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Bleiben oder Ausziehen

Der städtische Großvermieter Kommwohnen verunsichert Mieter in Görlitz-Weinhübel. Das ärgert Oberbürgermeister Siegfried Deinege.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Helga Bartusch lebt seit 24 Jahren in der Stauffenbergstraße 32. Ein Plattenbau in Weinhübel, wie es sie im südlichen Görlitzer Stadtteil zwischen Zittauer Straße und Eisenbahnlinie viele gibt. Hier fühlt sie sich wohl, ist mit ihrer Wohnung zufrieden, die Ende der 1990er Jahre saniert wurde. Wie der rüstigen 77-jährigen Seniorin geht es vielen, die noch in diesen Altneubauten wohnen. Meist seit Jahrzehnten wie Helga Bartusch, die 1992 von der Goethestraße nach Weinhübel zog, nachdem sie 45 Jahre lang in der Südstadt gewohnt hatte. Mittlerweile bezeichnet sich Frau Bartusch als Weinhüblerin.

Doch dieses Gefühl ist jüngst schwer erschüttert worden. Zusammen mit einer Nachbarin wollte sich Helga Bartusch eigentlich nur beim städtischen Großvermieter Kommwohnen erkundigen, ob dessen Hausbetreuer auch das Wasser in einer Wohnung im Parterre in ihrem Haus abgestellt hätte, nachdem die Mieterin ein paar Häuser weiter in der Stauffenbergstraße umgezogen war. Zufällig erfuhr sie bei dieser Gelegenheit, dass in die sanierte Wohnung niemand mehr einziehen wird, dass Kommwohnen die Blocks am liebsten leer ziehen lassen will. Diese Mitteilung versetzte Frau Bartusch und ihre Nachbarin in solche Aufregung, dass sie seitdem in Unruhe leben: Wird uns Kommwohnen zum Auszug drängen? Was passiert mit uns? Wird es Hilfen geben?

Kommwohnen-Chef Arne Myckert bestätigt gegenüber der SZ, dass der städtische Großvermieter für verschiedene Altneubauten prüft, inwieweit sie noch zeitgemäß sind. Das Kernproblem: Immer häufiger fragen Mieter nach altersgerechten Wohnungen mit Fahrstuhl nach, doch Myckert hat kaum welche im Angebot. Zumal der Ein- und Anbau von Aufzügen in Altneubauten mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Deswegen prüfte Kommwohnen beispielsweise in Rauschwalde zwei Jahre lang mit einem Planungsbüro verschiedene Alternativen. Ein Umbau erwies sich als zu unwirtschaftlich. Deswegen wird nun darüber nachgedacht, Blöcke bis zur Kellerdecke abzureißen und anschließend wieder neu zu errichten – mit Aufzug. Genau diese Lösung könnte auch den Wohnungen in der Stauffenbergstraße blühen. Myckert selbst will noch keine Details bekannt geben, ehe er nicht „unseren Mietern auch ein belastbares Konzept“ vorgestellt habe. Er sagt aber auch: „Bis zur Klärung der Frage, welches bauliche Konzept am besten umsetzbar sein wird, bemühen wir uns darum, hier den Status Quo zu halten, keine Investitionen auszulösen und keine Neuvermietungen durchzuführen.“

Als Oberbürgermeister Siegfried Deinege am Montag in der Sitzung des Bürgerrates von der Verunsicherung der Mieterin erfuhr, reagierte er verärgert. Nicht über Helga Bartusch, sondern über die Kommwohnen. Zwar sei es legitim, wenn das städtische Unternehmen prüft, was es mit den Blöcken künftig machen wird. Die Altneubauten entsprechen auch aus seiner Sicht nicht mehr dem heutigen Standard und müssen modernisiert werden. Aber er wundere sich schon über die Art der Kommunikation vonseiten Kommwohnens. Das sei ihm schon bei der Verunsicherung von Mietern in der Arthur-Ulrich-Straße negativ aufgefallen. „Ich höre das Thema jetzt zum zweiten Mal“, sagte Deinege. „Und das ist einmal zu viel“.

Eine klare Information der Mieter sei notwendig. Er sehe ein grundsätzliches Thema in der Art und Weise, wie die Geschäftsführung von Kommwohnen informiere. Deinege sicherte Helga Bartusch zu, das Gespräch mit Myckert zu suchen. In Weinhübel wie auch in Rauschwalde sorgen sich nun viele, dass ein weiterer Bau wie in der Jonas-Cohn-Straße entsteht, wo auch schon ein Neubaublock komplett abgerissen und anschließend neu aufgebaut wurde. Mit neuen Zuschnitten und mit Laubengängen entlang der Fassade. Nur mit großem Aufwand fand Kommwohnen für die Wohnungen Mieter, aber auch längst nicht für alle. Für den Weinhübler Werner Paul, früherer Stadtrat der CDU, kein Wunder. Für ihn ist das eine Fehlplanung erster Klasse: „Die Eingänge befinden sich auf der Wetterseite, da ist es doch kein Wunder, dass das Gebäude ohne Zuspruch aus der Bevölkerung bleibt.“ Andere Weinhübler kritisieren auch, dass Unbekannte bis an die Haustür und Fenster im zweiten Stock gelangen, wo „wir hier doch alle Fenster und Türen nachts zurammeln“ – aus Sorge vor Einbrechern. So, hieß es am Montag im Bürgerrat, könne „Herr Myckert am Tegernsee bauen, aber nicht hier.“

Helga Bartusch kann derzeit von niemand endügltig Klarheit erwarten. Doch hat sich die erste Aufregung auch wieder gelegt, schließlich könne Kommwohnen ja nicht von heute auf morgen loslegen. Zur Sicherheit hat sie sich auch mal für das Frauenburg-Karree vormerken lassen. Wundern tut sie sich freilich nur darüber, dass andere Vermieter ganz andere Wege einschlagen: Die Wohnungsgenossenschaft vermietet in der Stauffenbergstraße ihre Häuser weiter.