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Buch über Gustav Ginzel erschienen

Ein tschechischer Journalist hat im Netz über 60 000 Kronen für sein Vorhaben gesammelt. Das Buch erscheint im Herbst.

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© Wolfgang Ginzel

Von Petra Laurinova

Geschafft. 63 900 Kronen sind zusammengekommen. Umgerechnet sind das etwa 2 360 Euro. 115 Spenden gingen dafür im Internet ein. Sie ermöglichen es dem tschechischen Journalisten Jan Šebelka, ein Buch über eine der bekanntesten Persönlichkeiten des Nachbarlandes zu schreiben. Gemeint ist Gustav Ginzel (1932 bis 2008), Globetrotter, Unikum, Sammler sowie Begründer und langjähriger Inhaber des Misthauses in Jizerka (Klein Iser).

Über Crowdfunding – Geld sammeln über das Internet – kamen mehr als die mindestens benötigten 60 000 Kronen zusammen. Jan Šebelka will damit vor allem den Druck finanzieren. „Die Texte und Bilder hatte ich schon vorher fast vollständig beisammen“, hatte der Böhme der SZ vorab gesagt. Im Herbst soll sein Buch nun herauskommen, verrät der frischgebackene Rentner Šebelka. Sein Wunsch ist es, das Buch bald auch auf Deutsch herauszubringen. „Das wäre aber nur mit EU-Fördermitteln möglich“, sagt er dazu.

Das Vorhaben, die vielfältigen Erinnerungen an Gustav Ginzel niederzuschreiben, trug Šebelka mehrere Jahre mit sich herum, obwohl er selbst Ginzel nur ein paar Mal direkt begegnet ist. „Solange ich berufstätig war, hatte ich keine Zeit dazu“, sagt der 64-jährige Journalist, der sich auch im Internet zu seinem neuen Status stolz bekennt. Auf der Plattform Linkedin hat das „Professor“ vor seinem Namen durch Rentner ersetzt.

Was ihn persönlich bei der Vorbereitung des Buches überraschte, dass der Ginzel von vielen Menschen als ein etwas verrückter Sonderling und sogar Geizhals beschrieben wurde. Obwohl er sechs Semester an einer Hochschule studiert hatte, ein guter Bergsteiger war, dazu Naturfreund, Fotograf, aber vor allem Überlebenskünstler. Dazu ein Sudetendeutscher, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Tschechien (beziehungsweise damals der Tschechoslowakei) bleiben konnte, die ganze Welt bereiste und den die ganze Welt in Klein Iser besuchte.

Er ist vielen im Gedächtnis geblieben. Eine Persönlichkeit der Gegenwart. Das gebe eine gute Story ab. „Die Bevölkerung im Sudetenland wurde in den letzten 80 Jahren mehrmals komplett ausgetauscht“, sagt Jan Šebelka. „Die Gegend braucht darum dringend neuzeitliche Geschichten, Erzählungen und auch geistige Werte“, denkt er. Er ist der Meinung, dass gerade Ginzel eine Brücke zwischen den schwierigen Epochen in der deutsch-tschechischen Geschichte sein könne.

Gustav Ginzel wurde schon während seines Lebens zur Legende und war eine bedeutende Person der Nachkriegsgeschichte des Isergebirges. Die Erinnerungen an ihn sammelte Šebelka nicht nur vor Ort, sondern in vielen Ecken der Welt, vor allem aber in Deutschland. Der Autor rechnete bei seiner Stoffsuche damit, dass sich manche Geschichten über Ginzel wiederholen werden. „Das ist aber nicht so oft passiert“, sagt er. Lange hat er überlegt, ob er die Zeitzeugenaussagen bearbeiten soll, hat sich aber dagegen entschieden.

Papst- und Politikerbesuch

Gustav Ginzel stammt aus einer kinderreichen deutschen Familie. In den 60er-Jahren kaufte er ein Holzhaus in Jizerka, in dem der Mist fast bis zum Dach stand, für 350 Kronen. „Es war das beste Geschäft meines Lebens. Den Mist verkaufte ich damals als Dünger für viel mehr Geld“, erzählte Ginzel mir, der Autorin dieser Zeilen, bei einem Gespräch.

Die Touristen waren es gewohnt, dass sein Haus immer offen stand. Einmal, bei 30 Grad Minus übernachteten 113 Menschen im Misthaus. Ginzel war ein unermüdlicher Erzähler witziger Geschichten aus fremden Ländern, gern sprach er aber auch über Lebensphilosophie und Politik. Politiker selbst waren oft Gäste des Misthauses, unter ihnen Václav Havel, bevor er Präsident wurde, sowie Kardinal Karol Wojtyla – später Papst Johann Paul der II. Die Zeit vor der Wende war nicht leicht für Ginzel. Er hatte Verwandte im Westen. Die Folgen: Wegen politischer Unzuverlässigkeit wurde er im Jahre 1970 von einer Bergsteigerexpedition nach Peru ausgeschlossen. Er entging so dem Tode, dem die übrigen Teilnehmer durch ein Erdbeben zum Opfer fielen. Ginzel sorgte dann für ein regelmäßiges Erinnern an die Verunglückten. Er war einer der Hauptinitiatoren des alljährlichen 50-Kilometer-Isergebirgslaufs von Bedrichov (Friedrichswald) nach Jizerka.

Ginzels Haus brannte 1995, während er auf einer Reise in Australien war, aus. Er organisierte aber eine Geldsammlung, vor allem in den östlichen Bundesländern, und ließ eine Replik des Misthauses bauen. Während der Bauzeit lebte er in einem Zirkuswagen. Auch das neue Gebäude hat weder Wasser noch eine Stromleitung. Nur ein Bergbach fließt wie früher durch das Haus. Eine Badewanne steht auf der Wiese hinter dem Gebäude, ebenso wie ein trockenes Stereoklo, auf dem zwei Personen nebeneinander sitzen können.

In seinem Haus sammelte Ginzel nicht nur alte Möbel, sondern auch Fahnen, Uniformen, Firmentafeln, Wegweiser und Reiseandenken. Und sogar Asche aus dem abgebrannten Misthaus. In dem neuen Misthaus fühlte sich Ginzel nicht mehr wohl, lebte schließlich im Allgäu, wo er mit 76 Jahren starb. (mit ihg)