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Bomfordsschionöser Weihnachtsbaum

SZ-Autor Peter Ufer begeistert bei „Bier & Kultur“ in Radeberg mit augenzwinkerndem Fachwissen.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Friede, Freude, Pfefferkuchen? Die Adventszeit kann auch anders. Ganz anders sogar! Schwarzhumorig augenzwinkernd zum Beispiel. Beim bekannten SZ-Kolumnisten, Buch-Autor und Sachsen-Auskenner Peter Ufer nämlich, der Freitagabend im ausverkauften Conrad-Brüne-Haus der Radeberger Exportbierbrauerei gleich mal ein paar kräftig dicke Pinselstriche schwarzen Sarkasmus‘ auf die kleine Bühne streicht. Mit einem Loriot-Gedicht über eine Försters-Frau, die im Advent sozusagen nach dem Motto „schöner Wohnen“ kurzerhand ihren Gatten entsorgt – so startet Peter Ufer in seinen Abend „Heute Freunde, wird’s was geben“, mit dem ihn Brauerei und Rödertal-SZ in die gemeinsame Veranstaltungsreihe „Bier&Kultur“ eingeladen hatten.

Da war das Zwerchfell jedenfalls gleich mal warm, was durchaus ein gutes Mittel gegen die klirrende Dezember-Kälte draußen vor den großen Scheiben war. Oder besser gegen „die Dürre“, wie Peter Ufer um die korrekte sächsische Begrifflichkeit weiß, was die Temperaturen unterhalb der Null-Grad-Celsius-Marke betrifft. Und – auch das gehört ja bekanntlich bei seinen Auftritten dazu – mit viel Hintersinn erklärte, woher dieser Ausdruck in den sächsischen Duden eingewandert war. Das soll an dieser Stelle aber natürlich nicht verraten werden, weil Rezensionen ja bekanntermaßen möglichst nicht die Pointen klauen sollten …

Wer kennt die Silastik-Ski-Keilhose noch?

Wobei, Sachsen frieren ja sowieso nicht – sie „bibbern“, wie Peter Ufer klar stellt. Und er wagte Freitagabend dann auch gleich noch einen Ausflug zu den Ausflügen der Kindheit, als es im Schnee nicht ohne Silastik-Ski-Keilhose ging. Ein Geschenk seiner Tante, die an diesem „Bier & Kultur“-Abend noch öfter eine Rolle spielen sollte. Die Silastik-Ski-Keilhose also, die offenbar vielen im Radeberger Publikum hörbar nicht unbekannt war – und die irgendwie auch der Beweis dafür ist, dass früher eben doch nicht alles besser war … Aber lustig. Zumindest im Rückblick. Und als Peter Ufer dann vom Weihnachtsabend bei Tante und Onkel erzählt, bleibt kein Auge trocken, ob des trockenen Humors, mit dem da auf diese stets feuchtfröhlichen Feiern zurück geblickt wurde. Journalist Peter Ufer beweist dabei auch sein durchaus veritables Talent zum Schauspieler! Er ist Tante, unaufhörlich Witze erzählender Onkel, Nachbarin und – grandios! – sogar der Papst, der gleich mal als Wortspielführer des Weihnachts-Teams aufs Feld rennt.

Wunderbar auch Peter Ufers Ausflug in die verschneite Welt der Weihnachtsbräuche. Wobei er zunächst einmal einen, ihm bis vor Kurzem unbekannten Brauch beschreibt: das „Boomlooben“. Zu Hochdeutsch: Baum loben. Was aber irgendwie nur halb so interessant klingt … Sein Nachbar hatte jedenfalls Westbesuch und sturzbetrunken an Peter Ufers Wohnungstür geklingelt, um sich dann begeistert vor den Christbaum in Peter Ufers Wohnzimmer zu knien. Was zwar auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat, auf den zweiten aber schon. Denn es handelt sich um einen Import-Brauch aus Bayern. „Während wir Sachsen uns ja auch grundlos regelmäßig besuchen, brauchen die Bayern offenbar einen Anlass …“ Damit Peter Ufer Freitagabend diesen Brauch auch optisch einprägsam erläutern konnte, hatte eine Brauerei-Mitarbeiterin extra ihren wirklich sehr künstlichen Baum für die Kunst von ihrem Schreibtisch geholt und als nun anbetungswürdiges Weihnachtsgewächs ausgeborgt. Und der Brauch geht so: reinkommen, Baum anschauen und begeistert „bomfordsschionös“ ausrufen. Ein Begriff für die fast schon allerhöchste Steigerungsform des Beeindrucktseins, den in Sachsen jeder, außerhalb davon wohl niemand wirklich übersetzen kann. Aus Dank für diese natürlich völlig berechtigte Huldigung des weihnachtlichen Schmuck-Gewächses gibt’s dann für den Bewunderer einen Schnaps – oder in Radeberg wahlweise lieber ein einheimisches Pilsner. Was wiederum – auch das eine Erkenntnis dieses wirklich wunderbaren Abends – in Sachsen dann ja eher als Bier-CHEN daher und auf den Adventstisch kommt. Denn vor – und vor allem zu – Weihnachten fällt das Heer der Verniedlichungen in Sachsen ein. Was gut ist, denn dann gibt’s zum Beispiel ein Schnäpps-CHEN, findet dann nicht nur die bereits erwähnte Tante milde lächelnd, dass sich das ja gar nicht mehr so nach Sucht anhört …

Weihnachten kann kommen

Eine Frage steht aber dann doch noch im weihnachtlich dekorierten Raum: Warum klappt es eigentlich nie, dass ein Mann das Weihnachtsgeschenk für seine Frau nicht erst kurz vor Ladenschluss direkt am Heiligabend kauft? Wahrscheinlich, damit Peter Ufer eine grandios sarkastische Geschichte darüber schreiben und vor allem auch vortragen kann! Denn auch das tat er an diesem Abend in Radeberg. Was die Besucher im rappelvollen Saal regelrecht euphorisierte. Denn Peter Ufer wütet nicht mit dem Farb-Bulldozer durchs Sprachbild, sondern stichelt eher mit dem spitzen Feinliner. Hintersinnig, feinsinnig und wortverspielt. In jedem Fall grandios.

Wie übrigens auch die beiden Musiker grandios waren, die Peter Ufer mit nach Radeberg gebracht hatte: der Dresdner Violinenspieler Jakob Meining und die aus der Ukraine stammende Dresdner Hochschul-Dozentin Dariya Hrynikiv. Ein furioses Spiel, das absolut kein Beiwerk war!

Jetzt kann Weihnachten jedenfalls kommen. Und niemand sollte sich wundern, wenn Heiligabend jemand vorm Weihnachtsbaum kniet und „bomfordsschionös“ruft. Dann ist eines klar: Er war Freitagabend im Conrad-Brüne-Haus …

Die nächste Ausgabe von „Bier & Kultur“ gibt’s am 20. Januar. Dann wird Fußball-Legende Eduard Geyer zu Gast sein, um im Gespräch mit SZ-Redakteur Jens Fritzsche über sein Buch „Einwürfe“ und auch seine Zeit bei Dynamo Dresden zu reden. Tickets für 16 Euro ab sofort Montag bis Freitag 8 bis 16 Uhr in der Radeberger Brauerei oder unter Telefon: 03528 454260 sowie [email protected]