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Bürger fühlen sich betrogen

Für die historische Altstadt sind 600 000 Euro eingesammelt worden, jeder fünfte Eigentümer weigerte sich, zu zahlen.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen.“Ich bin Steuerbürger der Bundesrepublik Deutschland und kein Ausgabendepp der Stadt Meißen.“ Verärgert erklärt Walter Hannot, der auf der Freiheit, in der Rosen- und in der Görnischen Gasse drei Häuser saniert hat bzw. noch dabei ist, warum er nicht vom Angebot der Stadt Gebrauch gemacht hat, vorfristig zu zahlen. Denn hätte er bis zum 30. Juni die Ausgleichsbeträge bezahlt, die die Stadt erhebt, weil durch Bauarbeiten der Wert der Immobilien im Sanierungsgebiet Historische Altstadt gestiegen ist, dann hätte er zwanzig Prozent weniger bezahlen müssen als nun.

Hannot gehört zu den 23 Prozent der Eigentümer in der Altstadt, die bislang nicht gezahlt haben, weil er nicht einverstanden damit ist, wie die Stadtverwaltung trotz anderslautender Beschlüsse der Stadträte das Geld verwenden will. So erklärt Anne Dziallas, die Büroleiterin von Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos), auf SZ-Anfrage, dass von den 600 000 Euro, die per Stichtag 30. Juni von den Eigentümern freiwillig und vorfristig gezahlt worden sind, unter anderem der Platz an der Frauenkirche, der Platz an der Neugasse, der Kändlerpark und der Zugang vom Parkplatz Sägewerk bis zum Theaterplatz neu gestaltet werden. Diese Auswahl sei durch den Stadtrat erfolgt.

Auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung kommt aber eine Liste von sechs Vorschlägen zustande, die am 22. Juni 2016 vom Rat gebilligt worden ist. Dort stehen aber der Platz an der Neugasse nicht drin, dafür aber die Neugestaltung des Platzes an der Einmündung der Görnischen Gasse in die Neugasse, die Neugestaltung des Straßenzugs Görnische Gasse an der Verwaltungsschule der Bundesanstalt für Arbeit und die Gestaltung des Vorplatzes Rote Stufen 3.

Aber nicht nur, dass entgegen der Beschlüsse des Stadtrates Objekte gestrichen oder neu aufgenommen worden sind, sorgte für Ärger unter den Eigentümern. Im November vergangenen Jahres sorgte die Ankündigung der Stadtverwaltung – entgegen anderslautender Zusicherungen –, dass nicht alle Eigentümer die Ausgleichsbeträge zahlen müssten, für Aufregung. Danach sollten insgesamt 16 Einrichtungen von der Zahlung ganz oder teilweise ausgenommen werden. So sollten etwa die Albrechtsburg und das Sächsische Landesgymnasium St. Afra von jeglicher Zahlung befreit werden. Insgesamt hätte die Stadt so auf eine Summe von 303 087,50 Euro verzichtet.

Nach heftigen Protesten wurde das Vorhaben gekippt. Und so heißt es denn jetzt auch aus dem Oberbürgermeisterbüro: „Es haben alle öffentlichen Eigentümer entsprechende Anträge zur freiwilligen Ablösung gestellt. Einige Anträge müssen jetzt noch bearbeitet werden, da die Antragsfrist am 30. 6. endete und nicht die Zahlungsfrist.“ Das heißt, dass sich die Summe von 600 000 Euro, die bis jetzt eingenommen worden ist, noch weiter erhöhen wird.

Neben der willkürlichen Festlegung von Objekten, die mit den Ausgleichsbeträgen saniert bzw. umgestaltet werden sollen und der versuchten Freistellung von öffentlichen Einrichtungen, sorgte noch ein dritter Punkt für Empörung unter Eigentümern und Stadträten. In der Märzsitzung des Stadtrates fand sich ein Punkt auf der Tagesordnung, wonach 400 000 Euro an eingesammelten Ausgleichsbeträgen für die Sanierung der Neugasse verwendet werden sollten. Die Begründung: Nur mit diesem Geld sei es möglich, schnell Förderanträge für den Bau zu stellen.

Der Vorsitzender der Fraktion Freie Bürger/SPD/Grüne, Heiko Schulze, kritisierte dies als Griff in die Taschen der Bürger und Eigentümer. Auch dieses Vorhaben wurde gekippt, das fehlende Geld für die Neugasse aus der Liquiditätsreserve genommen.

Weil es sich derart mehrfach von der Stadtverwaltung betrogen fühlte, hat ein Fünftel der Eigentümer im Sanierungsgebiet Historische Altstadt bislang nicht freiwillig gezahlt. Nach dem 1. 1. 2019, wenn das Sanierungsgebiet ausgelaufen ist, müssen auch diese Eigentümer zahlen. Allerdings erhalten sie dann nicht mehr 20 Prozent Rabatt.