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Chaos an der Kiesgrube

Das Baden im Baggersee bei Laußnitz ist verboten, aber beliebt. Eine Blechlawine parkt in Kolonne an der Werksstraße. Die Königsbrücker Ordnungshüter wollen deshalb jetzt durchgreifen.

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© Kristin Richter

Reiner Hanke

Laußnitz. Den Ordnungshütern der Stadtverwaltung Königsbrück stehen Schweißperlen auf der Stirn. Während sie oben an der Kieswerkstraße im Gewerbegebiet Laußnitz Knöllchen verteilen, aalen sich hangabwärts hinter einem Waldstreifen Badefreunde in der Sonne und genießen das türkisfarbene Wasser. Die zieht es schon seit vielen Jahren an die Kiesgrube. Derzeit sind sie wegen der Hitze einfach nicht mehr zu bremsen. Der Baggersee gehört zum Betriebs-Gelände des Kieswerks Ottendorf-Okrilla. Dem Namen zum Trotz aber größtenteils auf Laußnitzer Ausläufern, wie auch die Werksstraße. Deshalb ist das Ordnungsamt Königsbrück zuständig.

Im Spannungsfeld mit den illegalen Badegästen

Genau an der Kieswerkstraße wird die Stadt derzeit mit den Nebenerscheinungen der Badefreuden konfrontiert. Denn die Scharen der Gäste kommen nicht zu Fuß, so Hauptamtsleiterin Flavia Rammer. Sie kommen mit dem Auto. Die Blechlawine parkt in Kolonne an der Werksstraße. Deshalb herrscht dort zu bestimmten Tageszeiten Chaos. Manchmal stehen dort bestimmt 200 und mehr Autos, so Flavia Rammer.

Normalerweise hat die Stadt Königsbrück nicht so viel damit zu tun. Derzeit wird aber auf der B 97 gebaut und die Strecke über die Kieswerkstraße als innerörtliche Umleitung genutzt. Dafür wurde die sonst gesperrte Straße geöffnet. So rolle hier derzeit ein Verkehr wie auf der Bundesstraße. Im Spannungsfeld mit den illegalen Badegästen eine kritische Mischung. Königsbrück als Ordnungsbehörde müsse einschreiten. Das gesamte Gebiet ist als Parkverbotszone mit einem Tempolimit von 30 km/h ausgewiesen. Viele Fahrzeuge würden dennoch gefährlich im Straßenraum parken, so Flavia Rammer. Und auch noch Müllberge hinterlassen. Das Tempolimit werde ebenso ignoriert wie das Badeverbot: „Laster und Autos donnern mit 60 km/h zwischen den parkenden Autos durch und gehen auf die Klötzer, wenn es eng wird.“ Wenn sich zwei Lkws auf gleicher Höhe begegnen, dann werde es besonders brenzlig, vor allem für Passanten, weiß die Amtschefin. Im Abstand von zehn Zentimetern seien sie an ihr vorbeigerauscht. Da bekomme man ein flaues Gefühl in der Magengegend.

Die Masse der Besucher kommt aus Dresden

Der Stadt wolle jetzt durchgreifen. Flavia Rammer: „Mancher wird vielleicht sagen, das sei übertrieben, aber für mich steht die Gefahr im Vordergrund.“ Viele Familien mit Kindern kraxeln mit Schwimmtieren bewaffnet den Hang zum See hinunter. „Es ist fahrlässig mit Kindern hierherzukommen“, warnt Rammer.

Aus den Ermittlungen der Behörde zu schließen, kommen aber die wenigsten Gäste aus der Gegend, aus dem Königsbrücker Raum oder Ottendorf. Dort sehen ohnehin viele Anwohner den Badetourismus kritisch. Die Masse komme aus Dresden und dem Raum Pirna und Meißen. Aber auch Kennzeichen aus Döbeln oder Rosenheim sind zu sehen. Vielleicht Besucher im Dresdner Raum. Meist führten sie Mundpropaganda oder Internettipps her. Auf einer Facebookseite kommen die Besucher kaum aus dem Schwärmen heraus. Die Hauptamtsleiterin kann nur mit dem Kopf schütteln. Und so laufen oder radeln die Badegäste weiter in Scharen neben den parkenden Autos, Kinder rennen plötzlich auf die andere Seite, knapp vor einem Laster entlang: „Es ist hier lebensgefährlich. Ich habe Angst vor dem Tag, an dem ein Kind unter die Räder kommt.“ Dazu die Waldbrandgefahr. Die Katalysatoren seien glühend heiß und könnten leicht die dürren Pflanzen entzünden, habe bereits der Forst gewarnt.

Alle Warnungen perlen ab

Die Leute seien aber völlig unbelehrbar, uneinsichtig und ohne jegliches Verständnis für das Park- und Badeverbot. Flavia Rammer weiß auch um die Gefahren, die im und um den Baggersee lauern. Die stünden noch auf einem anderen Blatt. Dort sei allein das Kiesunternehmen angehalten, für Sicherheit zu sorgen. Das lasse zwar einen Wachschutz patrouillieren, der die Badegäste vertreiben soll. Der Ansturm in diesen Tagen lasse sich aber nicht stoppen. Ein Zaun um das 300-Hektar-Grundstück sei kaum realisierbar, heißt es.

Auch um die fälligen Strafgebühren würden sich die Badegäste nicht scheren. Die verteilen die Königsbrücker Ordnungshüter derzeit zu Hunderten, erreichen aber kaum etwas. Wenn die Leute 15 Euro hören würden, dann winken sie ab: „Machen’se halt dran, wir wollen jetzt baden.“ Alle Warnungen würden abperlen. Ein junges Pärchen rückte gerade mit Rucksäcken an. In Dresden und Umgebung gebe es wenige so schöne Badestellen, deshalb seien sie hier und auch die Industriekulisse hinterm Strand sei einfach herrlich. Die Verbote seien nur Schikane, ist eine verbreitete Meinung oder werden glatt übersehen.

Die Königsbrücker Ordnungshüter könnten aber auch andere Dinge erledigen, als am Kieswerk Strafzettel zu verteilen. Eine zusätzliche Einnahmequelle sei das nicht. So ein Einsatz dauere vier Stunden für zwei Leute. Den Aufwand brächten die Ordnungsgelder nie rein mit dem ganzen Schriftkram. Ein Drittel der Sünder zahle außerdem nicht. Dann übernimmt die Kreisbehörde das Verfahren und kassiert letztlich auch das Geld. Da mit Knöllchen dem Badeverkehr nicht beizukommen sei, will die Stadt nun mit härteren Maßnahmen durchgreifen: „Wir wollen Fahrzeuge abschleppen lassen, die gefährlich im Verkehrsraum parken.“ Das ist eine deutliche Warnung. Flavia Rammer hofft, dass sich schon die Ankündigung herumspricht und vom Baden abschreckt. Denn mit 15 Euro ist es dann bei Weitem nicht mehr getan.