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Braucht die B 178 n einen Tunnel?

Siegmar Höntsch schlägt vor, den fehlenden Abschnitt beim Königsholz unterirdisch zu bauen. Er stößt auf geteiltes Echo.

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© Thomas Eichler

Von Anja Beutler

Mittelherwigsdorf. Wenn es nach Siegmar Höntsch ginge, würde sich an dem Blick hinter ihm – über die Wiesen und Felder in Richtung Königsholz – künftig nichts ändern. B 178 n hin oder her. Der Mittelherwigsdorfer ist zwar kein Freund, aber auch kein absoluter Gegner der Straße. Was ihn allerdings enorm ärgert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der hier zum Wohle allein der Menschen geplant wird. Wenn der 77-Jährige etwas entscheiden könnte, würde er die B 178 n wenigstens auf dem noch fehlenden Stück weitgehend unsichtbar machen. Er würde sie einfach unter die Erde verlegen – der Natur zuliebe. Und zwar auf einer Strecke kurz nach der Anschlussstelle Ruppersdorf bis hinter die Ortsverbindungsstraße zwischen Oberseifersdorf und Mittelherwigsdorf (K 8617).

Die Idee einer sogenannten Unterflurtrasse geht ihm schon länger nicht mehr aus dem Sinn, so richtig mit Nachdruck verfolgt er sie seit 2014. Weil sich der damalige Chef des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) in einem SZ-Interview als Naturfreund bezeichnete, schilderte ihm Höntsch schriftlich seine Gedanken zum unterirdischen Streckenverlauf. Einige Briefe und Skizzen sind seitdem von Mittelherwigsdorf nach Bautzen, Dresden oder noch weiter gegangen. Höntsch schrieb nicht nur an sächsische Behörden und Ministerien, sondern auch an Naturschutzverbände, die Obere Raumordnungsbehörde, die Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung und erläuterte seine Idee samt Skizze in separaten Karten.

Was sich dabei bewegte, war vor allem der per Hand eingezeichnete Verlauf der alternativen B-178 n-Trasse auf dem Papier von Siegmar Höntsch: „Ich habe berechtigte Einwände – zum Beispiel Trinkwasserschutzgebiete – berücksichtigt“, erklärt Höntsch zu seiner derzeit bevorzugten Variante. Bei den Behörden bewegte sich allerdings eher wenig. Viele Antwortschreiben waren zwar höflich, gingen aber nicht oder nur am Rande auf die Tunnel-Idee ein. Immer wieder wurde Höntsch erklärt, in welchen Schritten die derzeitige Planung zustande gekommen ist. Erbost oder verbittert ist Siegmar Höntsch darüber nicht. Vielleicht auch, weil er realistisch denkt und Erfahrungen in der Politik gesammelt hat – wenn auch schon vor einigen Jahren.

Denn Höntsch saß vor der Wende für die LDPD und bis 1994 für die Grünen im Kreistag Zittau. Wie Planungen und Prozesse ablaufen, hat er da erleben können. Dass er mit Systematik und gründlicher Recherche bei seinem B-178 n-Projekt vorangegangen ist, mag aber auch von seinem Beruf herrühren: Höntsch hat viele Jahre an der heutigen Hochschule Zittau/Görlitz Mathematik unterrichtet. Eine logisch-pragmatische Sichtweise ist ihm daher zu eigen.

Typisch für ihn ist aber auch, dass er sich der Natur sehr verbunden fühlt. Seit vielen Jahren ist der Mann, der einen Großteil seiner Kindheit in Oppach verbracht hat, als Naturschutzhelfer tätig. „Ich finde es nicht richtig, dass wir Menschen nur nach unseren Interessen entscheiden und auf andere Lebewesen keine Rücksicht nehmen“, erklärt er. Ihm fehlt bei solchen Planungen der Blick über den Tellerrand. „Rings um Mittelherwigsdorf sind Schutzgebiete ausgewiesen“, sagt Höntsch. Doch für sich allein genommen, so argumentiert er, nutzen die nicht viel: „Tiere und Pflanzen brauchen Verbindungen zwischen den Räumen, keine Inseln.“ Und so ein Biokorridor sei eben das Gebiet, das die geplante B 178 n-Trasse nun zerschneiden werde. Ein für den Naturschutz gedachtes Bauwerk wie die bereits existierende Wildbrücke südlich von Ninive beim Langen Grund hält Höntsch für „das absolute Minimum des Erträglichen“, schrieb er an das Lasuv.

Mit einer Unterflurfahrbahn ließen sich hingegen manche Probleme vermeiden: So bräuchte man keine Brücken zu bauen, weil beispielsweise die Verbindungsstraße zwischen Oberseifersdorf und Mittelherwigsdorf oder ein wichtiger Wanderweg wie die Mittelstraße gar nicht zerschnitten werden. Und auch für die Bauern könnte seine Idee einiges erleichtern, glaubt er, weil die Felder erhalten blieben, argumentiert Höntsch. Hagen Hartmann der Miku Agrarprodukte GmbH kennt den Vorschlag selbst zwar nicht, findet es aber generell eine „nette Idee“, sagt er und lacht. Hartmann ist allerdings skeptisch, ob eine Tunnellösung den Bauern wirklich etwas brächte, denn auch Ein- und Ausfahrten schlucken enorm viel Platz. Siegmar Höntsch kennt diese Kritik, hat sich deshalb bei seinen Recherchen auch über vergleichbare Tunnelprojekte in Österreich und der Schweiz und ihre technischen Lösungen schlau gemacht.

Dennoch hat seine Idee wenig Chancen. Und das liegt vor allem an den Bau- und Pflegekosten: „Eine Tunnellösung, wie vorgeschlagene von 3,5 Kilometern Länge, ist durch die vorhandenen Gutachten nicht begründbar, wäre unverhältnismäßig teurer und somit nicht wirtschaftlich“, sagt Nicole Wernicke, Sprecherin beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) in Bautzen. Sie verweist zudem auf Umweltverträglichkeitsprüfungen, die zeigen, dass es durch die geplanten Naturbrücken zwischen Kohlige und Königsholz und nahe der Mittelstraße zu „keiner Einschränkung des Artenspektrums“ kommen werde. Höntsch kennt die Argumente. Er hat sie erst im Sommer gehört, als er bei einem Termin in Bautzen war. Überzeugt ist er trotzdem nicht.