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„Ganz Ostdeutschland schaut auf Görlitz“

Am Montagvormittag schaute Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst im Siemens-Werk vorbei. Den kompletten Montag verbringen er und seine Frau im Landkreis.

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© dpa

Von Frank Seibel

Die Zukunft beginnt in der Görlitzer Südstadt mit Blaumann und Butterbrotdose. Eine handvoll junger Männer sitzt im kleinen Hinterhof zwischen dem Siemens-Ausbildungszentrum und dem eisernen Zaun mit der Drehtür, die aufs Gelände des traditionsreichen Turbinenwerkes zwischen Luther- und Melanchthonstraße führt. Norbert Kiank ist einer der Auszubildenden, die sich an einem nicht ganz normalen Montagmorgen auf einmal in einer großen Traube von Journalisten wiederfinden. Hoher Besuch in Görlitz. Aber für die Jungs geht der Alltag weiter. Allein, dass es diesen hohen Besuch gibt, ist für sie aber schon eine Beruhigung – und eine Bestätigung, dass sie als Zerspaner bei Siemens einen guten Ausbildungsplatz gewählt haben. Der Bundespräsident hat sich angekündigt, und der würde doch nicht kommen, wenn Siemens in Görlitz auf einem absteigenden Ast wäre. Fast 50 Journalisten, Fotografen und Kameraleute von regionalen und überregionalen Medien sind gekommen, um Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender auf ihrer „Land in Sicht“-Tour nach Görlitz, Ostritz und Großhennersdorf zu begleiten. Ein Tag voller Gespräche mit Siemens-Managern und Mitarbeitern, mit Lokalpolitikern aus dem Landkreis, mit Redakteuren der SZ, den Organisatoren der Friedensfeste in Ostritz und, schließlich, bei einem Empfang in „Grohedo“ mit vielen Ehrenamtlichen aus der ganzen Region, die sich für Kultur, Sport und eine lebendige, demokratische Zivilgesellschaft engagieren.

Der Bundespräsident auf Besuch im Landkreis Görlitz

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) und seine Frau Elke Büdenbender werden bei ihrer Ankunft im Siemens Turbinenwerk von Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, begrüßt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) und seine Frau Elke Büdenbender werden bei ihrer Ankunft im Siemens Turbinenwerk von Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, begrüßt.
Ostritzer Schüler begrüßen Steinmeier und seine Frau.
Ostritzer Schüler begrüßen Steinmeier und seine Frau.
Auch an Vitamine wird gedacht.
Auch an Vitamine wird gedacht.
Steinmeier (l) besucht in Begleitung von Werkleiter Roland Schmidt das Görlitzer Siemens Turbinenwerk.
Steinmeier (l) besucht in Begleitung von Werkleiter Roland Schmidt das Görlitzer Siemens Turbinenwerk.
Mitarbeiter Nico Lachmann (l) bedient eine Maschine zur Fertigung von Rotorschaufeln, aufgenommen beim Besuch des Görlitzer Siemens Turbinenwerkes durch Bundespräsident Steinmeier.
Mitarbeiter Nico Lachmann (l) bedient eine Maschine zur Fertigung von Rotorschaufeln, aufgenommen beim Besuch des Görlitzer Siemens Turbinenwerkes durch Bundespräsident Steinmeier.
Banner für den Erhalt des Görlitzer Siemens Turbinenwerkes hängen an der Fassade eines leerstehenden Wohnhauses, aufgenommen beim Besuch vom Bundespräsident Steinmeier in Görlitz.
Banner für den Erhalt des Görlitzer Siemens Turbinenwerkes hängen an der Fassade eines leerstehenden Wohnhauses, aufgenommen beim Besuch vom Bundespräsident Steinmeier in Görlitz.
Steinmeier (2.v.l) und seine Frau Elke Büdenbender (l) und Michael Kretschmer (M, CDU), Ministerpräsident von Sachsen, sprechen beim Besuch des Görlitzer Siemens Turbinenwerkes mit den Mitarbeitern.
Steinmeier (2.v.l) und seine Frau Elke Büdenbender (l) und Michael Kretschmer (M, CDU), Ministerpräsident von Sachsen, sprechen beim Besuch des Görlitzer Siemens Turbinenwerkes mit den Mitarbeitern.
Steinmeier (Mitte) beim Termin im Landratsamt Görlitz mit Michael Kretschmer und dem Görlitzer OB Siegfried Deinege
Steinmeier (Mitte) beim Termin im Landratsamt Görlitz mit Michael Kretschmer und dem Görlitzer OB Siegfried Deinege

Als sich um 9.50 Uhr das Werkstor öffnet, rollen zunächst einige Polizeimotorräder herein, dann eine Limousine der Sächsischen Staatskanzlei und schließlich ein riesiger schwarzer Audi mit flatternder Deutschlandfahne samt Bundesadler vorn am rechten Kotflügel.

Für Norbert Kiank und seine Kollegen hat da der Unterricht schon wieder begonnen. Ihnen bleibt nur ein Blick aus dem Fenster des Klassenraumes, um das feierliche Geschehen im Hof kurz zu sehen. Natürlich, hatte er beim Frühstückbrot gesagt, natürlich sehe er seine Zukunft in Görlitz. Am besten bei Siemens – aber ansonsten könne er sich ja sicher sein, eine super Ausbildung zu bekommen, mit der es für ihn beruflich gute Möglichkeiten gibt.

Wenn der Bundespräsident kommt, macht er sich gleichwohl rar. Die wesentlichen Gespräche des Vormittags laufen hinter verschlossenen Türen, Ministerpräsident Michael Kretschmer, Landrat Lange, der Görlitzer OB Siegfried Deinege und der Landtagsabgeordnete Octavian Ursu immer dabei. Und, bei Siemens, auch die Personalchefin des Konzerns, Janine Kugel und der Leiter der Dampfturbinensparte, Norbert Schmidt. Die Zukunft der Industrie in Görlitz ist digital, erfährt das Präsidentenpaar und lässt sich die aktuelle Produktion an zwei Beispielen erkären. Marco Lachmann, ein Azubi im dritten Lehrjahr, bedient souverän einen Computer, der die Qualitätskontrolle einer fertigen Turbinenschaufel kontrolliert – hinter Glas tastet ein Laser das Teil ab, vermisst jeden Hundertstelmillimeter.

Tolle Auftragslage in diesem Sommer, sagt ein Siemensianer am Rande, „wir sind sehr optimistisch“.

Diesen Optimismus unterstreicht der Bundespräsident mit seinem Besuch – und mit seinem offiziellen Statement gegenüber den Medienleuten. Dass die schon verkündete Schließung des Görlitzer Turbinenwerkes vom Konzern zurückgenommen wurde, sei ein wichtiges Signal für die strukturschwache Region rund um Görlitz gewesen. Und nicht nur hier. „Überall in Ostdeutschland verfolgen die Menschen genau, ob es gelingt, am Industriestandort Görlitz eine dauerhafte Zukunftsperspektive zu entwickeln“, sagt Frank-Walter Steinmeier. Denn darum geht es bei seiner Reise unter dem Motto „Land in Sicht“. Gezielt besucht er ländliche Regionen, die unter Bevölkerungsschwund und Arbeitsplatzmangel leiden, und unter all den Folgen, die das nach sich zieht.

An diesem Tag im Landkreis Görlitz will Steinmeier Mut machen – und entdeckt viel Ermutigendes, das ein so ganz anderes Bild von Sachsen abgibt als die weltweit verbreiteten Bilder von Chemnitz.