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Biogas fast ohne Strom

Die Anlage im Kodersdorfer Gewerbegebiet ist eine besondere im Landkreis. Dabei hätte es sie beinahe nicht gegeben.

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© André Schulze

Von Katja Schlenker

Kodersdorf. Langsam kommt ein großer Rechen von oben herab. In aller Ruhe kämmt er sich durch das Substrat am Boden. Das hat ein Lkw aus Polen nach Kodersdorf gebracht. Der hat Maissilage geladen, die in einem der Fermenter landen wird. Seit etwa anderthalb Jahren gibt es die Biogasanlage im Gewerbegebiet. Und sie ist anders als die meisten anderen Anlagen im Landkreis Görlitz. Neben Strom wird dort vor allem Gas für rund 2 700 Haushalte produziert. Etwa 50 000 Tonnen an Maissilage werden jedes Jahr verarbeitet. Hinzu kommen ungefähr 18 000 Tonnen an Rinder- und Schweinegülle sowie rund 13 000 Tonnen Ganzpflanzensilage und Gras, erklärt Betriebsleiter Marvin Förster.

Der anfängliche Plan, überwiegend Hühnertrockenkot in der Anlage zu verarbeiten, ist nicht umgesetzt worden. Der hat Anwohnern Sorgen bereitet, weil dieser Hühnertrockenkot besonders riecht. Und da das Gewerbegebiet relativ nahe am Ort ist, hätte das die Lebensqualität beeinträchtigt. Nun ist auf dem Gelände der Biogasanlage aber kaum etwas von Gülle oder anderen Gärstoffen zu riechen. Und das ist auch Absicht, sagt Stephan Müller von der Schmack Biogas GmbH. Deswegen laden die Lastwagen die Substrate in einer großen Halle ab. Sobald die Laster rausgefahren sind, schließt sich das Tor und der Rechen tut seine Arbeit. Über ein geschlossenes Förderband gelangen die Substrate zur Anlage.

Etwa acht Lkw pro Tag bringen Stoffe nach Kodersdorf. Alle kommen aus einem Radius von maximal dreißig Kilometern, sagt Stephan Müller. Aus Deutschland und Polen werden die Substrate geliefert. Der Anteil macht jeweils etwa die Hälfte aus. Tierische Produkte stammen aber nur aus Deutschland. Zur Sicherheit, damit keine problematischen Stoffe in die Anlage gelangen. Rinder- und Schweinegülle kommen aus den Betrieben in und rund um Kodersdorf. Alles wird sofort verarbeitet. Lediglich ein kleines Silo, das um die 6 000 Tonnen fasst, gibt es im Hof. Das ist notwendig. Denn an Sonn- und Feiertagen dürfen nur wenige Lkw fahren. Die Anlage muss aber auch dann weiterlaufen, wenn keine Laster mit Substraten nach Kodersdorf kommen.

Wenn das Biogas in den Fermentern entstanden ist, geht dessen Weg weiter zur Gasaufbereitung. Zunächst hat das Gas einen Methananteil von etwas über fünfzig Prozent. Alle störenden Stoffe, wie zum Beispiel Schwefel, Wasser- oder Stickstoff, werden entfernt, damit der Methananteil im Gas am Ende um die 95 Prozent beträgt. Wenn das Biogas aufgewertet worden ist, ähnelt es Erdgas und geht ins Netz der Enso. Der Anschluss ist in Kodersdorf direkt vorhanden. Rund 63 Millionen Kilowattstunden an Biogas werden in Kodersdorf produziert, erklärt Stephan Müller. Hinzu kommen etwa fünf Millionen Kilowattstunden Strom. Zum Vergleich: Für Gas werden etwa 30 000 Kilowattstunden pro Jahr laut dem Vergleichsportal Verivox in einem Einfamilienhaus verbraucht. Eine Familie hat einen jährlichen Stromverbrauch von rund 4 000 Kilowattstunden.

Das Gas geht direkt ins Netz und wird dort komplett verbraucht, erklärt Sprecherin Birgit Freund von der Enso Energie Sachsen Ost AG in Dresden. Erdgas sei nach wie vor das am meisten genutzte Heizmedium in Deutschland. So verbraucht zum Beispiel der Freistaat Sachsen pro Jahr so viel Energie wie das gesamte Land Ecuador. Das Bundesland umfasst eine Fläche von zirka 18 420 Quadratkilometern und etwas mehr als vier Millionen Einwohner. In Ecuador leben ungefähr 16 Millionen Menschen auf rund 283 500 Quadratkilometer Fläche.

Im bayrischen Schwandorf, wo die Schmack Biogas GmbH ihren Sitz hat, leben um die 28 000 Menschen. Das Unternehmen hat die Anlage in Kodersdorf gebaut und dann aus der Not heraus übernommen. Denn Auftraggeber für die Anlage ist die Firma AC Nawaro gewesen. Diese wiederum hat zur agri.capital-Gruppe gehört. Das Unternehmen mit Sitz in Luxemburg hat 2014 Insolvenz angemeldet. Nachdem es damals noch einen Versuch gegeben hat, die Firma als AC Biogas GmbH neu zu gründen, hat der bundesweit größte Biogasanlagenbetreiber am 10. September 2014 beim Amtsgericht Münster das Insolvenzverfahren beantragt. „Wir haben die Anlage dann behalten und auch den Firmennamen“, sagt Stephan Müller. Die Schmack Biogas GmbH ist ein Tochterunternehmen der Viessmann Group. Entstanden ist die Firma aus der insolventen Schmack Biogas AG. Diese hat am 20. Oktober 2009 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Was damals folgt, ist die Übernahme von Teilen des Geschäfts durch die Viessmann Group.

Ziel der Schmack Biogas GmbH ist es vor allem, Anlagen zu bauen. „Wir sind Anlagenbauer und suchen einen Investor für die Anlage in Kodersdorf. Wir beabsichtigen, weiterhin die Betriebsführung fortzuführen“, sagt der 36-Jährige. Dabei soll es auch bleiben. Wenn sich ein Investor findet, der sich daran beteiligen möchte, könnten Anteile an der Biogasanlage eventuell verkauft werden.

Vier Mitarbeiter kümmern sich um das Areal neben den Elbe Flugzeugwerken und dem Palettenservice Ilzhöfer. Das ist wichtig, weil sie in Rufbereitschaft sein müssen. Zwar arbeitet die Anlage nahezu von alleine über den Computer gesteuert. „Aber man braucht jemanden vor Ort, der Probleme löst, wenn sich die Anlage meldet“, sagt Stephan Müller. Was am Ende an Substraten übrige bleibt, wird wieder als Dünger verwendet. Allerdings erst, nachdem die Stoffe hygienisiert sind. Das heißt, in einer speziellen Anlage wird das Gemisch eine Stunde lang auf siebzig Grad Celsius erhitzt. Damit soll verhindert werden, dass Stoffe einzelner Agrarbetriebe vermischt werden und sich dabei Keime in den unterschiedlichen Betrieben verteilen.