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Bleibt alles anders

Die SPS Schiekel aus Dohna war auf Wachstumskurs, als ein Todesfall die Firma erschütterte. Dann kam Lara Knuth.

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© Millauer

Von Lars Radau

Das Fahrwasser, sagt Peter Schiekel, ist wieder deutlich ruhiger geworden. Dass es die SPS Schiekel, einen Spezialisten für hochpräzise Zerspanung und feinste Oberflächenvergütung von Edelstahl, Titan und schwer zerspanbaren Materialien, im vergangenen Jahr ordentlich durchgeschüttelt hätte, ist noch ordentlich untertrieben. Das in Dohna vor den Toren Dresdens ansässige Unternehmen, das Peter Schiekel 1992 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Gert gegründet hatte, war auf stetigem Wachstumskurs. Aus anfangs acht Mitarbeitern waren mittlerweile deutlich mehr als hundert geworden, der Umsatz kratzte an der Zehn-Millionen-Euro-Grenze. Die neue Fertigungshalle, in der Platz für sieben CNC-Einheiten ist und in der erstmals ein Industrieroboter eine der Maschinen bestückt, war am Wachsen. Und zumindest hatten es die Brüder im Frühsommer läuten gehört, dass sie beim Wettbewerb um den „Zukunftspreis“ der Handwerkskammer Dresden recht gute Chancen haben. Mit der Auszeichnung ehrt die Kammer Firmen, die „dem demografischen Wandel intelligent begegnen“.

Wirtschaft in Sachsen Diesen und weitere Artikel über die sächsische Wirtschaft und ihre Macher finden Sie in der aktuellen Ausgabe von „Wirtschaft in Sachsen“ – dem Entscheidermagazin der Sächsischen Zeitung, erhältlich am Kiosk und an Tankstellen. Gern
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Genau das hatte bei den Schiekels gewissermaßen Tradition: Weil in der Branche gute Fachkräfte rar sind, hatte SPS ihre Fühler schon früh ins Ausland ausgestreckt. Über eine Agentur hatten die Schiekels auf der iberischen Halbinsel nach Drehern und Fräsern Ausschau gehalten – und schließlich 14 junge Spanier nach Dohna geholt. Neben der fachlichen Qualifikation kümmerte sich das Unternehmen mithilfe einer Deutsch-Spanierin quasi rund um die Uhr auch um Eingliederungs- und Alltagshilfe für die neuen Mitarbeiter.

Die Einladung zur Preisverleihung dürfte schon in der Post gewesen sein, als Gert Schiekel Ende Mai vergangenen Jahres völlig überraschend starb. Mit gerade einmal 55 Jahren, an Herzversagen. „Wir wissen noch nicht, wie wir die Lücke, die Dein Tod reißt, auch nur im Ansatz schließen können“, schrieb Peter Schiekel in einem Nachruf-Brief auf der SPS-Homepage.

„Wir haben alle weitergemacht.“

Den Zukunftspreis musste der 63-Jährige wenig später allein aus den Händen von Ministerpräsident Stanislaw Tillich entgegennehmen. Gern redet Peter Schiekel nicht über diese Zeit. Der Blick über die randlose Brille schweift kurz aus seinem ehemaligen Büro, ehe der SPS-Gründer mit fester Stimme weitererzählt. Ausnahmslos alle SPS-Mitarbeiter hätten sehr viel dazu beigetragen, das Unternehmen auf Kurs zu halten. „Wir haben alle weitergemacht“, sagt Peter Schiekel knapp. Gleichzeitig hat der Schicksalsschlag im Unternehmen durchaus Prozesse beschleunigt. Das Thema Nachfolge, sagt Peter Schiekel, stand plötzlich mit Macht auf der Tagesordnung. Im Herbst beauftragte er eine Personalagentur, nach einem potenziellen Nachfolger zu suchen. Wenig später trudelten mehr als 200 Bewerbungen ein -– darunter gerade zwei von Frauen.

