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Bittere Pille für Erstklässler

Schuleingangsuntersuchungen finden nur noch im Gesundheitsamt in Kamenz statt. Grund ist der Ärztemangel.

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© Willem Darrelmann

Von Thomas Drendel

Theo freut sich schon riesig. Nächstes Jahr geht es endlich in die Schule. Endlich ein Großer sein. Vor wenigen Tagen lag auch die Einladung zur Schuleingangs- untersuchung im Briefkasten. Nichts Weltbewegendes dachte sich Katja Radecker aus Wachau. Das wird ja wie bei ihrem älteren Kind in der Grundschule gleich um die Ecke stattfinden. Als die Wachauerin sich den Brief genauer ansah, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Die Untersuchung sollte in der Zweigstelle des Landratsamtes in Kamenz erfolgen. „Mir wurden drei Termine genannt, die lagen alle vormittags zwischen 9 und 14 Uhr. Zu dieser Zeit bin ich auf Arbeit. Ich kann doch nicht wegen der Schuluntersuchung einen Tag Urlaub nehmen“, ärgert sie sich.

Lange Telefongespräche mit dem Gesundheitsamt folgten. „Nein, andere Termine sind nicht verfügbar“, sagte man ihr. „Wieso ist es nicht mehr möglich, dass die Amtsärztin in die Grundschulen kommt und hier die Eingangsuntersuchung macht“, fragt sich die junge Mutter. Nach Angaben von Gernot Schweitzer vom Landratsamt in Bautzen wurde der Ablauf der Untersuchungen ab diesem Schuljahr neu geregelt. „Sie finden für alle angehenden Erstklässler nur noch an den drei Standorten der Kreisverwaltung in Hoyerswerda, Bautzen und in Kamenz statt“, sagt er. Rund 2 500 Mädchen und Jungen werden jedes Jahr eingeschult. Kinder, die nicht in den drei großen Städten leben, müssen jetzt weite Wege auf sich nehmen.

Quer durch den Landkreis wegen einer Schuluntersuchung

Für Katja Radecker ist das ein Unding. „Hunderte Eltern mit ihren Kindern fahren jetzt quer durch den Landkreis nur wegen einer Schuluntersuchung. Der Zeitaufwand ist riesig, ganz zu schweigen von den Fahrtkosten“, sagt sie. Gernot Schweitzer hebt die Hände. „Wegen des Ärztemangels finden wir als Verwaltung nur noch schwer Ärzte für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Wir haben derzeit mehrere offene Stellen.“ Sprechstunden in allen Grundschulen im Landkreis kosteten zu viel Arbeitszeit. „Es fallen lange Anfahrtswege an, die Untersuchungsmaterialien müssen aufgebaut werden und es entstehen Leerzeiten, wenn Kinder nicht zum Termin erschienen“, sagt Schweitzer. Bis zum 30. Januar müssen alle Vorschulkinder den Test durchlaufen haben. „Mit dem derzeitigen Personal hätten wir das an den Schulen vor Ort nicht geschafft.“

Ein Blick nach Dresden zeigt, dass auch anderswo die Lage nicht einfach ist. In der Stadt gibt es vier Adressen, wo Eltern ihre Kinder untersuchen lassen können. Nur in weit entlegenen Grundschulen bietet die Stadt extra Untersuchungstermine an. Elke Siegert, Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendgesundheit im Dresdner Rathaus, würde gern noch mehr Termine in Schulen bereithalten, doch oft sind die örtlichen Bedingungen unzureichend, sagt sie. „Es fehlen beispielsweise geeignete Praxisräume. Hinzu kommt, dass Eltern mitunter Termine nicht wahrnehmen.

Keine Chance für Hausärzte

Für die Ärzte bedeutet das Leerlauf. Auch uns fehlen zunehmend Ärzte“, sagt sie. So weite Wege wie im Landkreis Bautzen müssten die Dresdner freilich nicht fahren. – Bleibt die Lösung Hausarzt. Den gibt es in den meisten Gemeinden gleich um die Ecke. Doch keine Chance. Hausärzte könnten die Untersuchung weder bei den Krankenkassen abrechnen noch haben sie die entsprechenden Unterlagen. „Die Schuluntersuchungen sind eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Gesundheitsämter und können nur von Amtsärzten vorgenommen werden“, sagt Gernot Schweitzer. Die Untersuchung wird nach einem einheitlichen Standard in Sachsen erledigt. Ärzte prüfen, ob beispielsweise alle Impfungen vorhanden sind und ob Sehen, Hören, Verhalten sowie Sprache ausreichend entwickelt sind.

Das Landratsamt will den Eltern jetzt zumindest bei der Terminauswahl in den drei Standorten entgegenkommen. „Untersuchungen sind montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr möglich. In absehbarer Zukunft werden wir auch eine Terminbuchung über das Internet anbieten“, sagt Gernot Schweitzer.