Merken

Brandschützer verblüfft die Profis

Görlitzer Feuerwehrmann schafft bei einem Lehrgang Traumnoten. Dafür muss er bald auf seine Verlobte aufpassen.

Teilen
Folgen
© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Görlitz. Da wird selbst René Kraus gestaunt haben, was er da als Landesbranddirektor und Chef der Feuerwehrschule in Nardt unterschrieb: 15 Punkte. Das ist in Feuerwehrkreisen besser als die Note 1, fast sogar noch besser als eine 1+. „Das ist eigentlich nicht zu schaffen“, staunt auch der Leiter der Görlitzer Feuerwehr, Uwe Restetzki.

Die 15 Punkte stehen auf einer Urkunde für einen absolvierten Wochenlehrgang über ABC-Einsätze, also Arbeiten der Katastrophenschutzeinheiten der Feuerwehren zur Abwehr von atomaren, biologischen und chemischen Stoffen. Die Urkunde gehört Leonardus Pommerenck. Der 21-jährige Anwärter schaffte es, in einem Kurs gestandener sächsischer Berufs- und freiwilliger Feuerwehrleute der Beste zu sein. Dabei wurde er erst an diesem Freitag, auf der Jahreshauptversammlung der FFw Görlitz, zum Feuerwehrmann ernannt.

Seit März 2014 ist er dabei. „Ich möchte einmal Berufsfeuerwehrmann werden“, nennt er sein Ziel. Da ist eine abgeschlossene Berufsausbildung Pflicht. Leonardus Pommerenck wurde Konstruktionsmechaniker für Metall- und Stahlbau, arbeitet bei Birkenstock in Görlitz. „Dieser Betrieb ist in Sachen Brandschutz ein prima Partner“, sagt Markus Hartung, der Leiter der freiwilligen Ortswehr Stadtmitte: „Dort gibt es keine Probleme, wenn Feuerwehrleute zu Einsätzen und Ausbildungen gerufen werden.“ Um an seinem Berufsziel dranzubleiben, hat Leonardus Pommerenck da gute Karten. In der Ortswehr wurde er Truppmann, absolvierte eine Ausbildung als Atemschutzgeräteträger – und war in jener Wehr gelandet, die ausgerechnet besonders auf ABC-Probleme ausgerichtet ist.

Wehrleiter Hartung erklärt: „Unsere Ortswehr ist nicht nur in Görlitz tätig, sondern auch in die Gefahrgutzüge des Landkreises eingebunden. Es gibt zwei davon, wir sind für den nördlichen Teil des Kreises zuständig. Diese Züge sind fachlich aufgeteilt in Erkundungs-, Abwehr- und Dekontaminationsgruppen. Unsere Wehr gehört zur Gefahrenabwehr, wir sind das erste Löschfahrzeug, das bei so einem Einsatz ausrückt.“ Deshalb benötigen diese Kameraden eine besondere ABC-Ausbildung, und deshalb wurde auch Leonardus Pommerenck auf die Schule in Nardt delegiert. Eine der ersten Erfahrungen, dass es dabei ohne Teamarbeit nicht geht, machte er auf unerwartete Weise: „Die dicken Schutzanzüge, in denen man aussieht wie ein Teletubbie, haben es in sich: Steckt man erst mal drin, gibt es keinerlei Chance, da von allein wieder rauszukommen…“

Sich auf den Einsatz zu konzentrieren, steht genauso im Mittelpunkt wie die Eigensicherung. Feuerwehrmänner sind immer nah dran an Gefahren. Auch Leonardus Pommerenck. „Er war schon als Anwärter bei so manchem schweren Einsatz dabei, Hut ab“, sagt Markus Hartung. Austretende Giftstoffe aus einem Waggon auf dem Bahnhof, Explosion von Gasflaschen in einem Wohnhaus – der junge Mann hatte schon einiges zu verkraften. Und bekam schnell zu spüren, dass „viele Görlitzer noch immer gar nicht wissen, dass wir das ehrenamtlich machen. Die meisten denken, das macht alles die Berufsfeuerwehr.“ Er erzählt deshalb viel darüber, in der Familie, unter Kollegen, bei Nachbarn und Freunden. Gelegentlich muss er das Vorurteil geraderücken, freiwillige Wehren seien eine Art Freizeitspaß mit Umtrunk. „Wer so denkt, kann zu uns kommen und wird schnell lernen: Retten, Löschen, Bergen, Schützen ist harte Arbeit.“ Er selbst hatte dafür keine Vorbilder. „Das habe ich allein für mich entdeckt, vielleicht deshalb, weil ich schon immer bestrebt bin, anderen zu helfen“, überlegt der junge Görlitzer und freut sich, dass seine Verwandten alle ganz schön stolz auf ihn sind.

„Na ja“, schränkt er ein, „meine Verlobte hat bei Einsätzen noch bissel Angst um mich.“ Aber sie akzeptiert Ehrenamt und Berufsziel und zeigt ihrem „Leo“ auch, wie sie zu ihm steht: Mitte Juli wird geheiratet. Auch das aber könnte durchaus mit Gefahren verbunden sein, deutet Wehrleiter Markus Hartung schmunzelnd alte Feuerwehr-Traditionen an: „An diesem Tag helfen ihm keine 15 Punkte. An diesem Tag raten ihm seine Kameraden dringend nur eins: Pass mal gut auf deine Verlobte auf!“