Eine davon ist jetzt seit Februar neue Geschäftsführerin des Familienbetriebes – die 47-jährige gebürtige Berlinerin Lara Knuth. „Wir haben nicht viel Zeit gebraucht“, sagt die Managerin, die in Berlin Wirtschaftsingenieurwesen und Verwaltungswirtschaft studierte und unter anderem in leitenden Funktionen in der Metall-, Luft- und Raumfahrtindustrie gearbeitet hat. Das passt erstens, weil etliche Schiekel-Kunden aus diesen Branchen kommen. Gefräste und gedrehte Präzisionsteile aus Dohna stecken etwa im Antrieb der Weltraumrakete Ariane 5 und in der WC-Technik des Airbus A 380, für den Berliner Flughafen lieferte SPS Edelstahlblenden für Fingerabdrucksensoren. „Die müssen noch nach Tausenden Berührungen gut aussehen“, sagt Lara Knuth. Das passt zweitens, sagt Peter Schiekel, weil auch er nicht nur von Anfang an schnell das Gefühl hatte, dass die Chemie zwischen ihm und seiner neuen Mitgeschäftsführerin stimmte. Sondern weil sich das Duo in seinen Eigenschaften ergänze: „Sie ist technikaffin und vertriebsstark“, lobt Peter Schiekel. „Und sie bringt frischen Wind in die Firma.“

Das, sagt Lara Knuth lächelnd, habe sie allerdings auch von Anfang an als expliziten Auftrag verstanden. Nicht nur deshalb ist die Neue an der Firmenspitze in ihren ersten Wochen auch in den Blaumann geschlüpft und hat erst einmal in alle Abteilungen hereingeschnuppert. Dass sie dabei unter anderem auch in Warenannahme und Verpackung mit zugepackt hat, diente nicht nur dem Kennenlernen des Unternehmens und der Mitarbeiter. „Man erwirbt sich so auch Respekt“, ist Peter Schiekel überzeugt. Auch selbst hat der Firmengründer ein klares Zeichen gesetzt, dass Lara Knuth künftig die „neue Nummer eins“ sein wird: Mit ihrem Dienstantritt hat er sein Büro für die verheiratete Mutter von Zwillingen geräumt. Schiekel will sich in den kommenden zwei Jahren allmählich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und sich „strategischen Projekten“ widmen.

Ihren Auftakt-Rundlauf durch das Unternehmen hat die ehemalige Triathletin Lara Knuth gleichzeitig dazu genutzt, „sehr genau hinzuschauen“. Ein erklärtes Ziel der Managerin ist es, die Abläufe bei SPS so zu optimieren, „dass wir noch weniger für die Katz tun“. Dabei setzt Knuth auf „motivierte und mitdenkende Mitarbeiter“. Sie sei, erzählt die groß gewachsene Brillenträgerin, ein großer Fan des „Toyota-Systems“. Der japanische Autobauer ermuntert seine Arbeiter, auf Optimierungspotenzial in den Abläufen und Fehler hinzuweisen. Nicht, um die Jobs irgendwann einzusparen, sondern um Prozesse gemeinsam zu verbessern und Fehler fortan zu vermeiden. Dazu gehöre auch, betont Knuth, die Firma als Ganzes zu verstehen, zu dem jeder auch über seine konkrete Aufgabe hinaus beitragen kann.

Als kleine Erinnerung hängen über dem Hauptgang der Fertigungshalle seit Kurzem mehrere Fahnen mit den wichtigsten Prinzipien des Toyota-Systems. Sie wellen sich im Windzug, wenn Lara Knuth schwungvoll die Hallentür öffnet. Sonst ist das Fahrwasser wieder ruhig. Trotz aller Einschläge war 2016 das wirtschaftlich bislang beste Jahr der Firmengeschichte. Und 2017, sagen Lara Knuth und Peter Schiekel, soll der frische Wind auch den Umsatz über die Elf-Millionen-Euro-Marke bringen.