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Bröckelnder „Löwe“ gefährdet Passanten

Das ehemalige Hotel in der Bahnhofstraße verfällt seit Jahrzehnten. Nun fühlen sich Anwohner nicht mehr sicher.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Das denkmalgeschützte Gebäude in der Bahnhofstraße 5 ist eines der noch wenigen erhaltenen Ballhäuser in Dresden. Pläne für die Sanierung des Goldenen Löwen gab es schon oft – zuletzt im Frühjahr 2013. Damals hieß es, dass ein Investor ein ganz besonderes Dienstleistungszentrum einrichten will. Die Rede war von einer Nachtbar mit erotischen Darbietungen sowie Séparées in einer der oberen Etagen.

Bislang blieb es allerdings bei den Gerüchten um das Eros-Center. Zum Glück, meint die 72-jährige Nachbarin Elke Friedrich. Sie wohnt seit 1981 im Haus direkt neben dem einstigen Hotel. „Der Goldene Löwe war damals schon geschlossen, aber noch in gutem Zustand“, erinnert sich Elke Friedrich heute. Doch nach Jahrzehnten des Leerstands verfällt das Gebäude immer mehr. Dabei gab es immer wieder Hoffnung, dass das traurige Dasein des historischen Gasthofes ein Ende haben könnte.

„Nach der Wende sollte hier ein Ferienzentrum für eine Burschenschaft aus Westdeutschland entstehen.“ Eigens dafür sei der große Ballsaal in Ordnung gebracht worden. „Weil es kein fließendes Wasser gab, kamen die Bauleute mit ihren Eimern zu uns“, sagt Friedrich. Sie und ihr Mann halfen gern. Auch das Ehepaar wollte, dass endlich wieder Leben in die Mauern einzieht. Warum die Pläne plötzlich aufgegeben wurden, weiß die Nachbarin nicht.

Zumindest die Geschäfte im Erdgeschoss wurden in den 1990er-Jahren noch von einem Optiker und einem Schuhreparaturservice genutzt. Seit dem Auszug der Läden häufen sich Vorfälle mit herabfallenden Fensterscheiben und Fassadenteilen, Fenster und Türen stehen offen, die Decken sind eingebrochen. Elke Friedrichs Sohn Stefan kennt den Abenteuerspielplatz noch aus seinen Kindertagen. „Daran hat sich bis heute nichts geändert“, sagt er. Immer wieder beobachten er und seine Mutter, dass Kinder auf dem Außengelände spielen oder sogar ins Gebäude gehen. „Das ist wahnsinnig gefährlich, vor allem in den oberen Etagen.“

Doch nicht nur im Inneren, sondern auch auf dem Gehweg und auf der Straße direkt vor dem Gasthof wird es immer gefährlicher. Zwar sind die großen Fenster im ersten Stockwerk von innen mit Holzplatten zugenagelt – sie verhindern allerdings kaum, dass Glasscherben aus den kaputten Scheiben herunterfallen.

Im Bauaufsichtsamt der Stadt ist der Fall nicht unbekannt. Erst im vergangenen Jahr gab es eine Anzeige zu den Scherben auf der Bahnhofstraße. Deshalb fand Anfang Dezember eine Ortsbesichtigung mit dem Grundstückseigentümer statt, teilt Rathaussprecher Karl Schuricht auf SZ-Anfrage mit. Dieser ist für die Sicherung des Komplexes verantwortlich. „Dabei wurden keine vom Gebäude herabgefallenen Gegenstände im öffentlichen Bereich festgestellt.“

Dennoch sei der Eigentümer aufgefordert worden, sowohl das Grundstück als auch das Gebäude so zu sichern, dass ein unbefugtes Betreten wesentlich erschwert wird, so der Stadtsprecher. Lose Teile wie etwa kaputte Scheiben in den Fenstern sollen entfernt werden. Gefordert wird außerdem die Instandsetzung und Ergänzung des Schutztunnels über dem Gehweg.

Zu einer künftigen Nutzung des Goldenen Löwen teilt das Bauaufsichtsamt mit: „Der Grundstückseigentümer ist in Bezug auf eine Sanierung und Nutzung des Objektes noch in der Planungsphase.“ Ein Bauantrag liege nicht vor. Auf der Internetseite des Besitzers, der Ingenieurprojekt Müller GmbH aus Dresden, sind unter dem Link Projektentwicklung eine Beschreibung des Gebäudes sowie ein Foto zu finden. Konkrete Pläne: Fehlanzeige.

Auch auf Nachfrage will sich Geschäftsführer Henry Müller dazu nicht äußern. Auch nicht zu herabfallenden Glasscherben und offenen Fenstern. Das sei ihm nicht bekannt. Zumindest der Bauzaun ist jetzt rund um das Grundstück ordentlich verschlossen. Ein Fenster im Erdgeschoss steht allerdings immer noch offen. Elke Friedrich hofft, dass nun wenigstens der Schutztunnel so repariert wird, dass Passanten keine Gefahr mehr von oben droht.