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Blaulicht-Urteil schreckt Dresdner Unfallforscher auf

Dürfen die Mitarbeiter der Unfallforschung künftig noch mit Sondersignal zu ihren Einsatzstellen rasen? Ein Gericht aus Celle äußert leise Zweifel daran.

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Von Alexander Schneider und Bruno Mechs-Reinke

Lars Hannawald gibt zu, dass er einen Schrecken bekam, als er von dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle erfuhr. „Kein Blaulicht mehr? Dann können wir die Unfallforschung einstellen“, sagt der Fahrzeugtechniker, der seit 2008 Chef der Unfallforschung Dresden ist.

In der an die TU Dresden angeschlossenen GmbH arbeiten 20 festangestellte Ingenieure, Rettungsassistenten und andere mehr sowie 35 Studenten. Seit zwölf Jahren analysieren sie Verkehrsunfälle – unter technischen, medizinischen und psychologischen Prämissen. „Wir fragen: Warum ist es zu einem Verkehrsunfall gekommen“, sagt Hannawald. Die wichtigsten Daten erhalten die Wissenschaftler direkt an der Unfallstelle, wenn noch alle vor Ort sind und noch Spuren gesichert werden können. Mit dem Wissen, das die Forscher aufarbeiten, werden nicht nur bessere Autos gebaut, es fließt auch in Gesetze, um die Sicherheit auf den Straßen zu vergrößern.

Unerlässlich dabei: Die Forscher müssen so schnell wie möglich am Unfallort sein. Aus diesem Grund haben sie eine Sondergenehmigung der Landesdirektion. Die eigens geschulten Fahrer dürfen sich mit Blaulicht und Martinshorn den Weg freimachen, müssen sich aber – das unterscheidet sie von Polizei und Feuerwehr im Lebensrettungseinsatz – dabei an alle Verkehrsregeln halten. „Wir haben ein Wegerecht“, nennt das Hannawald. „Das reicht, aber weniger geht nicht.“

Der Senat für Verkehrsrecht am Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in einem Rechtsstreit um einen heftigen Zusammenstoß, bei dem ein Fahrer der Unfallforschung beteiligt war, jedoch genau daran leichte Zweifel geäußert (Az 14 U 158/10). Straßenverkehrsrechtlich, so argumentieren die Richter, funktioniert es nicht, wenn Fahrer mit Sondersignalen unterwegs sind, die nicht unmittelbar Menschenleben retten. Im vorliegenden Fall fuhr ein Auto der Unfallforschung Hannover im Mai 2008 mit Blaulicht und Horn trotz Rotlichts mit Tempo 33 in eine Kreuzung und kollidierte mit dem Pkw, der Grün hatte. Der Gegner verklagte die Unfallforschung und deren Fahrer auf Begleichung seines Schadens.

Das OLG entschied, dass der Fahrer der Unfallforschung alleine Schuld an dem Unfall ist. Er hätte sich trotz Sondersignals zumindest im Schritttempo in die Kreuzung tasten müssen, um zu sehen, dass ihm Vorfahrt gewährt wird. Der Senat betonte jedoch, dass die Unfallforschung keine Sonderrechte wie Polizei oder Feuerwehr haben.

Das war der Punkt, der Hannawald den Schrecken einjagte. Sofort holte er die Sonderregelungen aus seinem Safe, um nachzulesen, was genau mit der Landesdirektion vertraglich geregelt ist.

In der Landesdirektion Dresden dagegen kannte man die OLG-Entscheidung längst. „Aus unserer Sicht gibt es keine neue Situation“, sagt Behördensprecher Holm Felber. „Wir müssen die Verträge mit der Unfallforschung nicht ändern.“ Da war dann auch Hannawald wieder wohler zumute.