Merken

„Bodensatz der deutschen Gesellschaft“

Das Quali-Spiel der DFB-Auswahl in Prag stören rechtsradikale Zuschauer mit Sprechchören. Die Reaktion des Teams ist eindeutig.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Daniel Klein

Prag. Es hätte ein netter und erfolgreicher Ausflug zum Nachbarn werden können. 2:1 gewonnen, WM- Quali so gut wie durch, viele deutsche Fans im Stadion in Prag. Doch unter die hatten sich rund 100 gemischt, die gekommen waren, um zu stören, zu provozieren und zu pöpeln. Das ist ihnen gelungen.

Als eine Sängerin am Freitagabend im goldenen Kleid die deutsche Nationalhymne sang, grölten die Chaoten „Scheiß DFB“, auch die Schweigeminute für zwei verstorbene tschechische Fußballfunktionäre störten sie. Das hätte man noch unter fehlendem Anstand abtun können, was danach folgte, jedoch nicht.

Mats Hummels ordnete das unter „Katastrophe, ganz schlimm“ ein. Seinen Kopfballtreffer kurz vor dem Ende feierten die Hooligans mit „Sieg heil“-Rufen. Davor skandierte die Horde: „Özil abschieben, Ausländer raus!“ Nach dem Schlusspfiff verweigerte die Mannschaft den obligatorischen Gang zu den Fans. „Das war alles so weit daneben, dass es da keine Diskussionen gab“, erklärte Hummels.

Damit zeigte die Mannschaft eine Reaktion, die man sich unmittelbar nach dem Spiel auch von den DFB-Angestellten gewünscht hätte. Teammanager Oliver Bierhoff war kurz vor Hummels in der Mix-Zone der Eden-Aren erschienen und irritierte dort mit der Aussage, das solle man doch alles nicht so hochhängen. DFB-Präsident Reinhard Grindel reagierte einen Tag danach mit einer Facebook-Botschaft. „Wir werden niemals faschistische, rassistische, beleidigende oder homophobe Schlachtrufe dulden“, schrieb er und lobte ausdrücklich das Verhalten der Spieler. Damit hätten sie klargemacht, „ihr seid nicht unsere Fans. Ihr seid Krawallmacher. Ihr habt im Stadion nichts verloren. Ihr missbraucht die Bühne des Fußballs. Wir sind nicht Eure Mannschaft.“

Bundestrainer Joachim Löw erschien am Sonntag zur Pressekonferenz vor dem Quali-Spiel gegen Norwegen sichtlich angefressen. „Ich bin voller Wut“, begann er seine Brandrede, sprach von „unsäglichem Verhalten“ und „unterster Schublade“. Löw erinnerte an die Werte der Nationalelf, die für ein „respektvolles, tolerantes, weltoffenes Deutschland“ stehe. „Das sind Leute, die unser Land beschädigen.“ Er sei auf der Seite jener, „die absolut harte Sanktionen fordern und dafür einstehen“.

Der Mob hatte sich die Tickets nicht über den Fanclub Nationalmannschaft besorgt, sondern offensichtlich über tschechische Anbieter. Da das Stadion nicht ausverkauft war, ging dies problemlos. Der DFB hat auf diese Kontingente keinerlei Zugriffsmöglichkeiten. „Wir haben vor dem Spiel gewusst, dass Bodensatz der deutschen Gesellschaft mit in Prag ist“, erklärte Vizepräsident Rainer Koch bei Sport 1. „In Kneipen wurde sogar faschistische Musik gespielt. Vorher wurde gedroht, die Kneipen kurz und klein zu schlagen, falls die Musik nicht aufgelegt wird.“

Auch Stürmer Timo Werner von RB Leipzig musste sich Beleidigungen anhören, er wurde als „Hurensohn“ beschimpft. „Man weiß, was in der Nähe von Prag liegt, deswegen kann man sich seinen Teil denken“, erklärte er nach dem Spiel. „Deshalb hat es wahrscheinlich weniger mit meiner Person zu tun als mit dem Konkurrenzkampf.“ Die Aussage lässt wenig Interpretationsspielraum zu, gemeint sind offenbar Dresden und Dynamo.

Dass der 21-Jährige diese Schlussfolgerung zieht, ist im Wortsinn naheliegend, zumal Werner die Ablehnung gegen seinen Verein vor einem Jahr beim Pokalspiel in Dresden hautnah erlebt hat. Womöglich hatte er auch mitbekommen, dass die Polizei vor der Partie in Prag 27 Dynamo-Problemfans mit sogenannten Gefährderansprachen von Straftaten abhalten wollte. Doch es ist nicht mehr als eine Vermutung, ob sie zutrifft, werden die Ermittlungen zeigen. Auf Fotos ist zu erkennen, dass einige Randalierer Fahnen von Lok oder dem VfB Leipzig trugen.

Für Hummels gibt es nach den Vorfällen nur eine Konsequenz. „Die Leute, die rufen, dass eine gewisse Institution den Fußball kaputt macht, die machen ihn selber kaputt – das aber auch wissentlich. Deshalb muss man schauen, wie man sie aus dem Stadion kriegt.“ Die Frage ist nur – wie?