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Blinder IT-Experte entwickelt Apps

Anwendungen fürs Smartphone machen Blinden das Leben leichter. Der Dresdner Jan Blüher hat sich darauf spezialisiert. Er selbst verlor wegen einer schweren Krankheit sein Augenlicht.

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Von Christiane Raatz

Dresden. Rasch gleiten die Finger von Jan Blüher über das Display mit Hunderten von winzigen Punkten. Zeichen für Zeichen zeigt dem Blinden die Braille-Schrift, was auf dem Bildschirm seines Computers geschrieben steht. „So kann ich Mails lesen, Internetseiten und natürlich programmieren“, erzählt Blüher. Der 37-Jährige verbringt viel Zeit am Computer, seitdem er sich vor drei Jahren als Programmierer mit seiner Firma „visorApps“ in Dresden selbstständig gemacht hat. Sein Spezialgebiet: Apps für Blinde und Sehbehinderte.

Das Eingabe- und Leseteil für den Computer in Brailleschrift.
Das Eingabe- und Leseteil für den Computer in Brailleschrift. © dpa
Seine neueste App: Ein kostenloses Programm, mit dem Blinde und Sehbehinderte per Handy und Tablet das Onlineangebot der Blindenbücherei nutzen können.
Seine neueste App: Ein kostenloses Programm, mit dem Blinde und Sehbehinderte per Handy und Tablet das Onlineangebot der Blindenbücherei nutzen können. © dpa

Seine Blindheit - im Alltag oft hinderlich - hilft ihm bei der Entwicklung von speziellen Programmen für Smartphones und Tablet-PCs. „Denn ich weiß, worauf es bei der Barrierefreiheit in der digitalen Welt ankommt“, sagt Blüher. „Da werde ich als Experte wahrgenommen.“ Auf die Idee, sich selbstständig zu machen, kam der promovierte Informatiker, nachdem er sich sein erstes Tablet kaufte. „Ich war total begeistert, dass man auf einmal Zugang zu so vielen Medien hat und wollte das weiterentwickeln.“

Seine neueste App: Ein kostenloses Programm, mit dem Blinde und Sehbehinderte per Handy und Tablet das Onlineangebot der Blindenbücherei nutzen können. Bücher in Braille-Schrift und Hörbücher lassen sich damit bestellen, die Seiten nach Neuerscheinungen durchforsten - alles mit Hilfe von Sprachsteuerung. Etwa ein halbes Jahr hat die Entwicklung gedauert. Vor allem Hörbücher sind bei vielen Blinden gefragt. „Ich höre gern und viel Bücher“, sagt Blüher. Viel Zeit bleibt dem dreifachen Familienvater dafür allerdings nicht.

Schon als Kind war Blüher stark kurzsichtig, als Zehnjähriger wurde er auf einem Auge blind, nachdem sich die Netzhaut löste. Zehn Jahre später, Blüher hatte gerade sein Studium begonnen, traf es das zweite Auge. Dank Computertastaturen für Blinde und anderer technischer Möglichkeiten konnte Blüher sein Studium beenden.

Auch eine Art Farbscanner-App hat Blüher bereits entwickelt. Das Programm „Colorvisor“ liest die Farbwerte, gleicht sie mit einer Datenbank ab und teilt dem Nutzer das Ergebnis per Sprachausgabe mit. Damit dient das Mobiltelefon als Auge, das erkennt, welche Farbe die Blumen haben oder ob das Hemd zur Hose passt. Vor allem für Blinde, die durch eine Krankheit ihr Augenlicht verloren haben und Farben kennen, ist das eine Hilfe. „Apps können die Art, wie wir mit der Welt interagieren, noch stärker verändern, als dies bei Sehenden der Fall ist“, ist Blüher überzeugt.

Viel hat sich in den vergangenen Jahren in der digitalen Welt für Blinde getan. Es gibt etwa mobile Navigationsgeräte oder Programme, die Fahrpläne vorlesen oder Haltestellen in der Nähe anzeigen. „Wir haben dadurch die Möglichkeit, relativ schnell und ohne großen Aufwand Informationen abzurufen“, sagt Angela Fischer, Landesvorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen. Dennoch sieht sie Nachholbedarf: Viele Internetseiten oder Apps seien nach wie vor nicht Blindentauglich.

In Sachsen gibt es nach Einschätzung des Verbandes derzeit rund 30.000 blinde oder sehbehinderte Menschen. „Und die Dunkelziffer von sehbehinderten Menschen ist noch weitaus höher“, so Fischer. (dpa)