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Bis zum Tod

Catrin Oelschlägel aus Pirna engagiert sich seit mehreren Jahren als Hospizhelferin. Ehrenamtlich. Sie bekommt viel zurück.

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© Steffen Unger

Von Mareike Huisinga

Pirna. Donnerstagnachmittag. Catrin Oelschlägel klingelt bei der Familie L. aus Pirna. Heute geht es Frau L. so gut, dass sie selbst die Tür aufmachen kann. Über das Gesicht der 82-Jährigen zieht sich ein warmes Lächeln. „Schön, dass Sie da sind. Kommen Sie herein“, lädt sie ihren Besuch freundlich ein. In ihrem Zimmer mit dem wunderbaren Blick auf die dahin ziehende Elbe steht schon der heiße Kaffee. Schnell sind beide im Gespräch. Hauptsächlich erzählt Frau L. über ihr Leben, über ihre Familie, über ihre Arbeit. Catrin Oelschlägel hört zu. Ihr Interesse ist ehrlich. Dann zeigt Frau L. Fotos. Zu jedem Bild gibt es eine Geschichte und Erinnerungen. Fast wird darüber der Kaffee kalt.

Frau L. hat viel zu erzählen. Denn sie hat vielleicht nicht mehr viel Zeit dazu. Sie leidet an Lungenkrebs, der schon im Körper gestreut hat.

Hilfe bekommt sie von Catrin Oelschlägel, die seit neun Jahren als Hospizhelferin beim Ambulanten Malteser Hospizdienst Pirna arbeitet. Ehrenamtlich. Schon zehn schwer kranke Menschen aus Pirna und Umgebung hat sie begleitet, bis zum Tod. Für ihr Engagement wurde sie jetzt vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zum Bürgerfest anlässlich der Würdigung des ehrenamtlichen Engagements nach Berlin ins Schloss Bellevue eingeladen. „Diese Auszeichnung nehme ich stellvertretend für alle Hospizbegleiter an“, sagt Oelschlägel bescheiden.

Hauptberuflich arbeitet sie als Krankenschwester im Pirnaer Klinikum. Auch dieser Beruf fordert viel von ihr. Weshalb hat sie sich trotzdem dafür entschieden, in ihrer Freizeit andere zu unterstützen?

„Es liegt mir am Herzen, Menschen zu begleiten. Ohne Zeitdruck. Ich kann mich ganz auf den anderen einlassen“, erklärt die 49-Jährige. In der schnelllebigen Gesellschaft werden die Themen Tod und Leiden oftmals verdrängt. Oelschlägel möchte sich diesem Zeitgeist nicht anpassen. „Die Tätigkeit erdet mich auch selber. So kann ich mich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben konzentrieren.“ Es sei wichtig, dass Menschen in dieser Endphase nicht alleine gelassen werden. Dabei übernimmt sie keine Pflegedienste oder verabreicht Medizin. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, zuzuhören, für den anderen da zu sein. Ihn so anzunehmen, wie er ist. „Wir reden nicht über die Krankheit, sondern über das Leben, das Alltägliche, das Schöne.“

Dabei ist die Sterbebegleitung nicht nur Hilfe für den Patienten. Auch die Angehörigen unterstützt Catrin Oelschlägel mit ihrem Engagement. „Oft wollen sie erzählen. Aber durch meine Anwesenheit kann ich sie auch ganz konkret entlasten, sodass sie etwas für sich tun können und zum Beispiel Zeit haben, mal zum Friseur zu gehen oder einen kleinen Spaziergang zu machen.“ Dadurch schöpfen die Angehörigen selber Kraft, um die oftmals anstrengende Pflege besser leisten zu können.

Zwar bekommt Catrin Oelschlägel kein Geld für ihre Hilfe, dafür aber viel Dankbarkeit und Achtung. „Man gehört quasi zur Familie, wird mit einbezogen und um Rat gefragt. Ich bin dabei auch immer wieder fasziniert, wie gut der Zusammenhalt unter den Angehörigen ist, die den Kranken zu Hause pflegen“, sagt die Pirnaerin.

Dabei weiß sie, dass ihr Engagement auch Abschiednehmen bedeutet. „Bei einigen war ich bis zur letzten Minute da und habe die Hand gehalten. Das war auch für mich ein Abschluss.“ Für sie bleiben einzelne Momente im Herzen, Erinnerungen, die ihr persönlich wichtig sind. Sie geht zu den Beerdigungen und übernimmt oft die Trauerbegleitung der Angehörigen. Noch heute hat sie Kontakt zu den Verwandten der ersten Dame, die sie bis zum Tod begleitet hat.

Bei dem Umgang mit den Themen Tod und Sterben bekommt sie Hilfe. Einmal im Moment treffen sich die 20 ehrenamtlichen Hospizbegleiter, um über ihre Erfahrungen zu sprechen, sich auszutauschen. Bevor Oelschlägel das Ehrenamt übernahm, hatte sie eine Ausbildung mit einem Praktikumseinsatz. Weitere Hospizhelfer werden aktuell gesucht, erklärt Carola Epperlein, Koordinatorin des Ambulanten Malteser Hospizdienstes Pirna. Spezielle Voraussetzungen dafür benötige der Interessent nicht. „Aber man sollte gut geerdet sein und Rückhalt in der eigenen Familie haben“, sagt Epperlein.

So wie bei Catrin Oelschlägel, die zwei erwachsene Kinder und einen festen Partner hat. „Er gibt mir viel Rückhalt und unterstützt mich, wenn ich doch mal traurig bin“, sagt die gelernte Krankenschwester.

Unterdessen ist es fast Abend geworden. Catrin Oelschlägel verabschiedet sich liebevoll von Frau L. und spricht Herrn L. Mut zu. „In einer Woche komme ich wieder“, verspricht sie mit einem fröhlichen Lächeln. Frau L. schaut sie ernst an und sagt mit einem warmen Ton: „Sie können jederzeit wiederkommen.“

Ambulanter Malteser Hospizdienst Pirna Tel. 03501 467835. Weitere Mitglieder und Spenden sind willkommen. Deshalb findet derzeit auch eine gezielte Werbekampagne in Pirna und Umgebung statt.