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Bundesverdienstkreuz für „Zahnputzomi“

Sieglinde Brühmann hat Tausenden Kindern das richtige Zähneputzen gezeigt. Dafür ist die Zittauerin geehrt worden.

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© Bernd Gärtner

Von Jan Lange

Zittau. Den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier findet Sieglinde Brühmann unwahrscheinlich sympathisch. Die 82-jährige Zittauerin ist ihm jetzt ganz nah gekommen – aus Steinmeiers Händen nahm sie das Bundesverdienstkreuz entgegen. Sie habe nicht das Gefühl gehabt, neben dem „ersten Mann im Staat“ zu stehen. „Er besitzt Humor und hat jeden persönlich angesprochen“, berichtet sie von der festlichen Verleihung. Der Bundespräsident habe sie beispielsweise gefragt, ob sie wirklich eine Sächsin sei. Steinmeiers Frage konnte Sieglinde Brühmann bejahen.

In Dresden geboren und aufgewachsen, kam sie Ende der 1950er Jahre nach Zittau. Ihr Mann fand damals Arbeit bei Robur und sie folgte ihm in die Oberlausitz. Hier fand Frau Brühmann auch beruflich schnell Anschluss: In der seinerzeit im Aufbau befindlichen Jugendzahnklinik wurde sie angestellt. Über 40 Jahre, bis zur Schließung der Einrichtung ist sie hier tätig gewesen. In dieser Zeit zeigte sie Tausenden Kindern, wie sie richtig Zähne putzen.

Die Vorsorge gehörte zu den drei Aufgaben, die Sieglinde Brühmann und ihre Kollegen zu meistern hatten. Genauso wichtig waren die Behandlungen in der Jugendzahnklinik sowie die staatlichen Untersuchungen in den Schulen und Kitas. Der Zahnprophylaxe blieb sie auch als Rentnerin verbunden. Regelmäßig besuchte sie Kindereinrichtungen, um mit dem Nachwuchs spielerisch und praktisch die Mundhygiene zu üben. Hier erhielt die Zittauerin auch ihren Spitznamen „Zahnputzomi“. So riefen sie die Kinder in den Kitas. Den Erziehern sei das zuerst peinlich gewesen, doch Sieglinde Brühmann findet ihn nett und auch passend. Schließlich sei sie ja eine Oma und das richtige Zähneputzen eine Herzensangelegenheit von ihr.

Die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe in den Kindereinrichtungen organisiert die sächsische Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (LAGZ). Sieglinde Brühmann ist eine der Geburtshelferinnen dieser Organisation und wurde 1992 auch deren erste Vorsitzende. Heute ist die Zittauerin Ehrenmitglied der LAGZ.

Auch beim Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) hält man große Stücke von Sieglinde Brühmann. Den hiesigen DKSB-Ortsverband gründete sie ebenfalls mit. Über zehn Jahre hatte sie den Vorsitz inne. Sie sei immer stolz, wenn sie heute in das Kinderhaus komme, was daraus geworden ist, sagt Frau Brühmann, die nun Ehrenmitglied ist. Dass die Einrichtung an der Goethestraße den „Blauen Elefanten“ trägt, ist vor allem ein Verdienst der ehemaligen Vorsitzenden. Das Gütesiegel wird vom Bundesverband vergeben und muss immer wieder neu erworben werden. In der Zeit, als Frau Brühmann den DKSB-Ortsverband leitete, hatte der sich erstmals um den „Blauen Elefanten“ beworben.

Dass sie vor drei Jahren die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe in andere Hände gelegt hat, ist vor allem gesundheitlichen Problemen geschuldet. Sieglinde Brühmann kämpft gegen eine schwere Krankheit. Unterkriegen lässt sich die 82-Jährige davon nicht. Sie bleibt optimistisch. Ihre Schwiegermutter, die ebenfalls Zahnärztin war, sei ja auch 104 Jahre alt geworden. Auf ihr bisheriges Leben und ihre Arbeit blickt Frau Brühmann zufrieden zurück. Sie konnte viel erreichen.

Dabei ist sie mehr aus Zufall Zahnärztin geworden. Für drei Studienfächer konnte sie sich bewerben. Sie wählte Pharmazie, Feinmechanik und Zahnmedizin. Für Letzteres bekam sie die Zusage an der Leipziger Uni. Sie habe von Anfang an viel Freude in dem Beruf gehabt und nie bereut, dass sie den Weg so eingeschlagen ist, sagt sie. Dass sie Zahnärztin wurde, war damals auch nicht unbedingt üblich. Der Beruf war seinerzeit noch eine Männerdomäne.

Ihre drei Söhne sind nicht in die Fußstapfen von Sieglinde Brühmann getreten. Sie sind eher dem Vater gefolgt und haben einen technischen Beruf ergriffen. „Bei einem Mädchen wäre das vielleicht eher passiert“, meint die 82-Jährige. Sie genießt nun mit ihrem Mann das Rentnerleben in ihrer Wohnung an der Äußeren Oybiner Straße. Dort sind sie bereits 1959 eingezogen, dem Jahr als sie nach Zittau kamen. „Es gab damals deshalb etwas Aufregung, wie man einem jungen Paar eine so riesige Wohnung geben könne“, erzählt Sieglinde Brühmann. Doch ein Jahr später kamen dann ihre Zwillingssöhne auf die Welt und da reichte der Platz gerade so.

Die Kinder sind längst aus dem Haus und so findet sich in der Wohnung ein schöner Platz für das Bundesverdienstkreuz, die höchste Auszeichnung, die die 82-Jährige bisher bekommen hat.