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Prozess um Meissen mit Biedenkopf

Im Arbeitsrechtsprozess gegen die Porzellanmanufaktur Meissen hat der gekündigte Chefsyndikus gute Chancen.

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© Matthias Rietschel

Von Ines Mallek-Klein

Meißen/Dresden. Diesen Termin will Kurt Biedenkopf auf keinen Fall verpassen. Sachsens ehemaliger Ministerpräsident fährt gestern überpünktlich kurz nach 11 Uhr mit dem Taxi vor dem Arbeitsgericht in Dresden vor. Verhandelt wird im Saal 8. Der ehemalige Syndikus der Porzellanmanufaktur Meissen, Torsten Bremer, klagt gegen seine fristlose Kündigung. „Es gab keine Vorzeichen. Die Kündigung lag 2015 am Tag vor Weihnachten in meinem Briefkasten“, so Bremer zur Sächsischen Zeitung.

Er war über 30 Jahre für das Unternehmen tätig. 24 davon hat Kurt Biedenkopf als Aufsichtsratschef des Unternehmens begleitet, bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2015. Zur Verhandlung ist Biedenkopf aber nicht als Zeuge erschienen, sondern als sehr interessierter Beobachter. Er verschafft dem Arbeitsrechtsprozess eine Öffentlichkeit, die die Manufaktur gern vermieden hätte. Zwar ist im Jahr 2015 der Verlust des staatlichen Unternehmens von 19,2 auf rund zwölf Millionen deutlich gesunken, doch die Restrukturierung und die Rückkehr zum Kerngeschäft, der Produktion von hochwertigem handbemalten Porzellan, noch lange nicht abgeschlossen.

Vorwurf der Illoyalität

Rechtsanwalt Torsten Bremer hat sie alle erlebt, die guten und die weniger guten Jahre in der Manufaktur. Jahrelang stand er selbst für seinen Arbeitgeber vor Gericht. Beispielsweise 2011, als der ehemalige Geschäftsführer Dieter Gerhardt gegen seinen Rauswurf klagte.

Bremer vertrat die Manufaktur auch, als sie die Marke „Meissen“ schützen lassen wollte und sich dafür mit der Schwerterbrauerei und der Winzergenossenschaft anlegte. „Ich habe nur vollzogen, was Geschäftsführung und Aufsichtsrat beschlossen haben“, so Bremer gestern. Diese Verfahren sind inzwischen beigelegt, nicht aber die gerichtliche Auseinandersetzung mit der Neuen Porzellan GmbH Meissen. Hier ist der Manufaktur die Verwechslungsgefahr zu groß, wogegen die kleine Firma laut protestiert.

Jetzt ist Bremer selbst der Kläger. Sein Rauswurf begründet sich aus zwei Vorwürfen. Bremer soll sich zum einen gegenüber der Geschäftsführung illoyal verhalten haben. Zum anderen wird dem Syndikus vorgeworfen, er habe den Kaufpreis für die Exponate, die an eine eigens gegründete Stiftung gehen, falsch übermittelt.

Es sei zu prüfen, ob diese Vorwürfe überhaupt eine fristlose oder außerordentliche Kündigung rechtfertigen, sagt Richter Veit Dziumla in der Verhandlung. „Für mich steht die Kündigung auf wackligen Füßen“, so der Richter weiter. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht sei in dieser Form ohnehin ungewöhnlich. Trennen sich Firmen von Mitarbeitern der zweiten Führungsebene, einigt man sich normalerweise ohne richterlichen Beistand.

Unterdessen möchte offenbar auch die Porzellanmanufaktur Meissen auf Nummer sicher gehen. Anwältin Annette Knoth überreichte im Verhandlungssaal einen großen weißen Briefumschlag mit einer weiteren Kündigung an Torsten Bremer. Eine Zustellung per Post sei nicht möglich gewesen, weil am Briefkasten der Name fehlte, begründete Annette Knoth diesen ungewöhnlichen Weg.

Bremer möchte sein Arbeitsverhältnis erst zum 31. März 2019 aufheben. Er klagt unter anderem eine Abfindung in Höhe von 18 Monatsgehältern ein und möchte für seine Arbeit bei den Tochtergesellschaften der Manufaktur nachträglich entlohnt werden. Die Geschäftsführertätigkeit dort sei nicht Bestandteil seines Vertrages gewesen, begründet Bremer seine Geldforderungen. Er war Interimsgeschäftsführer bei der Italien-Tochter in Mailand und zeitweise auch in Asien für die Manufaktur tätig.

Kein Geld für Arbeit im Ausland

Dass man den ehemaligen Haus-Juristen offenbar nicht ohne finanzielle Entschädigung loswerden wird, hat man in der Porzellanmanufaktur inzwischen verstanden. Das Arbeitsverhältnis mit Bremer soll aber deutlich vor dem 31. März 2019 beendet werden. Über ein Paket aus Vergütung und Abfindung müsse man noch verhandeln. Nur in einem Punkt will die Manufaktur Meissen mit sich nicht reden lassen: Über die nachträgliche Entlohnung für die Arbeit Bremers im Ausland.

Nach Aussage des Geschäftsführers der Manufaktur, Tillmann Blaschke, trägt der seit September 2015 neu besetzte Aufsichtsrat die Trennung von Bremer einvernehmlich mit. Es gebe in der Zwischenzeit auch einen entsprechenden Beschluss.

Wie teuer der Rauswurf des Syndikus für die Manufaktur wirklich wird, könnte sich am 2. November entscheiden. Dann wollen sich beide Seiten wieder vor Gericht in Dresden treffen. Wahrscheinlicher ist aber eine außergerichtliche Einigung, ohne Öffentlichkeit. Ganz im Stillen.