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Bis zuletzt auf eine Zukunft gehofft

Die SZ erinnert an Gebäude und Menschen, die jeder kennt, die aber nicht mehr da sind. Heute: das Federnwerk.

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© Thomas Eichler

Von Arndt Bretschneider

Zittau. Als 27-Jähriger erwarb der Olbersdorfer Bauernsohn Max Weber 1908 von der Gärtnerswitwe Weinert in Pethau Grund und Boden, um ein Federnwerk zu errichten. Bereits ein Jahr später stellte er mit einem Dutzend Arbeiter Automobil- und Waggonfedern her. Im Ersten Weltkrieg nahm das Werk einen steilen Aufschwung, weil es Kanonenfedern produzierte. Nach dem Krieg nannte Weber seine Firma „Oberlausitzer Spiral-, Waggon- und Blattfedernwerk“. Die Weltwirtschaftskrise machte um das federstahlverarbeitende Unternehmen einen Bogen.

So sieht die Fläche heute aus.
So sieht die Fläche heute aus. © Thomas Eichler

Auch im Zweiten Weltkrieg arbeitete das Werk für die Rüstung. 1946 wurde Weber als einer der Ersten im Kreis Zittau enteignet, der Betrieb jedoch nicht demontiert. Federn für die kriegsramponierten Waggons der Deutschen Reichsbahn und der sowjetischen Staatsbahn erschienen unverzichtbar. Bereits im Mai 1945 nahm man die Produktion wieder auf. Die „Vereinigung Volkseigener Betriebe des Lokomotiv- u. Waggonbaus (VVB LOWA) wurde 1949 gegründet. Das Zittauer Werk passte in diesen Verbund. Die Zittauer Federschmiede mauserte sich schnell zu einem Schwerpunktbetrieb des Waggon- und Fahrzeugbaus. So stammten sämtliche Blattfedern für Phänomen- und später Robur-Lkw aus dem Nachbarbetrieb in der Äußeren Weberstraße.

Der VEB Federnwerk Zittau hatte über eintausend Kunden und war für starke Druckfedern im gesamten Ostblock Alleinhersteller. Die 300 Beschäftigten konnten den Bedarf trotz Dreischichtbetrieb nicht decken. Etwa 20 000 Tonnen Federstahl wurden jährlich verarbeitet, hauptsächlich für die Waggonhersteller Dessau und Ammendorf. Die Drahtstärke für warmgeformte Federn betrug maximal 50 Millimeter. Sowohl die Schweizer Bahn als auch die Bundesbahn oder die schwedische Staatsbahn waren oft zufriedene Kunden. Die Schweizer Abnehmer bescheinigten dem Werkdirektor: Qualität hervorragend, Arbeitsbedingungen schrecklich.

Nach und nach wurden eine große Wickelfeder- und eine Ringfederhalle errichtet. 1986 bekam man einen Großauftrag aus China, der nur mit chinesischen Arbeitskräften zu realisieren war. Dazu wurde in Windeseile ein Wohnheim am Rande des Grundstückes errichtet. Auch über die Wendezeit hinaus wurde noch in Maschinen und Anlagen investiert, eine eher seltene Tatsache im gesamten Osten Neudeutschlands. So wurden ein Duo-Stabwalzwerk, eine Exzenterpresse, eine Kugelstrahlanlage und eine nagelneue Kesselhausanlage errichtet. Bis dahin machten sich die 70 verbliebenen Beschäftigten Hoffnung auf Fortbestand. 1994 kam dann jedoch das Aus.