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Brennpunkt Jägerpark

In dem Gebiet leben viele Kinder in einkommensschwachen Familien. Nun soll ihnen ein Angebot gestrichen werden.

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© René Meinig

Von Sarah Grundmann

Marode Plattenbauten, eine schlechte Verkehrsanbindung und fehlende Einkaufsmöglichkeiten – im Jägerpark in der Radeberger Vorstadt gibt es viele Probleme. Auch Armut ist eines davon. Der Anteil an Arbeitslosen ist mit dem in sozialen Brennpunkten wie Prohlis und Gorbitz vergleichbar. Besonders erschreckend: Fast 45 Prozent der unter 14-Jährigen leben in Familien, die Geld vom Staat erhalten. Für Angebote können die Eltern meist nicht bezahlen. Auf dem nahe gelegenen Waldspielplatz wurden die Kinder bisher kostenlos von zwei Sozialpädagoginnen betreut. Doch das Jugendamt will die Förderung für das Projekt nun streichen.

Doch die Förderung soll gestrichen werden – zum Ärger von Mitarbeiterin Nicole Hohnen und Leiterin Josephine Schumann.
Doch die Förderung soll gestrichen werden – zum Ärger von Mitarbeiterin Nicole Hohnen und Leiterin Josephine Schumann. © René Meinig

Josephine Schumann, Leiterin des Waldspielplatzes ist entsetzt: „Das naturpädagogische Angebot ist in der Stadt einzigartig“, sagt sie. Seit 1991 stehen im Albertpark täglich Sozialpädagogen bereit, die sich um die Kinder und Jugendlichen kümmern. Neben betreutem Spielen gibt es dort zahlreiche organisierte Aktionen wie Bogenschießen, Führungen durch das dazugehörige Wildgehege oder Schatzsuchen. Der Spielplatz ist für alle Kinder, Jugendliche und Familien der ganzen Stadt unter der Woche – bis auf Mittwoch – zwischen 14 und 18.30 Uhr sowie in den Wintermonaten bis 17 Uhr geöffnet. „Somit sind wir ein stadtweites Angebot“, sagt Schumann.

Auch etliche Schulklassen nutzen das Areal für ihre Ausflüge. Doch auf die Betreuung der Kinder aus dem Jägerpark hat der Verein Jugend-Sozialwerk Nordhausen, der den Spielplatz betreibt, ein besonderes Augenmerk gelegt. So werden diese unter anderem jeden Dienstag abgeholt. „Den Eltern ist der Weg zur Fischhausstraße zu gefährlich“, sagt die Leiterin. Außerdem gebe es eine Kooperation mit der Diakonie und dem Ausländerrat, die ebenfalls mobile Kinder- und Jugendarbeit in dem Gebiet betreiben. Neben dem Sportclub Borea, der regelmäßig kostenlose Aktionen anbietet, sind es die einzigen, die im Jägerpark aktiv sind. „Den Waldspielplatz als eines der wenigen Angebote zu streichen, halte ich für kritisch“, sagt Schumann.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass das Jugendamt die Fördermittel streichen möchte. 2013 stand der Waldspielplatz ebenfalls kurz vor dem Aus. Damals hieß es unter anderem, dass es mit dem Abenteuerspielplatz Panama auf der Seifhennersdorfer Straße ein ähnliches Angebot gebe – ebenfalls im Ortsamt Neustadt. Damals konnte das Aus noch abgewendet werden. Auch jetzt will der Verein nicht kampflos aufgeben: Es wurden bereits 1 200 Unterschriften gesammelt, um den Waldspielplatz in der jetzigen Form zu erhalten. „Außerdem finden Gespräche mit dem Jugendamt statt“, sagt die Leiterin. Einige man sich nicht, müsse das sozialpädagogische Angebot eingestellt werden und Schumann und ihre Kollegin verlieren ihren Job. Nach Angaben der Leiterin droht sogar ein Abriss der Spielgeräte. Dabei hat die Stadt erst im vergangenen Jahr 10 000 Euro in die Sanierung investiert, eine Nestschaukel und einen Sandkasten gebaut. „Es wäre schade, wenn die nicht mehr genutzt werden könnten.“

Claus Lippmann, Leiter des Dresdner Jugendamtes, gibt zumindest teilweise Entwarnung: „Der Waldspielplatz bliebe auch weiterhin zugänglich – die Betreuung durch Sozialpädagogen würde aber entfallen“, teilt er auf SZ-Anfrage mit. Dass das Jugendamt darüber nachdenkt, die Fördermittel von jährlich rund 100 000 Euro zu streichen, räumt er ein. Die Entscheidung falle voraussichtlich Anfang März im Jugendhilfeausschuss. Dem Jugendamt gehe es aber nicht darum, im Jägerpark ein Angebot zu streichen. Vielmehr soll der Waldspielplatz durch ein anderes Projekt ersetzt werden. „Die Stadt hält es gerade nicht für richtig, das Wohngebiet Jägerpark so unterversorgt zu belassen und will dort ein Angebot für Kinder und Jugendliche installieren“, so Lippmann. „Die Dichte an SGB-2-Beziehern und Migranten im Jägerpark ist überdurchschnittlich hoch“, räumt auch er ein. Warum das geplante Angebot nicht zusätzlich zum Waldspielplatz entstehen kann, lässt er offen.

„Wir hatten mit unserem Fördermittelantrag bereits ein Angebot für einen Kinder- und Jugendtreff im Jägerpark gemacht“, sagt die Waldspielplatz-Leiterin. Dazu wären allerdings mindestens zweieinhalb zusätzliche Stellen nötig – zwei Sozialpädagogen, die sich um die Betreuung der Kinder in dem Treff kümmern sowie mindestens eine Stelle für eine Leitung, die sich sowohl um die Angebote auf dem Spielplatz als auch im neuen Treff kümmert. Das Jugendamt wolle aber keine zusätzlichen Stellen schaffen.

Stadtrat Torsten Schulze (Grüne) hat sich schon 2013 für den Erhalt des Waldspielplatzes eingesetzt und kämpft auch nun dafür: „Die bestehenden Angebote müssen auf jeden Fall erhalten, eventuell sogar verstärkt werden“, sagt er. Sein Vorschlag: „Der Stadtrat hat für den kommenden Haushalt 3,5 Millionen Euro zusätzlich für soziale Projekte eingestellt. Davon könnte man etwas investieren.“ Schließlich ist es gerade in einem Brennpunkt wie dem Jägerpark wichtig, dass mit den Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird.