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Büros hinter den Kulissen

Auch in den oberen Etagen der Berliner wird gearbeitet. Ingenieure, Anwälte, Ärzte haben hier ihre Räume.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ines Eifler

Ansgar Kaup ist mit der Entscheidung sehr zufrieden, die sein Partner Hartmut Richter und er getroffen haben: Im März sind sie mit ihrem Ingenieur- und Planungsbüro „Richter + Kaup“ von der Augustastraße auf die obere „Berliner“ gezogen. In ein großes, helles Büro mit sieben Räumen auf einer Etage. „Vorher waren wir in einer schönen Lage“, sagt Ansgar Kaup, „aber die Räume wurden uns zu klein. Und da wir zwei Etagen gemietet hatten, war die interne Kommunikation oft umständlich.“ Jetzt, an der Ecke zur Schulstraße, können sich die zwölf Kollegen schneller absprechen, die Firma arbeitet effizienter. Dass der Bahnhof so nahe ist, sei ein großer Vorteil, sagt Kaup. Zwei Mitarbeiterinnen pendeln jeden Tag, und wenn man gute Werkstudenten von außerhalb haben wolle, sei die Bahnhofsnähe ein Kriterium. Kaup und Richter hatten sich auch andere Immobilien angesehen, fanden aber nichts Passendes. So blieben sie ihrem Vermieter treu, der die neuen Räume für das Büro passend herrichtete. Die Ingenieure haben aber auch eine besondere Beziehung zur Berliner Straße. „Richter + Kaup“ waren mit deren zweijährigen Sanierung bis 2012 betraut. Von ihnen stammt das Konzept, sie haben den Bau koordiniert. Und Ansgar Kaup hat eine Vision: Irgendwann werde nur noch der untere Teil Fußgängerzone sein, insgesamt würden mehr Unternehmen Büroräume mieten.

Die Zeit des Einkaufens in den oberen Etagen der Berliner Straße ist ohnehin vorbei. War das vor der Wende und in den frühen 90ern noch in vielen Gebäuden möglich, hat vor einigen Jahren mit „Blokker“ das letzte zweigeschossige Geschäft geschlossen. Viele erste Etagen stehen heute leer, in unsanierten Häusern genau wie über belebten Erdgeschossen. Manche sind bewohnt. Doch außer „Richter + Kaup“ haben in jüngerer Zeit auch andere Unternehmen die Vorteile der Berliner Straße entdeckt. Erst im März ist das Görlitzer Büro der DAK vom Wilhelmsplatz an die Ecke Berliner/Schulstraße gezogen. Zum einen, weil sie wegen der Elektronisierung der Daten weniger Platz braucht, zum andern wegen der besseren Anbindung an die Straßenbahn. Damit ist sie neben der Barmer die zweite Krankenkasse in der Straße.

Die Firma Qcentris, die IT-Beratung im Bereich Softwarequalität anbietet, hat sich 2011 für die untere „Berliner“ entschieden und zog damit in die Nähe der 2003 gegründeten „Softwarefabrik Görlitz“. Die Räume waren ursprünglich für ein Callcenter saniert worden und deshalb technisch auf dem neusten Stand. „Wir haben nirgends bessere Räume gefunden als hier“, sagt Qcentris-Standortleiter Lutz Altmann. „Es gab praktisch keine Alternativen.“ Um für die Mitarbeiter attraktiv zu sein, waren die zentrale Lage und die Nähe zum Bahnhof wichtig, aber auch die Größe der Räume spielte eine Rolle. Fast 1 000 Quadratmeter hat Qcentris gemietet. Das ist viel für die aktuell 45 Mitarbeiter. „Aber wir wollen wachsen“, sagt Altmann, „und möchten nicht bald wieder umziehen.“

Für andere Branchen ist die Berliner schon seit Jahren eine gute Lage. So finden sich vier Rechtsanwaltskanzleien auf der gesamten Länge der Straße. Zwei Kinderärzte, ein Neurologe, eine Augenärztin und zwei Physiotherapiepraxen haben hier ihre Adresse. Große Flächen nutzen Bildungsunternehmen wie die Euroschule oder die WBS Training AG, die Weiterbildungen, berufsbegleitende Seminare und Umschulungen anbieten. Thematisch damit verwandt ist der Arbeitsvermittler ADZ an der Ecke zur Hospitalstraße. Ein Immobilienmakler und zwei Hausverwaltungen gehören in die Berliner Straße, dieses Sorgenkind von Görlitz. Und mit den Ferienwohnungen, die man über dem Kosmetikstudio im oberen Teil mieten kann, wird die Berliner auch für Touristen interessant. Auch wenn es ein weiter Schritt dahin wäre, an die einstige Gastlichkeit des Hotels „Vier Jahreszeiten“ anzuknüpfen.