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Bluff beim Billig-Strom

Zockt ein Dresdner Anbieter Rentner an der Haustür ab? Bei der Verbraucherzentrale ist die Firma keine Unbekannte.

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© Marion Gröning

Von Nora Domschke

Es ist eine Mischung aus Scham und großer Wut. Helmut Olbrich weiß, dass er den Vertrag nicht hätte unterschreiben sollen. Nun ist es zu spät – in den kommenden drei Jahren überweist der Rentner monatlich 65 Euro an den Stromanbieter Sparenergie GmbH. Sparen wird der Tolkewitzer damit offenbar keinen Cent. Ganz im Gegenteil: Nach seiner Berechnung bezahlt er satte 480 Euro mehr, als bei seinem Vertrag mit der Drewag. Obwohl Olbrich mit dem städtischen Versorgungsunternehmen immer zufrieden war, entscheidet er sich im Mai, den Stromanbieter zu wechseln. Warum?

Es ist eines dieser typischen Haustürgeschäfte. Ein junger, sympathischer Mann klingelt. „Er fragte mich, ob ich denn nicht den Zettel bekommen habe, auf dem der Termin mit ihm angekündigt wurde“, erinnert sich Olbrich an jenen Morgen. Schließlich sei er der letzte Bewohner im Haus, der noch keinen Vertrag mit der Sparenergie GmbH abgeschlossen habe. „Damit hat mich der Vertreter überrumpelt“, sagt Olbrich. Er bittet den Mann in seine Küche, spricht mit ihm zunächst über ganz andere Themen. Politik, Flüchtlingskrise. „Ich habe mich zwar darüber gewundert, dass der Vertreter in allen Dingen meiner Meinung war.“ Skeptisch wird er dennoch nicht.

Heute weiß der 77-Jährige, dass ein solches Vorgehen nicht unüblich ist. Die Vertreter hören zu, wollen Vertrauen schaffen – und zwar bevor es im Gespräch überhaupt um das eigene Angebot geht. Die Sparenergie GmbH gehört zum Firmengeflecht der Dresdner MGN GmbH, die etwa auch Nahrungsergänzungsmittel und Mobilfunkverträge der Firma Regioplus vertreibt. Offenbar mit großem Erfolg. Das Unternehmen mit Sitz in der Iglauer Straße in Laubegast sucht jedenfalls derzeit über die Arbeitsagentur Büroassistenten für den Vertriebsinnendienst. Wie viele Vertreter für Sparenergie in Dresden im Einsatz sind, wird auf Anfrage der SZ vom Unternehmen nicht beantwortet. Die beiden Geschäftsführer hüllen sich in Schweigen. Auch zu den von Olbrich erhobenen Vorwürfen äußert sich die Sparenergie GmbH nicht.

Bei der Verbraucherzentrale Sachsen kennt man die MGN GmbH und ihre Tochterfirmen. Seit Jahren beschäftigt sich die Landesgeschäftsstelle in Leipzig mit den Dresdner Firmen. Im vergangenen Jahr hatten die Verbraucher die MGN GmbH aufgrund der Täuschung vor allem älterer Menschen zum „Prellbock 2015“ gekürt. Mit diesem Preis zeichnet die Verbraucherzentrale Unternehmen aus, die etwa mit Telefonakquise, Haustürgeschäften und damit verbundenen unseriösen Geschäftspraktiken gegen Vorschriften verstoßen.

Allein das Gespräch zwischen Olbrich und dem Sparenergie-Mitarbeiter war indes nicht illegal. Dessen Vorgehen beim Unterzeichnen des Vertrages scheint nach Auskunft der Verbraucherzentrale allerdings bedenklich. Handschriftlich habe der Vertreter die Mindestlaufzeit von 24 Monaten durchgestrichen und durch 36 Monate ersetzt, so Olbrich. „Solche langen Laufzeiten verbietet das Gesetz für Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber Verbrauchern angewendet werden“, erklärt Katja Henschler von der Verbraucherzentrale Sachsen. Immer wieder berichten vor allem Ältere, dass ihnen von Haustürvertretern ungewollte Verträge untergeschoben werden. Im vergangenen Jahr landeten 170 Fälle der MGN GmbH auf dem Tisch der Verbraucherzentrale.

Katja Henschler rät den Betroffenen, so schnell wie möglich einen Widerruf beim Unternehmen einzureichen. Häufig gibt es allerdings das Problem, dass die Mitteilung über die geforderten Abschlagszahlungen erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist im Kundenbriefkasten landet. So auch bei Helmut Olbrich. „Ich war erschrocken, als ich sah, dass ich nun pro Monat 65 Euro Stromkosten zahlen sollte.“ Für den Widerruf war es da bereits zu spät. Sein Fehler war, das Kleingedruckte im Vertrag nicht zu lesen und den Vertreter nicht nach konkreten Summen gefragt zu haben.

Der Haken an der Sache ist auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen. Denn der Preis für die Kilowattstunde unterscheidet sich kaum von dem der Drewag, sagt Olbrich. Allerdings seien die Grundkosten von rund 249 Euro pro Jahr dreimal so hoch wie beim städtischen Versorgungsunternehmen. Warum er den Vertreter nicht nach den genauen Kosten gefragt hat, kann sich Olbrich heute nicht mehr erklären.

Dem Rentner und seiner 80-jährigen Frau setzt die Sache enorm zu – vor allem gesundheitlich. Er könne kaum noch schlafen, zu sehr beschäftigt ihn die Frage: „Ich bin doch ein intelligenter Mensch, wie konnte mir so etwas nur passieren?“ Mehrere Kündigungsschreiben bleiben erfolglos. Auch seine Anwältin konnte bislang nichts erreichen. Doch es gibt Hoffnung. Ein 84-Jähriger aus Oederan setzte sich gegen die Sparenergie GmbH zur Wehr. Auch er hatte versucht, den Vertrag zu widerrufen. Das Amtsgericht Freiberg sprach ihm kürzlich die geforderte Gesamtsumme von 435 Euro zu, das Urteil ist rechtskräftig.

Wenn der Vertreter klingelt:

  • Der Bund der Energieverbraucher rät von Haustürgeschäften prinzipiell ab.
  • Keine Unterschrift unter Zeitdruck leisten, am besten den Vertrag mit Familienangehörigen besprechen, vor allem auf das Kleingedruckte achten.
  • Wer den Stromanbieter wechseln will, kann sich bei der Verbraucherzentrale Sachsen beraten lassen. Das kostet fünf Euro je angefangene halbe Stunde. Für Einkommensschwache ist der Service kostenfrei. Termine: 0341/45934 84. Außerdem gibt es eine kostenfreie telefonische Energieberatung: 0800/809802400.

www.verbraucherzentrale-sachsen.de