinterfragt „Letras Libres“ den Wahrheitsgehalt des DNA-Tests und zitiert Zeitzeugen, die Guevara als Besitzer eines Gürtels, einer Tabakdose und eines Hemdes in Frage stellen, die bei dem Leichnam gefunden wurden.

Begründete Zweifel

Schon 1997, als die Gebeine unter der Landebahn eines Dschungelflughafens im abgelegenen bolivianischen Dorf Villagrande entdeckt wurden, hatte der „Miami Herald“ Zweifel angemeldet. Die Tageszeitung berief sich damals auf Gustavo Villoldo. Der kubanische Exilant und ehemalige CIA-Agent hatte das bolivianische Militär auf der Jagd nach Guevara unterstützt. Anschließend hatte er auch dem Begräbnis von Guevara und von zwei weiteren Guerilleros beigewohnt. Unter dem Rollfeld waren jedoch neben Guevara sechs weitere Leichen entdeckt worden.

Eine Leiche hatte zudem keine Hände. Viele Jahre lang waren Historiker davon ausgegangen, dass die Leiche von Guevara, dem man nach dem Tode die Hände amputiert hatte, verbrannt und seine Asche in alle Winde verstreut worden war. Doch Mitte der 90er Jahre überraschten pensionierte bolivianische Militärs die Öffentlichkeit mit dem Geständnis, dass sie Guevara angeblich auf dem Flughafen verscharrt hätten.

Wochenlang hatten im Herbst 1967 2000 bolivianische Soldaten den „Comandante“ und seine Mitstreiter durch Dschungel und Bergland verfolgt. Unterstützt wurden sie vom US-Geheimdienst, der angetreten war, einen Mann zu eliminieren, der in Bolivien den Bürgerkrieg entfachen und die Revolution in ganz Lateinamerika zum Sieg tragen wollte.

Mit seiner Ermordung erreichte der CIA zwar sein Ziel. Er machte jedoch einen der schärfsten Gegner des Kapitalismus und der USA erst recht zum Märtyrer und Heiligen. Guevara, ein gebildeter Bürgersohn aus Argentinien, war nach der kubanischen Revolution 1959 vom Scharfrichter zum Chef der Nationalbank und des Industrieministeriums aufgestiegen. Er propagierte den Neuen Menschen.

Doch 1965 verließ er Kuba fast überstürzt. Über die Gründe wird immer noch gerätselt. Hatte er sich mit Castro überworfen? War er desillusioniert über sein Leben als Minister? Die Welt wird es nie erfahren. Er wolle sich wieder mit den internationalen Aspekten der Revolution befassen, lautete es in seinem Abschiedsbrief. Ein Erfolg blieb ihm jedoch versagt. Er scheiterte im Kongo, wo er zu marxistischen Rebellen Kontakte knüpfte. Er scheiterte in Bolivien, dessen „Befreiungskampf“ er mit dem Leben bezahlte.