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Bewährungsstrafe für den Dorf-Choleriker

In einem Dürrröhrsdorfer Ortsteil verletzt ein ehemaliger Sportler zwei Frauen. Vor Gericht sieht er sich als Opfer.

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© Symbolfoto

Von Yvonne Popp

Schon viele Jahre sind sich Mario G. und seine Nachbarin nicht grün. Warum das so ist, kann heute keiner der beiden mehr sagen. Zugrunde liegt wohl ein langjähriger Streit um das Familienanwesen des 52-Jährigen. Das Gehöft und Ländereien in einem Dürrröhrsdorf-Dittersbacher Ortsteil gehören bis heute seinem Vater. Dieser soll ihm vor Jahren die Übertragung des Anwesens vertraglich zugesichert haben. Nur deshalb, so sagt Mario G., sei er aus den alten Bundesländern nach Sachsen zurückgekehrt und habe Geld in das marode Anwesen gesteckt. Doch Vater und Sohn überwarfen sich. Inzwischen sprechen sie nur noch über Anwälte miteinander.

Aber nicht deshalb steht der ehemalige Leistungssportler diese Woche als Angeklagter vor der Strafrichterin in Pirna. Hier muss er sich wegen Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung verantworten. Denn nicht nur gegen den Vater hegt Mario G. einen Groll. Auch einer Nachbarin ist er alles andere als wohlgesinnt. An diese hatte der Vater vor vielen Jahren ein Stück Gartenland verpachtet. Seit er wieder in Sachsen ist, so behauptet Mario G., habe er nur Ärger mit der Nachbarin. Zankapfel seien seine oft außerhalb des Grundstücks herumlaufenden Hühner. „Wen stört es denn, wenn sich mal zwei oder drei auf die Nachbarwiese verirren?“, fragt der Angeklagte. Nun, die Nachbarin findet es unmöglich, wenn das Federvieh in ihrem Garten scharrt.

Am 16. März dieses Jahres hatte es wieder Zoff um die Hühner gegeben. Der Staatsanwaltschaft zufolge hatte Mario G. die Nachbarin erst wüst und unflätig beschimpft. Dann soll er sie geschubst haben. Doch nicht genug, dass die alte Dame zu Boden ging. Der Angeklagte trat ihr auch noch gegen die Schulter, so die Anklage. Die Seniorin trug von der Attacke mehrere Blutergüsse davon.

Dieser Vorfall war von einer Frau beobachtet worden, die gerade mit ihrem Kind einen nahe gelegenen Spielplatz besuchen wollte. Sie hörte das laute Wortgefecht und sah, wie der Angeklagte eine Grabgabel bedrohlich in Richtung seines Opfers schwang. Energisch forderte sie Mario G. auf, von der alten Dame abzulassen. Das tat er dann auch. Allerdings nur, um schnurstracks über den Dorfbach zu springen und die Zeugin zu attackieren. Sie wurde von ihm ebenfalls massiv beleidigt und so hart umgestoßen, dass sie sich das Handgelenk brach.

„Holen Sie sich Hilfe“

Während G. am ersten Prozesstag noch behauptete, dass beide Frauen von alleine zu Fall gekommen wären, räumt er zum Fortsetzungstermin die Vorwürfe ein. Über seinen Anwalt lässt er erklären, wegen des jahrelang andauernden Streits über die Dürrröhrsdorfer Liegenschaft und anderer Tiefschläge leicht erregbar gewesen zu sein. Zu zwei weiteren Anklagepunkten, wonach er die Nachbarin zu einem späteren Zeitpunkt erneut bedroht und anschließend ihren Sohn mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte, bekennt er sich ebenfalls schuldig.

Auch wenn die Richterin ein Stück weit Verständnis für die Situation des ehemaligen Leistungssportlers hat, dessen Leben in jüngerer Zeit von Fehlschlägen geprägt war, kann sie seine Aggressivität nicht ignorieren. Wegen Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung verurteilt sie Mario G. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Zusätzlich muss er 200 Euro Wiedergutmachung an seine Nachbarin zahlen.

In aller Deutlichkeit macht die Richterin dem mehrfach Vorbestraften klar, dass er schnell wieder vor Gericht landen würde, sollte er an seiner cholerischen Art nichts ändern. Dann würde es aber nicht mehr bei einer Bewährungsstrafe bleiben. „Holen Sie sich Hilfe“, legt sie dem Verurteilten ans Herz.