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Bigamie mit Luthers Beistand

Fast wäre die Reformation durch eine unglückliche Genehmigung des Reformators gescheitert. Zu tun hat’s mit Schloss Schönfeld.

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© Museum Kassel und Hans Krell

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Schönfeld. Keiner sollte es wissen – nur deshalb wurde es genehmigt: So war das schon damals. Vor 500 Jahren zur Lutherzeit. Da lebte die schöne 17-jährige Margarethe von der Sahla auf Schloss Schönfeld. Ihre Mutter, Hofmeisterin Anna, schickte die Tochter als Hoffräulein nach Rochlitz. Dort wurde der hübsche Backfisch entführt.

Margarethe von der Sahla aus Schloss Schönfeld.
Margarethe von der Sahla aus Schloss Schönfeld. © Museum Kassel und Hans Krell

Doch schlimm war das nicht – der „Täter“ war Landgraf Philipp von Hessen, der sich besuchsweise auf Schloss Rochlitz bei seiner Schwester aufhielt. Er hatte sich in die junge Frau verguckt. Das Problem begann erst, als sich 1540 jener Philipp einfallen ließ, sich Margarethe als „zweite Frau zur Linken“ antrauen zu lassen. Mit seiner eigentlichen Gemahlin Christine, einer Tochter Herzog Georgs von Sachsen, hatte er zwar in 16 Ehejahren acht Kinder gezeugt. Doch vielleicht war er seiner Dame überdrüssig, oder sie seiner. Jedenfalls sagte Philipp seiner ersten Frau wie auch immer geartete unangenehme Gewohnheiten nach und pochte auf sein Leibeswohl.

Das alles schilderte jener hessische Landgraf keinem Geringeren als Martin Luther. Was dazu führte, dass Margaretha aus Schönfeld in die Weltgeschichte einging. Denn alles stand im Zusammenhang mit der Reformation, deren 500. Jubiläum dieses Jahr überall begangen wird. Luther und Mitreformator Philipp Melanchthon wurden gebeten, ein Gutachten für diese Bigamie zu fertigen. Sie konnten das Philipp von Hessen nicht abschlagen, denn der unterstützte die Kirchenrevolution schon seit 1521 nach Kräften. Doch des Landgrafen Argumente, dass auch die Fürsten des Alten Testaments mehrere Frauen gehabt hätten, ohne Gott missfällig zu werden, konnte Luther nicht wirklich gutheißen. Sie widersprachen dem Kirchenrecht. Es kam also zu einer verklausulierten kirchlichen Genehmigung unter der Bedingung, „dass es nur wenigen unter dem Siegel der Beichte bekannt werden“ darf. Was aber machten Philipp und die nun 18-jährige Margarethe? Sie heirateten am 9. März 1540 in Rothenburg/Oberlausitz in Gegenwart vieler Hofleute. Die Trauung führte der evangelische Pfarrer Dionysius Melander aus Hirschfeld durch, steht in der Schönfelder Ortschronik. Auch Melanchthon sei anwesend gewesen. Margarethe hieß fortan die linke Landgräfin.

Die Doppelehe wurde freilich ruchbar und brachte große politische Folgen. Luther musste sich aus der Affäre winden und gestand daraufhin, dass er sich „geirrt und genarrt habe“. Melanchthon fiel vor Zerknirschung – so ist es überliefert – in eine schwere Krankheit. Trotzdem nutzten die Gegner der Reformation und besonders der katholische Kaiser Karl V. Philipps Bigamie politisch aus. Aus Furcht vor der Todesstrafe nach weltlichem Recht schloss Philipp von Hessen mit dem Kaiser einen Vertrag. Jener Pakt verhinderte 1543, dass Frankreich und England in den Schmalkaldischen Bund aufgenommen wurden. Weitere dem Protestantismus zugeneigte Länder wurden nicht unterstützt. Der Kaiser gewann den Schmalkaldischen Krieg, der Bund unter Führung von Landgraf Philipp des Großmütigen wurde aufgelöst. Fast schien damit der Protestantismus am Ende. Erst der Augsburger Religionsfrieden 1555 sicherte das Erbe Luthers. Margaretha lebte noch bis 1566, Philipp ein Jahr länger. Beide hatten zusammen acht Kinder, davon sieben Söhne. Laut Chronik starben sie alle sehr früh und unvermählt. Ein Fluch der Nebenehe? Das Land Hessen wurde jedenfalls unter den vier Söhnen aus erster Ehe aufgeteilt. Mit der „Eheirrung“ wird zudem eine unbewiesene Kindstötung im Schönfelder Schloss in Verbindung gebracht. Um 1817 fand man in einem Hohlraum in der Wand einer Geheimtreppe im Schlossturm ein Brett mit einem aufgeschmiedeten Kinderskelett. Historiker Arthur Heidenhain zufolge hat der Landgraf aber insgesamt „eine vorurteilslose Humanität bewiesen, die dem Zeitalter weit vorauseilt“.