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Das Leipziger Landgericht verurteilt zwei Manager des einstigen Reise-Riesen Unister wegen Betrugs. Eine Revision gilt schon als sicher.

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© dpa

Von Sven Heitkamp

Leipzig. Seit Januar wurde einer der größten Wirtschafts-Strafprozesse Sachsens in Leipzig verhandelt. Tausende E-Mails und Akten wurden gelesen, reihenweise Zeugen in 40 Verhandlungstagen gehört, mehrere Gutachter geladen. Am Montag hatte das Leipziger Landgericht nun das letzte Wort: Gegen den einstigen Finanzchef des großen deutschen Reiseportal-Betreibers Unister, Daniel Kirchhof, verhängte das Gericht eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung. Außerdem soll Kirchhof eine Geldstrafe von 8 000 Euro zahlen. Er sei schuldig des Betrugs, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und der unerlaubten Versicherungsgeschäfte, so der Vorsitzende Richter Volker Sander. Der früher für den Flugbereich zuständige Holger Friedrich bekam eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten – ebenfalls wegen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn sogar eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren und eine Geldstrafe von 27 000 Euro gefordert. Die Verteidiger hatten dagegen auf Freispruch für ihre Mandanten plädiert.

Um billige Tarife geprellt

Der Leipziger Unister-Konzern war mit selbst kreierten Internetportalen wie www.fluege.de, www.ab-in-den-urlaub.de oder www.kurz-mal-weg.de innerhalb weniger Jahre zu einem Marktführer der Reisebranche geworden. Doch seit mehr als fünf Jahren ermittelte auch die Generalstaatsanwaltschaft wegen diverser Vorwürfe. Als im Sommer vorigen Jahres der Gründer und Kopf des Unternehmens, Thomas Wagner, auf der Suche nach frischem Geld auf Betrüger hereinfiel und mit einem Flugzeug in Slowenien abstürzte, war der kometenhafte Aufstieg des Start-ups endgültig vorbei. Unister ging kurz darauf in die Insolvenz und wurde mittlerweile an verschiedene Investoren verkauft. Im Mittelpunkt des Prozesses stand nun die Frage, ob die Manager ihre Kunden jahrelang bewusst um billigere Tarife geprellt und den Fiskus hintergangen hatten. Das Leipziger Landgericht sah dies eindeutig so: „Wir gehen davon aus, dass Kunden rechtswidrig getäuscht wurden – in der Absicht, sich zu bereichern.“ Laut Richter Sander seien mehr als 41 000 Kunden insgesamt rund 4,8 Millionen Euro Schaden entstanden – in einzelnen Fällen sogar mehrere Tausend Euro. Daneben waren mit den Reisetickets im Internet Versicherungspakete wie „Flexifly“ und „Stornoschutz“ angeboten worden, die laut Urteil jedoch eigentlich als Versicherung hätten zugelassen werden müssen. Daher seien zudem Versicherungssteuern hinterzogen worden.

Für die Manager, die sich weiterhin zu Unrecht verfolgt sehen, fand der Vorsitzende Richter deutliche Worte. Kirchhof sei die „graue Eminenz“ und der „Herr der Zahlen“ im Unternehmen gewesen, so Sander. Er habe sehr wohl gewusst, wie die Portale funktionierten. Kirchhof habe als Unister-Gesellschafter von den Erträgen profitiert und große Vermögen gebildet. „Der Angeklagte war bei dieser Veranstaltung nicht nur Zaungast“, betonte Sander. Er habe „alles mitgetragen“. Kirchhofs Einlassung, in der sich der Manager stundenlang zu den Vorwürfen geäußert hatte, sei streckenweise nicht plausibel, nicht nachvollziehbar und in vielen Punkten widerlegt.

Technik des „Runterbuchens“

Flugbereichs-Leiter Friedrich sei fasziniert von dem verstorbenen Firmenchef Thomas Wagner gewesen, den Richter Sander als „Patriarch“ und „Ideengeber“ bezeichnete. Dessen Devise sei allerdings gewesen: Erlaubt ist, was man kann und nicht, was man darf. „Herr Friedrich war bereit und willig, die Ideen Wagners umzusetzen“, sagte Sander. Ohnehin habe Friedrich die Technik des sogenannten „Runterbuchens“ erst zu Unister gebracht. Mit den Buchungstricks wurden hinter den Kulissen oft deutlich billigere Preise für Flugtickets erzielt, die Preisvorteile aber nicht an die Kunden weitergegeben. Unister sei aber eben nicht als Händler aufgetreten, sondern nur als Vermittler.

Höhere Buchungspreise seien auch an die Kunden weitergegeben worden – Preisvorteile aber nicht. Somit habe Unister Rosinenpickeri betrieben, um seinen Profit zu erhöhen. Das Argument der Angeklagten, das Runterbuchen sei in der Reisebranche seit Jahren üblich, ließ das Gericht nicht gelten. Diese Aussage habe kein Zeuge bestätigt, die Preisvorteile hätten allein dem Kunden zugestanden. Für Unternehmen bestehe eine klare Verpflichtung zur
Gesetzestreue – auch gegenüber der Allgemeinheit, stellte Sander klar. Bei Unister jedoch sei dem unbedingten Willen zum Erfolg und zum Wachstum alles untergeordnet worden. Mitarbeiter, die bei manchen Vorgängen ein ungutes Gefühl äußerten, seien unter Druck gesetzt oder mit Boni geködert worden.

„Ines“ im Visier

Die Manager und ihre Anwälte kündigten bereits Revision an. Damit dürfte der Rechtsstreit noch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe beschäftigen. Der BGH dürfte die Rechtmäßigkeit des Runterbuchens endgültig klären. Parallel soll sich nach dem Willen früherer Unister-Mitarbeiter ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit der sächsischen Ermittler-Einheit „Ines“ befassen. Dazu wurde eine Online-Petition gestartet. „Ines“ habe maßgeblich zum Niedergang der Unister-Gruppe beigetragen, heißt es dort. Die Ermittlungen und die öffentlichkeitswirksamen Razzien in den Unister-Büros hätten erst dazu geführt, dass Kreditlinien zusammenbrachen und Partner ihre Zusammenarbeit einstellten.