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Championat für Geistesblitze

Problemschachfreunde ermitteln in Dresden ihre Weltmeister. Der deutsche Meister Dr. Silvio Baier schwärmt für seinen Sport.

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© Ronald Bonß

Von Jochen Mayer

Wer keine Probleme hat, macht sich welche. Und wer es auf die Spitze treiben will, kann sogar einen Sport daraus machen – so wie die Problemschachfreunde. Die richten diese Woche ihren Weltkongress und die WM im Problemlösen in Dresden aus. Zuletzt hatte es dieses Ereignis vor 25 Jahren in Deutschland gegeben – in Bonn.

In Multifunktion ist Dr. Silvio Baier beim Kongress vertreten. Der deutsche Meister im Lösen von Schachproblemen startet mit der deutschen Auswahl. Der Dresdner gehört aber auch zu den Organisatoren.

Und er beschreibt, wie sich ein Wettkampftag beim Problemlösen anfühlt: „Nach drei Stunden bin ich einfach richtig geschafft, so geht es mir auch nach einer harten Partie am Brett.“ Das Brettspiel verlangt in allen Spielarten Kondition und Konzentration, Körper und Geist müssen für den Denksport fit sein.

Der 38-Jährige spielte schon in der Schach-Bundesliga.. In der Wochenpost entdeckte er eine Problemschach-Rubrik, und fortan war er fasziniert von der neuen Ideenwelt im Schach. „Es gibt da viele tolle Sachen“, sagt Baier und lächelt vielsagend.

Die einen lösen Probleme, andere machen welche. Silvio Baier kann beides. Er komponiert Aufgaben, die zum Beispiel in drei Zügen zu lösen sind. Dagegen soll sich das Lösen von Schachaufgaben ähnlich wie das Entschlüsseln eines Kreuzworträtsels anfühlen. Das Komponieren von Schachproblemen hat für ihn eine andere Dimension: „Das ist eine Kunst“, sagt er bestimmt und schwärmt von ästhetischer Schönheit und Eleganz. „Manchmal kann ich monatelang immer mal über einem Schachproblem grübeln, natürlich nicht ständig“, beschreibt er die Situation, wenn er sich an einer komplizierten Konstellation festbeißt. „Das geht einem nicht mehr aus dem Kopf. Und dann kommt plötzlich der erhellende Geistesblitz, die Lösung.“ Und damit Glücksgefühle, das Erfolgserlebnis.

Dr. Silvio Baier kann sich für seine Passion begeistern: „Das hat was mit Mathematik zu tun, mit Vorstellungskraft, mit analytischem Verstand.“ Der eigentliche WM-Wettkampf ähnelt einer Prüfung. Jeder sitzt alleine vor einem Schachbrett mit einem Zettel, auf dem die Aufgaben abgebildet sind. Für die Lösung haben die WM-Teilnehmer im Dresdner Wyndham Garden Hotel insgesamt sechs Stunden Zeit.

Zur WM in der Elbestadt passt eine besondere Herausforderung im Problemschach: Die „Dresdner Idee“. Dahinter steckt keinerlei kommunaler Stadtentwicklungs-Bezug. Vergangene Woche wurde sie im Lingnerschloss zum traditionellen Schachsommer präsentiert. Experten konnten der Erfindung des gebürtigen Dresdners Friedrich Palitzsch wohl meist folgen, als es um Hauptplan, Vorplan oder Ersatzverteidigung ging. Die Spezialisten waren in ihrem Element, Zuschauer erfreuten sich an dem Einfall, der auch eine Hamburger Komponente hat und sich als Elbe-Thema einen Namen machte.

Bei der WM im vergangenen Jahr in Belgrad war die Vergabe des Championats nach Dresden eine Formsache. Die Stadt war einziger Kandidat. „Wir wurden viele Jahre immer wieder gefragt, wann Deutschland den Weltkongress und die WM ausrichten würde“, erzählt WM-Organisationschef Prof. Torsten Linß, der das Championat in die Stadt geholt hat. „Dresden besitzt aber auch einen ausgezeichneten Ruf in der Problemschach-Szene.“ So treten am Dienstag und Mittwoch rund 100 Löser aus 36 Ländern zur WM an, außerdem tagt der Problemschachweltverband, und in vielen Turnieren treffen die Problemlöser aufeinander.

Für Mathematik-Professor Linß ist die polnische Auswahl der WM-Favorit: „Sie kommen mit einem kompletten Aufgebot an Großmeistern.“ Aber Medaillenchancen sollten auch die Deutschen haben, Lokalmatador Silvio Baier liegt momentan auf Rang zehn der Weltrangliste. Am Montag steigt in Dresden das Weltcupfinale, Dienstag und Mittwoch fallen die WM-Entscheidungen.

Dr. Frank Reinhold gehört auch zum WM-Organisations-Team. Er betreut seit 25 Jahren die SZ-Schachecke. Einige dieser dort veröffentlichten Probleme sind im FIDE-Album, einer Zusammenstellung der besten Probleme eines Dreijahreszeitraums, verewigt. „Die SZ hat einen ausgezeichneten Ruf in der Szene“, erklärt der 55-Jährige, der als Ingenieur bei Infineon arbeitet. „Deshalb veröffentlichen auch namhafte Komponisten ihre Aufgaben in der SZ.“ Seit 1958 erscheinen die Schachrätsel in der Dresdner Tageszeitung, inzwischen 14-tägig im SZ-Wochenend-Magazin.