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„Borreliose ist heimtückisch“

Hunderte Dresdner infizierten sich 2016 schon. Hausärztin Antje Bergmann spricht über die Therapie und die Spätfolgen.

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© Thorsten Eckert

Sie setzen sich im Bauchnabel oder auf der Kopfhaut fest: Zecken. Werden sie nicht schnell genug entdeckt, können sie die gefährlichen Krankheiten Borreliose und FSME übertragen. Die SZ hat mit Hausärztin Antje Bergmann von der Carus-Praxis am Dresdner Uniklinikum über Behandlungsmöglichkeiten und die Impfung gesprochen.

Allgemeinmedizinerin Antje Bergmann wird in ihrer Praxis gerade überrannt von Borreliose-Patienten. Doch sie warnt vor übertriebener Angst.
Allgemeinmedizinerin Antje Bergmann wird in ihrer Praxis gerade überrannt von Borreliose-Patienten. Doch sie warnt vor übertriebener Angst. © Christian Juppe

Frau Bergmann, wie voll ist Ihre Praxis gerade mit Borreliose-Patienten?

Gerade ist Zecken-Hochsaison, da herrscht Andrang. Dazu kommen die guten Bedingungen für die Insekten: ein warmer, feuchter Sommer und ein außergewöhnlich heißer September. Auch jetzt ist es noch ideal – bis zu 5 Grad fühlen sie sich wohl. So lange es keinen Nachtfrost gibt, werden noch Patienten dazukommen.

Mit welchen Symptomen kommen die Menschen zu Ihnen?

Die meisten kommen, wenn ihnen die sogenannte Wanderröte am Körper auffällt.

Ist denn die Wanderröte immer ein Zeichen für eine Borreliose?

Ja. Hier hilft nur noch eine Antibiotika-Therapie, 20 Tage lang, je eine Tablette pro Tag.

Was muss man bei der Einnahme von Antibiotika beachten?

Die Patienten sollten das Medikament nicht mit calciumhaltigen Getränken wie Orangensaft oder Milch runterspülen. Nebenwirkungen gibt es wenige, ab und zu kann es zu Durchfall kommen. Hier sollten Frauen, die die Pille nehmen, aufpassen – manchmal wirkt diese dann nicht.

Wie erfolgreich ist die Therapie?

Nach den 20 Tagen gelten die Borreliose-Patienten als gut therapiert. War die Wanderröte zu sehen, ist auch keine zusätzliche Antikörper-Bestimmung mehr nötig. Denn das Zeichen ist eindeutig. Bei Kindern hilft die Therapie auch gut.

Kann eine Borreliose auch gefährlich werden?

Definitiv. Es gibt drei Stadien. Das erste ist das relativ harmlose Stadium mit der Wanderröte. Beim zweiten treten Nervenschädigungen wie Lähmungen auf und das dritte kann bis zu einer akuten Arthritis, einer Entzündung in den Gelenken, führen. Bei den letzten beiden Stadien ist meist eine Antibiotika-Therapie über die Venen nötig.

Bemerkt man eine Borreliose immer?

Das ist heimtückisch. Manchmal kommt es auch zu stillen Verläufen und der Patient hat erst mal keine Symptome. Erst nach sechs Monaten zeigen sich dann plötzliche Gesichts- oder Muskellähmungen. Nicht jede Veränderung im Körper liegt aber an den Borrelien, wie es einige Patienten mit diffusen Symptomen vermuten.

Worüber klagen diese Patienten genau?

Sie sind dauernd müde, fühlen sich abgeschlagen oder haben Kopfschmerzen. Einige schließen in Eigen-Diagnose auf eine Neuro-Borreliose, aber das trifft nur sehr selten zu. Ich führe aber nicht bei jedem Patienten sofort einen Test auf Borrelien durch, sondern versuche mit Untersuchungen einer Diagnose näherzukommen. Vor übertriebener Panik vor Borrelien warne ich: In Sachsen sind nur 12 Prozent der Zecken überhaupt befallen.

Was könnte denn statt Borreliose die Ursache für die Symptome sein?

Alles mögliche – Stress, ein Infekt, Blutarmut oder Schilddrüsenunterfunktion.

Zecken übertragen auch FSME, wie sehen hier die Symptome aus?

Im ersten Stadium treten Fieber und Müdigkeit auf, im zweiten Lähmungen bis hin zu Hirnhautentzündungen. Hier gibt es keine Wanderröte. Die Inkubationszeit beträgt ein bis zwei Wochen.

Wie schnell muss man zum Arzt?

Nicht der Arzt, sondern ein Krankenhaus ist hier die richtige Adresse. FSME ist ein Fall für einen Neurologen. Aber auch diese Krankheit ist meist heilbar.

Gibt es Spätfolgen?

Die gibt es, sind aber selten. Es kann zu Hör- und Sehausfällen und zur Störung des Gleichgewichtssinns kommen.

Raten Sie zu einer Impfung gegen FSME?

Auf jeden Fall, bei Kindern und auch für Erwachsene. Wer gerne im Vogtland oder am Bodensee Urlaub macht, beide gelten als Risikogebiete, sollte sich impfen lassen. Ich empfehle sie auch allen, die viel Zeit im Freien und im Wald verbringen. Die Spritze ist gut verträglich.

Gespräch: Julia Vollmer