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Bürgerbegehren gegen Asylunterkunft

In Arnsdorf werden Unterschriften gesammelt, um die Verpachtung einer Fläche an den Landkreis zu verhindern. Hier soll ein Containerstandort für 150 Flüchtlinge entstehen.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Vor fast zwei Monaten hat der Gemeinderat Arnsdorf den Weg für eine Containerunterkunft für Flüchtlinge im Gewerbegebiet Arnsdorf freigemacht. Die Räte stimmten dabei einer Verpachtung des Grundstücks an der Kleinwolmsdorfer Straße für fünf Jahre an den Landkreis zu, der hier Platz für maximal 150 Flüchtlinge schaffen will. Der Einzug in die Container, so hieß es jüngst, könnte dabei im Februar erfolgen. Doch derzeit sammelt eine Gruppe Arnsdorfer Unterschriften gegen diesen Vertrag. Die Sammler – zu denen unter anderem Ex-AfD-Kreisvorstand Arvid Samtleben gehört, der vor einiger Zeit selbst einmal traumatisierte Flüchtlinge in einem seiner privaten Grundstücke unterbringen wollte – wollen ein Bürgerbegehren mit anschließendem Bürgerentscheid erreichen. Die SZ sprach dazu mit Arnsdorfs Bürgermeisterin Martina Angermann (SPD).

Frau Angermann, in Arnsdorf werden derzeit Unterschriften gesammelt. Die Initiatoren wollen die vom Gemeinderat beschlossene Verpachtung eines Grundstücks im Gewerbegebiet an den Landkreis verhindern, der hier eine Asyl-Unterkunft bauen will. Die Initiatoren sagen, Sie dürften durch die jetzt laufende Aktion keine Unterschrift unter einen Grundstücks-Vertrag mit dem Landkreis setzen. Wie sehen Sie das?

Eine dem Bürgerbegehren widersprechende Entscheidung des Gemeinderates darf nach Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht mehr getroffen werden. Zurzeit liegen der Gemeindeverwaltung die entsprechenden Unterlagen des Bürgerbegehrens aber noch nicht vor. Sobald diese vorliegen, werden sie von der Verwaltung geprüft und in der nächstmöglichen Sitzung des Gemeinderates wird über die Zulässigkeit des Begehrens beschlossen. Ein Bürgerbegehren entfaltet jedoch keine aufschiebende Wirkung gegenüber einem Beschluss des Gemeinderates.

Der entsprechende Gemeinderatsbeschluss liegt ja nun schon eine Weile zurück. Haben Sie den Vertrag – wie vom Gemeinderat so gewollt – bereits unterschrieben?

Der Beschluss über die Verpachtung wurde in der Sitzung des Gemeinderates am 14. September gefasst. Der Pachtvertrag wurde dem Landratsamt zugeschickt und von beiden Vertragspartnern umgehend unterzeichnet. Als das laufende Bürgerbegehren in der Gemeindeverwaltung am 9. Oktober angezeigt wurde, waren sowohl der Pachtvertrag als auch die Vereinbarung zur Betreibung der Asylunterkunft im Gewerbegebiet Arnsdorf bereits unterzeichnet.

Sie haben immer deutlich gemacht, dass sich auch Arnsdorf nicht um das Thema Flüchtlinge herummogeln könne. Der Vorteil des Grundstücks im Gewerbegebiet sei, so sagten Sie, dass Arnsdorf dadurch das Heft des Handelns beim Thema Asyl selbst in der Hand habe. Wie meinen Sie das?

Aufgrund der großen Anzahl von weiterhin im Landkreis ankommenden Flüchtlingen und Asylsuchenden ist der Landkreis gezwungen, auf die Belegung von Turnhallen zurückzugreifen, wenn die Gemeinden nicht ausreichend Unterkünfte oder bebaubare Flurstücke zur Verfügung stellen können. Das wäre eine denkbar schlechte Lösung, da die Turnhallen für den Schul- und Vereinssport benötigt werden. Das wäre unseren Bürgern schlecht zu vermitteln und würde mit Recht zu Verärgerung führen. Da das unbebaute Flurstück im Gewerbegebiet für die Errichtung einer Containerunterkunft geeignet ist, war der Gemeinderat der Meinung, dass dies die bessere Lösung darstellt, und fasste den Beschluss zur Verpachtung einstimmig.

Sehen Sie das durch das Bürgerbegehren denn gefährdet?

Für die Errichtung der Containerunterkünfte und die Organisation der Betreibung ist der Kreis zuständig. Wir haben im Vorfeld durch unseren Beschluss und die getroffenen Vereinbarungen daran mitgewirkt. Der Landkreis muss seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen – und wird dies auch tun. Ich denke nicht, dass durch das Bürgerbegehren diese notwendigen Maßnahmen nicht umgesetzt werden.

Der Gesetzgeber hat die Gemeinden in Sachsen zur sogenannten Mitwirkung beim Thema Asyl verpflichtet. Auch der Landrat will bekanntlich Flüchtlinge auf jede Gemeinde entsprechend ihrer Einwohnerzahl verteilen. Könnte sich Arnsdorf unter diesen Rahmenbedingungen mit einem Bürgerentscheid aus Ihrer Sicht überhaupt gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aussprechen?

Nein, ich denke, dass das schon aus rechtlicher Sicht nicht möglich ist.

Was würde dann die durch einen Bürgerentscheid möglicherweise verhinderte Verpachtung des Grundstücks im Gewerbegebiet für Arnsdorf bedeuten?

Wir hätten keine Pachteinnahmen. Wenn ich aber sehe, was die Kommunen zum Beispiel in Bayern und Baden-Württemberg beim Thema Asyl leisten, kann ich nur den Hut ziehen. Gerade auch in unserer Partnergemeinde Denzlingen wird mit viel ehrenamtlichem Engagement vieles getan – mit einer Selbstverständlichkeit, von der wir uns bei unserem Besuch in Denzlingen überzeugen konnten. Wir jedoch hätten dann schon aufgegeben, bevor wir überhaupt mit der Aufgabe angefangen hätten.

Sie sind ja regelmäßig mit Einwohnern im Gespräch – wie ist aus Ihrer Sicht die aktuelle Stimmungslage in Arnsdorf?

Ich denke, dass die Gespräche zum Thema Asyl in Arnsdorf genauso geführt werden wie anderswo auch. Es gibt viele Fragen unserer Bürger und viel Aufklärungsbedarf. Es gibt Menschen, die die Aufnahme kategorisch ablehnen. Aber es gibt auch viele, die nach unserer Einwohnerversammlung und in den „Runden Tischen Asyl“ Hilfe angeboten haben. Das gilt für Deutsch-Unterricht, Bereitstellung von Bekleidung, Übernahme von Patenschaften, Begleitungsangebote für Behördengänge und viele Ideen mehr. Darüber bin ich sehr froh, denn ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer wäre die Aufgabe einer Integration sicher nicht so zu schaffen. Aber mit diesem Engagement allein wird es nicht getan sein.

Sondern?

Die kommunale Familie braucht auch mehr Geld vom Bund, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Gleichzeitig bedarf es auch kluger politischer Entscheidungen von Bund und Land, um Maßnahmen umzusetzen, die zur schrittweisen Normalisierung der Umstände beitragen und unkontrollierte Einwanderung verhindern.