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Bombardier-Leiharbeiter wollen kämpfen

Der Görlitzer Standort bleibt, das freut auch die 500 Zeitarbeiter. Aber ihre Perspektive ist schlecht, deshalb werden sie jetzt laut.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Ende April soll für die meisten Schluss sein. Zumindest ist das das, was so erzählt wird. Denn etwas Genaues wissen sie nicht, die 500 Leiharbeiter, die zurzeit noch im Görlitzer Bombardierwerk arbeiten. Monat für Monat bangen sie um ihre Jobs, die sie mitunter schon zwei Jahre und länger bei Bombardier haben, müssen die ständige Unsicherheit aushalten. „Es ist nicht so, dass wir die klassischen Leiharbeiter sind, die hier nur ab und an die Spitzen abdecken“, sagt Anne Mischke. Sie ist selbst Zeitarbeiterin und fühlt sich wohl im Unternehmen. Genau wie Wirtschaftsingenieurin Martina Gajda. Sie ist seit mehr als zwei Jahren dabei, hat als Materialdisponentin einen Job mit Verantwortung.

Beide Frauen eint aber neben dem Spaß am Job auch die Unzufriedenheit. Denn sie wissen nicht, wie lange sie noch Arbeit haben. Die Leiharbeiter bei Bombardier wurden im Zuge der Umstrukturierungen mal abgebaut, dann wieder aufgestockt. Um die 500 sind es derzeit, viele aus Görlitz und Umgebung, einige aber aus Polen und Tschechien. Viele von ihnen fühlen sich als Arbeiter zweiter Klasse. Zwar sind sie voll im Arbeitsprozess integriert und wie Anne Mischke und Martina Gajda sagen: Man merkt im Werk nicht, wer Festangestellter und wer Leiharbeiter ist. Doch werden sie nicht gleich behandelt. Sie haben andere Verträge, werden anders entlohnt, haben immer die Ungewissheit im Nacken, dass es möglicherweise nicht mehr lange geht. Dass sie abgemeldet werden, wie es im Fachjargon heißt. „Dann müssten wir aber von unserer Zeitarbeitsfirma eine Alternative angeboten bekommen oder eine Umschulung“, sagt Anne Mischke. So ist es aber nicht. Oft komme nach der Abmeldung die betriebsbedingte Kündigung.

Um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und Hilfe anzubieten, haben im Januar drei Görlitzer Leiharbeiter die Initiative Zukunftsschiene ins Leben gerufen: Anne Mischke, Karl Schierlinger und Marcus Große. Schnell kamen weitere Mitstreiter dazu und inzwischen kämpft man zu acht um eine Zukunft für die Leiharbeiter. Zum einen gehe es darum, ein Netzwerk zu schaffen. Leiharbeiter können auf der Zukunftsschiene-Website ihr Profil einstellen und bei Unternehmen der Region auf Interesse stoßen. Unternehmen überhaupt erst darauf aufmerksam zu machen, das steht aktuell bei der Initiative auf der Tagesordnung. „So wollen wir Perspektive für uns und unsere Kollegen schaffen“, sagt Martina Gajda. „Viele von uns haben ein Leben in Görlitz und wollen das auch nicht mehr missen oder die Stadt verlassen.“ Ihr Mann Karl Schierlinger ist Personalvermittler bei einer Zeitarbeitsfirma gewesen, inzwischen selbst Zeitarbeiter bei Bombardier – im Nebenjob. Er bringt Hintergrundwissen mit in die Initiative ein. Denn noch gebe es sehr viel Unwissenheit oder Missverständnisse zur Leiharbeit. Deshalb sei Aufklärung über die Rechte und Pflichten von Leiharbeitern eines der Hauptziele.

Und laut wollen sie sein, gehört werden. Nicht nur bei ihren Arbeitgebern, von denen es übrigens sehr viele gibt, denn Bombardier arbeitet mit vielen Zeitarbeitsfirmen zusammen. Auch bei den fest angestellten Kollegen, den Unternehmen der Region, im Rathaus. Und natürlich von Bombardier selbst wollen sie wahrgenommen werden, würden gern ins Gespräch kommen. Um ihre Zukunft wollen sie kämpfen, aber auch gegen das schlechte Image von Zeitarbeitern. „Viele haben mehrere Ausbildungen, ein Studium, hohe Kompetenzen“, sagt Martina Gajda, die sich wünscht, dass Leiharbeiter endlich wie Menschen behandelt werden.

Dafür opfern die Mitstreiter von „Zeitschiene“ gern Freizeit. Sie treffen sich immer irgendwo bei einem Mitglied, bauen die Internetseite selbst, betreuen einen eigenen Block, einen Facebook-Auftritt, finanzieren und organisieren alles selbst. Über Sponsoren wären sie nicht böse. „Aber damit wären keine Vorrechte verbunden, wir wollen kein Jobportal sein“, so Gajda. Im Unternehmen müssten sie sich noch mehr Gehör verschaffen, gegen die Angst vieler Leiharbeiter ankämpfen. In der IG Metall haben sie aber schon einen starken Partner, wie sie sagen. „Leiharbeiter dürfen der IG Metall auch beitreten, das wissen viele von uns gar nicht. Man sagt es uns auch nicht“, sagt Anne Mischke.

www.zukunftsschiene.de