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Böse Böller im Dreiländereck

Die Bundespolizei kämpft in Löbau-Zittau gegen illegale Pyrotechnik. Amtshilfe aus den Nachbarländern ist dabei bislang selten.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

La Bomba liegt gleich neben den großen Kartoffelsäcken. Die flache Packung mit unzähligen kleinen Blitzknallern hat der asiatische Ladenbesitzer hinter der deutsch-tschechischen Grenze in seinem „Supermarket“ in Jirikov gestapelt. Vis-a-vis von der Kasse, gleich rechts am Ladeneingang. Sonderlich viel ist es nicht, was hier ein paar Schritte hinter der Grenze bei Ebersbach im Angebot ist. Einige größere Kartons mit vielversprechenden Namen wie Night Queen oder Al Capone stehen noch dabei. Ein Stückchen weiter links, gleich bei den grasgrünen Äpfeln, lugen die Stäbe von Silvesterraketen hervor.

Wie verheerend ihre Wirkung sein kann, versuchen Lysann Matut (l.) und Alfred Klaner von der Bundespolizeiinspektion Ebersbach vor allem Schülern klarzumachen.
Wie verheerend ihre Wirkung sein kann, versuchen Lysann Matut (l.) und Alfred Klaner von der Bundespolizeiinspektion Ebersbach vor allem Schülern klarzumachen. © Matthias Weber
Denn die gefährliche Ware gibts in Märkten im Nachbarlan.
Denn die gefährliche Ware gibts in Märkten im Nachbarlan. © Matthias Weber

Misstrauisch beäugt der Händler die beiden Deutschen, die sich die Packungen genau ansehen, aber am Ende doch nichts kaufen. Kein Wunder: Dieses Knallsortiment ist illegal und sehr viel gefährlicher als herkömmliche Böller. Aber genau das ist es, was den Reiz für viele Deutsche – Erwachsene wie Jugendliche – ausmacht: der lautere Knall, der kräftigere Bums. Am Preis liegt es deshalb gar nicht so sehr, dass viele hier Böller kaufen.

Alfred Klaner und Lysann Matut kennen die typischen Märkte wie in Jirikov entlang der tschechischen und polnischen Grenze. In Seifhennersdorf gebe es ein riesiges Sortiment, in Sohland sei ebenfalls immer viel im Angebot. Seit Jahren schon. Die beiden sind gewissermaßen die Pyrotechnik-Experten bei der Bundespolizei in Ebersbach. Sie kämpfen mit Worten, Plakaten, Flyern, kleinen Filmchen und Vorträgen in Schulen gegen die illegalen Böller. Vor allem in den letzten drei Monaten des Jahres. Aber hier, im Nachbarland, sind ihnen die Hände gebunden: „Da können wir nichts tun“, sagt Alfred Klaner. In der Tat kann er das erst, wenn jemand mit La Bomba & Co. ohne Prüfzertifikat in der Tasche über die Grenze nach Deutschland kommt.

Was wirklich helfen könnte, wissen die beiden Bundespolizisten nur zu gut: Unterstützung von den Kollegen im Nachbarland. Aber das funktioniert – anders als bei Diebstahl- oder Drogenfahndung – auf diesem Gebiet nicht. Warum? Weil es zum einen neben dem europäischen Prüfsiegel CE auch eine Vielzahl nationaler Prüfzeichen gibt, die im eigenen Land erlaubt, im Ausland aber verboten sind. Vor allem aber kämpfen die Deutschen recht einsam bei dem Thema, weil es solche Pyrotechnik-Experten und die besondere Aufmerksamkeit für dieses Thema in Polen oder Tschechien so nicht gibt. „Das ist offenbar nicht so ein Schwerpunkt“, sagt Klaner.

Elfmal haben die Ebersbacher Bundespolizisten in diesem Jahr bislang illegale Böller bei Kontrollen entdeckt. Eine geringe Zahl für die Bundespolizeiinspektion Ebersbach, bilanziert Klaner. 37 Fälle waren es 2015 – das sei eher durchschnittlich. Woran es nun liegt, dass es im Süden des Landkreises Görlitz in diesem Jahr noch recht ruhig ist, rätseln er und seine Kollegin durchaus. „Weniger Kontrollen sind es nicht gewesen“, betont Ermittler Klaner. Seine Kollegin nickt. Sie kann sich vorstellen, dass manche inzwischen per Internet die verbotene Ware ordern.

Immerhin legen Schmuggler in Deutschland Lager an, verkaufen die Ware weiter. Nahe Forst an der A 15 ist erst vor einem Monat ein niederländischer Laster gestoppt worden, der mit fünf Tonnen illegaler Pyrotechnik beladen war. „Von so einer riesigen Menge habe ich noch nie gehört“, schüttelt Klaner ungläubig den Kopf. Er mag sich nicht mal ansatzweise ausmalen, was da für eine rollende Bombe unterwegs war.

Dass Bundespolizisten wie er und seine Kollegin sich so stark mit illegaler Pyrotechnik befassen, liegt vor allem an der riesigen Gefahr, die von den kleinen Sprengkörpern ausgeht. „Sie sind unkalkulierbar, selbst wenn man sie vermeintlich korrekt anwendet“, betont Klaner. Um zoll- oder steuerrechtliche Delikte wie etwa beim Zigarettenschmuggel gehe es nicht, nur um Sicherheit. Immerhin führe man ja illegal Sprengstoff ein, wenn man eine Rakete ohne das geltende CE-Prüfzertifikat einführt.

Lysann Matut und Alfred Klaner wissen, dass sie allein mit guten Worten und Warnungen vor Knaller-Folgen wie Tinitus, Lungenschädigungen oder Traumata nicht weit kommen. Deshalb haben sie bei ihren vielen Terminen in den Schulen auch drastische Bilder im Gepäck. Wie eine Menschenhand aussieht, nachdem ein deutscher, legaler Knaller und ein illegaler explodiert sind zum Beispiel. Das ist ein Anblick, bei dem einem mindestens flau im Magen wird. „Wir besprechen das zuvor mit den Lehrern“, betont Frau Matut. Immerhin behandeln sie mit Sechst- und Siebtklässlern die Thematik. „Wir haben das Gefühl, dass man in dem Alter noch etwas bewirken kann“, schildert ihr Kollege die Eindrücke. In einer neunten Klasse sehe das mitunter anders aus.