Von Catharina Karlshaus
Großenhain. Für Stephan Fetscher ist es bereits das zweite Mal. Die zweite Begegnung dieser Art mit der Unwucht des Wetters über Großenhain. Als er mit seiner jetzigen Frau vor sechs Jahren das erste Mal an den Pfingstfeiertagen zu Besuch in der Röderstadt war, tobte in ihr der verheerende Tornado.
An diesem Dienstagnachmittag ist der Schwabe wieder zu Gast in der Einfamilienhaussiedlung Neuer Weg. Zusammen sitzen sie alle im Wohnzimmer und lauschen den Regentropfen, die seit viertel fünf, begleitet von lautem Blitz und Donner, unablässlich gegen die Fensterscheiben trommeln. Plötzlich ein lauter Krach. Einer der unmittelbaren Anwohner wird sich wenig später daran erinnern, dass nach dem intensiven Geräusch ein orangefarbener Streifen in der Nähe des Schornsteins am Nachbarhaus zu sehen ist.
Und tatsächlich. Stephan Fetscher läuft vor die Tür und sieht, dass es bereits aus dem Dachstuhl des 78- und 80-jährigen Ehepaars neben ihnen qualmt. Während er um das Haus herum rennt, nach den Eigentümern Monika und Christian Breschke ruft, haben auch die anderen Nachbarn sofort die Lage erkannt. Sie wollen Hilfe holen, aber durch das starke Gewitter funktionieren die Telefone nicht. Im strömenden Regen marschiert Jürgen Schäfer deshalb zum nahe gelegenen Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) und alarmiert schließlich die Großenhainer Feuerwehr.
Wassereimer zum Löschen
Stadtwehrleiter Maik Häßlich und seine Leute stehen bereits in den Startlöchern. Seit Stunden gehen Unwetterwarnungen ein, dass sich die Lage in der Röderstadt allerdings so entwickeln wird, hat keiner erwartet. Starke Niederschläge vielleicht, aber keinen Blitzeinschlag. Insgesamt achtmal werden die Wehren aus Großenhain, Großraschütz, Strauch, Bauda, Zabeltitz, Walda und Skaup ausrücken. Der herbei geeilte Vize-Kreisbrandmeister Wolfgang Sax konstatiert, dass der Schwerpunkt des Unwetters im Landkreis über dem Großenhainer Land liegt. Nicht nur in Colmnitz, Strauch und Zabeltitz seien Keller vollgelaufen. Auch in Ebersbach und Thiendorf mussten die Wehren ausrücken.
Der zweifache Familienvater Marcel Liebig schleppt derweil gemeinsam mit Stephan Fetscher Wassereimer zum Löschen des Feuers ins Haus am Neuen Weg. Auch der Hauseigentümer selbst, Rentner Christian Breschke, versucht alles, damit sich der Brand nicht im Anfang der 80er Jahre von ihm gebauten Haus ausbreitet. „Die Rauchentwicklung war aber zu stark. Wir mussten dann doch raus“, erinnert sich Stephan Fetscher.
Ein Zeitpunkt, zu dem die Großenhainer Wehr eintrifft. 20 Kameraden mit fünf Fahrzeugen nebst Drehleiter tun alles dafür, dass der Brand schnell unter Kontrolle gebracht wird. Sie öffnen Teile des Daches, um weitere Glutnester zu finden. Kurz vor sechs rücken einige wieder ab, die Hausbesitzer werden zur Vorsicht ins Krankenhaus gebracht. Langsam macht sich Erleichterung unter den Bewohnern des Neuen Weges breit. Man kennt sich seit Jahrzehnten, ist besorgt. Besonders einer der Umstehenden schaut wie gebannt auf das verrußte Dach: Rene Breschke. „Ich bin hier aufgewachsen. Und bin froh, dass den Eltern nichts weiter passiert ist.“