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Brotbacken wie zu Großvaters Zeiten

Rudolf Grütze hat jetzt offiziell die Schlüssel für eines der letzten Backhäuser Sachsens. Doch, was wird aus dem Unikat?

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Jörg Richter

Strauch. Ältere Leute vom Land machen nicht viel Federlesen um ihre Person. Ältere Leute vom Land sind bescheiden und wollen eigentlich auch gar nicht in die Zeitung. So wie Rudolf Grütze aus Strauch. Doch da muss der 78-Jährige jetzt durch. Denn seit Kurzem ist der Rentner der offizielle Ansprechpartner für das historische Backhaus auf dem Dorfanger. Die Stadtverwaltung Großenhain hat ihm die Schlüsselgewalt übertragen.

Das Straucher Backhaus ist eines der letzten Backhäuser Sachsens. Wenn nicht sogar das letzte überhaupt. Es stammt aus dem Siebenjährigen Krieg. Dieser begann vor ziemlich genau 260 Jahren, als der Preußenkönig Friedrich II. am 29. August 1756 mit seiner Armee ohne Kriegserklärung in Sachsen einfiel. „Der Alte Fritz ließ zwei Backhäuser in Strauch errichten, um für seine Soldaten, die sich im Straucher Wald in Deckung und Stellung befanden, Brot backen zu lassen“, erzählt Grütze. Das sei die Aufgabe der hiesige Bauern gewesen. Nur eines der Backhäuser ist erhalten geblieben und wurde 1985 von Dorfbewohnern in ihrer Freizeit restauriert. Sie erneuerten die Außenwände und das Dach. Der Backofen ist aber noch so erhalten, wie er einst war. Davon zeugt auch der Jahrhunderte alte Ruß im Backraum. Vielleicht hängt hier sogar noch der Ruß der Preußen an der Decke.

„Das Straucher Gemeindebackhaus ist in unserem Kreis ein Unikat“, sagt Dr. Andreas Christl vom Landratsamt Meißen, Bereich Denkmalpflege. Es gebe zwar nördlich davon, im brandenburgischen Großthiemig, noch eins, das allerdings schon „stark überformt“ wurde. In der Denkmalliste des Landkreises Meißen sind noch 25 weitere Backhäuser enthalten. Doch sie wurden an Gebäude angebaut und sind keine eigenständigen Gebäude, so wie in Strauch. Laut Christl sei das Straucher Backhaus vor drei Jahren sogar Teil einer Diplomarbeit des HTW Dresden gewesen. Der Autor Tom Gonschorek hob unter dem Thema „Dorffeuerung und Bauvorschriften in Sachsen“ die Backhäuser von Strauch und Großthiemig heraus.

Dass das hiesige Backhaus eine echte Rarität ist, damit sollten die Straucher stärker pfunden. Das findet Großenhains Baubürgermeister Tilo Hönicke. „Wir haben kein Märchenschloss wie in Moritzburg und auch keine Albrechtsburg wie in Meißen“, sagt er. Aber es gebe hier mehrere Kleinode, die es wert seien, erhalten zu werden. Das Straucher Backhaus zähle zweifellos dazu.

Bis vor ein paar Jahren gab es hier regelmäßige Backfeste, wurde der Ofen mit Reisig geheizt und Brote und Kuchen gebacken. Diese Tradition sei leider eingeschlafen, so Hönicke.

Grütze hat dafür sogar Verständnis. Denn Backen im Backhaus bedeutet viel Aufwand. „Da ist nichts mit zwei Minuten“, sagt der 78-Jährige. Er erzählt, wie er nach dem Krieg als Junge seinen Vater zum Backen begleitete. 15 Gebinde Reisig wurden im Ofen angezündet. Nach etwa vier Stunden waren sie Asche und die Schamottesteine heiß genug zum Backen. Da meistens mehrere Familien sich dazu im Backhaus trafen, wurde ausgelost, wer wann backt. Der zweite Backgang galt als der bessere. – Hönicke ist ganz begeistert, wenn er Grütze zuhört. „Es ist wichtig, dass dieses Wissen für die Nachwelt erhalten bleibt“, sagt er. Die Straucher sind gefragt.