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Brasilianer forscht in Zittau

Seit Kurzem arbeitet Rafael Cavalcante Cordeiro an der Hochschule – und er hat schon ein neues Hobby entdeckt.

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© Thomas Eichler

Von Jan Lange

Rafael Cavalcante Cordeiro fühlt sich schon ein bisschen Zuhause. Über zwei Monate lebt der 33-jährige Brasilianer inzwischen in Zittau. Direkt am Markt, im Herzen der Stadt, hat er für sich eine Wohnung gefunden. Und nur ein paar Schritte entfernt liegt sein Arbeitsplatz: Cordeiro ist an der Hochschule Zittau/Görlitz angestellt und forscht im Fraunhofer Kunststoffzentrum Oberlausitz.

In dem renommierten Forschungsinstitut beschäftigt er sich mit Naturfaserkunststoffen. Dafür gibt es schon heute einen Markt – Cordeiro und seine Kollegen wollen die Verfahrensprozesse weiterentwickeln und wirtschaftlicher machen, so dass sie in Zukunft noch mehr zur Anwendung kommen. Geforscht wird dabei im Rahmen des Großprojektes „LaNDER³“. Das erste Projekttreffen fand am vergangenen Donnerstag statt.

Das Teilprojekt „Effiziente Fertigungsverfahren für neuartige Naturfaser-Kunststoff-Verbunde“ läuft über insgesamt vier Jahre und ist das erste von mindestens vier Forschungs- und Entwicklungsprojekten von „LaNDER³“. Geleitet wird es von Professor Sebastian Scholz, dem Chef des Fraunhofer Kunststoffzentrums Oberlausitz. Scholz holte Cordeiro nach Zittau. Der Brasilianer wird also mindestens bis 2021 an der Mandau bleiben. „Wir hoffen natürlich sehr, dass wir ihn länger als vier Jahre halten können“, sagt Professor Scholz.

Scholz und Cordeiro kennen sich bereits von der Technischen Universität Chemnitz. Hier arbeitete der Brasilianer zwischen 2013 und 2014 eineinhalb Jahre lang an seiner Promotion. Die Forschungsarbeit war ursprünglich auf ein Jahr begrenzt, doch er habe den Aufenthalt um sechs Monate verlängert, sagt Cordeiro. Schon danach reifte in ihm der Wunsch, später noch einmal nach Deutschland zu kommen. Die deutsche Ingenieurkraft zähle zu den besten in der Welt, steht für den 33-Jährigen fest.

Doch erst mal ging es zurück in der Heimat, wo er seine Promotionsarbeit im vergangenen Jahr abschloss. 13 Jahre Universitätsleben lagen zu diesem Zeitpunkt hinter ihm. 2003 hatte er an der Bundesuniversität Rio des Janeiro sein Studium als Materialingenieur begonnen.

Sein Bachelorstudium dauerte fünf Jahre. In Deutschland studiert man in der Regel drei Jahre auf Bachelor. Zittau geht da auch einen Sonderweg: An der hiesigen Hochschule müssen die Studenten für ihren Bachelorabschluss mindestens dreieinhalb, meistens sogar vier Jahre büffeln. Danach kann sich noch ein Masterstudium anschließen. Bei Rafael Cavalcante Cordeiro ist es nicht anders gewesen. Zwei Jahre absolvierte er seinen Master in Rio, arbeitete danach ein Jahr an der Universität und begann schließlich seine Promotion.

Der 33-Jährige berichtet von seinem bisherigen Werdegang in sehr gutem Deutsch. Er habe vor seiner Promotion einen eineinhalbjährigen Sprachkurs absolviert, erklärt er. Und zusätzlich bekam er neun Monate Privatunterricht in Deutsch. Gute Sprachkenntnisse braucht er auch, denn das Forscherteam im Fraunhofer Kunststoffzentrum Oberlausitz setzt sich vor allem aus Deutschen zusammen. „Es gibt hier noch einen Tschechen sowie Hilfskräfte aus Tunesien und Malaysia“, erzählt Cordeiro. Auf andere Brasilianer ist er außerhalb des Fraunhofer-Instituts noch nicht getroffen. Deren Zahl ist im gesamten Landkreis auch relativ überschaubar.

Dennoch fühlt er sich in Zittau wohl, ist sogar positiv überrascht von der Stadt. Sie sei ruhig und klein, man finde hier trotzdem tolle Kneipen und eine einzigartige Naturlandschaft. Der leidenschaftliche Wanderer ist darüber besonders begeistert. Und er hat gleich ein neues Hobby für sich entdeckt: Mountainbiken. In Rio de Janeiro sei er nur mit einem normalen Rad gefahren. Jede freie Minute, in der er nicht forscht und das Wetter halbwegs gut ist, verbringt er draußen und auf dem Rad.

Der Unterschied zwischen Rio und Zittau ist enorm. Auf der einen Seite die Sieben-Millionen-Metropole, auf der anderen Seite eine Kleinstadt mit gerade mal rund 25 000 Einwohnern. Das große Rio vermisst Rafael Cavalcante Cordeiro aber nicht. Die Stadt sei ihm sowieso zu groß gewesen und der Verkehr zu chaotisch. In Zittau ist das ganz anders. Die Stadt in der Oberlausitz kannte er gar nicht, als ihm Sebastian Scholz das Jobangebot machte. Er googelte Zittau und fand das, was er da zu sehen bekam, toll. Diese Begeisterung hat bis jetzt angehalten.