Merken

Blick ins alte Gasthaus

Seit 1967 war der Müllersche Gasthof in Pesterwitz dicht. Die SZ hat sich in den Räumen umgesehen, wie die Bildergalerie zeigt.

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Verena Schulenburg

Freital. Der alte Kaufmannsladen steht noch, als hätte er bereits auf seine zweite Chance gewartet. Die Fünf-Kilogramm-Dose Bonbons von Göhler & Beckert ist zwar leer. Dafür lehnt Süßes von der Schokoladenmanufaktur aus Heidenau am urigen Holzregal. Dazu Schnaps und Wein aus Sachsen, wesentlich jünger als die Einrichtung. Auf dem Tisch stehen Blumen, drapiert von der Blumengestalterin aus dem Ort. Während die alten Zapfhähne längst kein Bier mehr zutage fördern, dampft die moderne Kaffeemaschine nebenan. Erik Fritzsche serviert Dresdner Melange.

Der Müllersche Gasthof

Adolf Müller führte einst den Gasthof in Pesterwitz. Das Foto ist vermutlich in den 1890er-Jahren entstanden und ist auch als Postkartenansicht bekannt.  Repro: privat
Adolf Müller führte einst den Gasthof in Pesterwitz. Das Foto ist vermutlich in den 1890er-Jahren entstanden und ist auch als Postkartenansicht bekannt. Repro: privat
In den nächsten Monaten wird das Haus zur Baustelle. Zuvor zeigte Erik Fritzsche allen Interessierten noch einmal, wie es im Inneren aussieht.
In den nächsten Monaten wird das Haus zur Baustelle. Zuvor zeigte Erik Fritzsche allen Interessierten noch einmal, wie es im Inneren aussieht.
Mit liebevollen Details wurde der Verkaufsraum am Wochenende ausgestattet. Nun kommt aber alles wieder raus. Denn zunächst wird das Haus saniert.
Mit liebevollen Details wurde der Verkaufsraum am Wochenende ausgestattet. Nun kommt aber alles wieder raus. Denn zunächst wird das Haus saniert.
Es gibt noch viel zu tun.
Es gibt noch viel zu tun.
Wie im Märchen: Da steht ein Spinnrad in der Ecke.
Wie im Märchen: Da steht ein Spinnrad in der Ecke.
Lampen von anno dazumal.
Lampen von anno dazumal.
Mit der Kommode lässt sich doch noch was anfangen.
Mit der Kommode lässt sich doch noch was anfangen.
Charme versprüht das alte Klavier.
Charme versprüht das alte Klavier.
Noch marode, aber bald ...
Noch marode, aber bald ...

Der 37-Jährige ist der neue Eigentümer des Müllerschen Gasthofes in Pesterwitz. Zum Herbst- und Weinfest am Wochenende gewährte er erstmals einen Einblick ins Innere des Hauses am Pesterwitzer Ortskern – 50 Jahre nach der Schließung. Nie hätte der gebürtige Dresdner geahnt, welches Stück Geschichte er erworben hat und vor allem wie groß das Interesse daran ist. „Uns haben schon etliche Leute die Bude eingerannt“, resümiert Erik Fritzsche die gigantische Resonanz vom Wochenende. Einige Pesterwitzer kennen den einstigen Ausschank noch. „Das ist ja geil“, staunt eine rüstige Dame, als sie gerade den Kopf zur Tür hineinsteckt. Bisher führte ihr Weg immer nur an dem alten Gasthaus vorbei. Auch ein älterer Herr habe sich kürzlich zu Fritzsche an die Theke gehockt und gesagt: „So stand ich hier zuletzt als kleiner Junge.“ Momente, die Erik Fritzsche berühren.

Es ist Neugier und zugleich auch etwas Dankbarkeit, dass es mit den alten Gemäuern weitergeht, die der neue Hausherr dieser Tage erfährt. Dabei weiß der junge Mann, der eine Firma für Gartenbaumpflege in Dresden führt, selbst noch gar nicht so genau, wie sein Plan mit dem Traditionshaus aussieht. Einen Gaststättenbetrieb schließt Fritzsche aus. Das wäre nicht zu bewerkstelligen. Außerdem gibt es im Ort bereits einen Gasthof. Einen kleinen Ausschank für Kaffee, Kuchen und Spirituosen, so wie er es am Wochenende erprobte, könne er sich aber dauerhaft auf dem 400 Quadratmeter großen Grundstück vorstellen. Eine Geschäftspartnerin hat er bereits an seiner Seite: Die Pesterwitzerin Katrin Mittag würde den Laden betreiben. Vielleicht schon zur 950-Jahr-Feier von Pesterwitz im nächsten Jahr.

Ein ehrgeiziges Ziel. Mindestens seit der Schließung 1967 hat wohl keiner mehr Hand an die historischen Gemäuer gelegt. Nun haben sie dringenden Sanierungsbedarf. Es wird ein erheblicher Investitionsaufwand, den Erik Fritzsche hier stemmen muss. Wie alt das Haus ist, weiß der neue Eigentümer allerdings nicht. Für zwei Anbauten am Bestandsgebäude habe er Kenntnisse aus den 1750er- und 1890er-Jahren. Der Altbau selbst könnte Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut worden sein, sagt der Dresdner, der ein Faible für alte Häuser hat und mit handwerklichem Geschick bereits Immobilien zu neuem Leben erweckte. Im Obergeschoss des Hauses, wo bis vor drei Jahren noch die Alteigentümerin wohnte, könnte sich Erik Fritzsche künftig auch sein eigenes Domizil vorstellen. Wie genau, das werde sich erst noch zeigen.

Eines liege dem 37-Jährigen, dessen Eltern Architekten sind und der selbst in Tharandt Forstwissenschaften studierte, besonders am Herzen: Nachhaltigkeit. An alten Häusern könne man genauso wie an alten Bäumen den Wandel der Zeit ablesen. Dem Müllerschen Gasthaus in Pesterwitz wieder Leben einzuhauchen und die Substanz zu erhalten, sei sein Ziel. Genauso wie die alte Linde vorm Haus, die Erik Fritzsche retten will.