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Brunnen am Aquarium ist nicht zu retten

Vergessen, geklaut und dem Verfall preisgegeben. Von Liebschers Werk in Zittau ist fast nichts mehr übrig.

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© privat

Von Mario Heinke

Zittau. Der Rückbau des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Hochschule am Stadtring ist in vollem Gange. Noch stehen die alten Fahnenmasten mit Emailleplatten verziert vor dem ehemaligen Verwaltungsgebäude. Ein Rondell aus Kieselsteinen erinnert an die Stelle, an der früher einmal der Brunnen „Energie, Kraft und Bewegung“ stand. Brunnen und Fahnenmasten bildeten einst ein Kunstensemble.

Der Brunnen stand an der Eingangstreppe zum Gebäude.
Der Brunnen stand an der Eingangstreppe zum Gebäude. © Rafael Sampedro

Zwischen 1974 und 1976 schuf der Bildhauer Joachim Liebscher aus Waltersdorf das Ensemble vor dem roten Verwaltungsgebäude der damaligen Ingenieurhochschule. Kunst am Bau war seit 1952 als die „Anordnung über die künstlerische Ausgestaltung von Verwaltungsbauten“ beschlossen wurde, in der DDR üblich. Die Verordnung sah vor, Aufträge in Höhe von ein bis zwei Prozent der Planbaukosten an bildende und angewandte Künstler zu vergeben.

So erhielt Liebscher den Auftrag zur Gestaltung des äußeren Eingangsbereichs vor dem Neubau. Der Künstler ist den Oberlausitzern vor allem durch das „Walross“ im Waldstrandbad in Großschönau und verschiedene Plastiken in der Region bekannt, die aus seinen Händen stammen.

Vor vier Jahren berichtete die SZ über das Schicksal des Brunnens, der schon zu DDR-Zeiten wegen technischer Probleme öfters ausgefallen und nach der politischen Wende wieder aktiviert worden ist.

Ralf Ulbrich, Dezernent für Technik und Gebäudemanagement an der Hochschule erinnert sich an die enormen Reinigungs- und Reparaturkosten, weil Blätter und Dreck immer wieder Abfluss und Rohre verstopften. 2014 entfernten Langfinger die emaillierten Platten mit einem Brecheisen. Das verbliebene Röhrengestell und die Kugeln wurden daraufhin abgebaut und im Keller eingelagert, damit die noch vorhandenen Elemente nicht auch noch wegkommen, sagt Ulbrich. „Was mit dem Brunnen wird, entscheiden wir im Rahmen der Bauplanung“, antwortete Rektor Friedrich Albrecht im Jahre 2014 auf eine Anfrage der SZ. Er ging schon damals davon aus, dass der Brunnen keine Rolle bei der Gestaltung des neuen Campus spielen werde. Trotzdem wollte er mit dem Bauherrn, dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement prüfen, ob einzelne Elemente im Haus I wiederverwendet werden könnten, beispielsweise zur Gestaltung einer Wand im Eingangsbereich. Daraus wurde nichts.

Ein Jahr nach dem Diebstahl brachte die Polizei drei der geklauten Platten zurück, erzählt Ralf Ulbrich. Völlig verbogen und mit beschädigter Emaille. Zwischenzeitlich hatte auch der Trixi-Park Großschönau Interesse an Liebschers Werk bekundet und überlegt den Brunnen auf seinem Gelände wieder aufzubauen. Trixi-Geschäftsführerin Annette Scheibe habe sich die Reste des Brunnens im Keller der Hochschule angesehen, erzählt der Dezernent und ergänzt: „Als sie die kläglichen Reste sah, hat sie alle Gedanken an einen Wiederaufbau verworfen.“ Irgendwann verschwand das Röhrengestell aus dem Keller, so sind lediglich noch die Kugeln des Brunnens übrig, sagt Ralf Ulbrich.

Die Fahnenstangen sind bei Auftragserteilung zum Abriss in das Eigentum der Baufirma übergegangen, erklärt der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement auf Anfrage der SZ. Sie ließen sich womöglich retten, wobei sich dann die Frage stellt, was man mit den Fragmenten des Ensembles noch anfangen will. Das Gesamtkunstwerk ist somit nicht mehr zu retten.

Trotzdem wird vom „Aquarium“ etwas bleiben, denn das abstrakte Wandbild aus farbigen Glasbausteinen, das gegenüber der Pförtnerloge dem Gang des Erdgeschosses buntes Licht gibt, wird zurückgebaut und eingelagert. Es soll später in einen an selber Stelle entstehenden Neubau integriert werden, so die Hochschule.

„Ich will etwas schaffen, was von den Menschen gebraucht und auch verstanden wird“, soll der 1994 in Waltersdorf verstorbene Joachim Liebscher einmal gesagt haben. Das klingt im Zusammenhang mit dem Brunnen wie eine Ahnung. Wer mehr über den Künstler erfahren möchte, kann sich im Volkskunde- und Mühlenmuseum Waltersdorf informieren. Das Museum verfügt noch über Zeichnungen, Entwürfe, Fotografien und eine Biografie.