Christoph Springer
Dresden. Die Katastrophe war ganz nah. Eine Frau verspritzt literweise Kraftstoff im öffentlichen Bereich einer Tankstelle, dabei flutet sie die Stellfläche zwischen mehreren Zapfsäulen. Explosionsgefahr im Dresdner Süden, die Aral-Station muss sofort gesperrt werden. Die Feuerwehr rückt an, sperrt die Tankstelle ab und spült dann den Kraftstoff in den unterirdischen Spritabscheider. Die leichtsinnige Frau wird später festgenommen.
Nächtlicher Tankstellen-Einsatz von Polizei und Feuerwehr
Filmreife Szenen und genau so geschehen in der Nacht zum Dienstag an der Ecke Bergstraße/Südhöhe. Die Täterin: eine 42-jährige Deutsche aus Dresden. Gegen 22 Uhr taucht sie an diesem Abend zum ersten Mal an der Tankstelle auf. Sie kauft Wein. Chardonnay ordert die resolute Dresdnerin, deren Zunge schon etwas schwer ist. Der 23-Jährige am Nachtschalter kann ihr allerdings nur eine Flasche durch die Luke schieben, dann sind die letzten Chardonnay-Reserven aufgebraucht. Schon da wird die Kundin laut, beleidigt den 23-Jährigen und verschwindet.
Eine Stunde später bekommt er es noch einmal mit dieser Kundin zu tun. Die Frau taucht in Begleitung eines Mannes auf und wird erneut laut. Dann greift sie sich wahllos eine Zapfpistole, drückt den Bügel und löst damit die Pumpe der Tanksäule aus. Kraftstoff schießt aus der Zapfpistole und ergießt sich auf den Boden der Tankstelle. Fast eine Minute lang geht das so, dann schaltet der Mitarbeiter in der Tankstelle die Anlage ab. Die Frau und ihr Begleiter verschwinden wieder. Die 23 Liter Diesel, die nun auf dem Tankstellenboden einen See bilden, bezahlen sie natürlich nicht.
Polizeibericht vom 10. 10.
Der 29-Jährige am Nachtschalter hat danach Polizei und Feuerwehr alarmiert. Während die Brandschützer, die aus Kaitz und der Wache Altstadt anrücken, den Kraftstoff aufnehmen und den Boden reinigen, sucht die Polizei nach dem Pärchen. Die Beamten entdecken es an der Kohlenstraße. Die Frau ist betrunken. 2,5 Promille ergibt der Alkoholtest. Sie verbringt die Nacht in einer Polizeizelle. Die Polizei ermittelt gegen die Dresdnerin. Sie muss sich wegen Beleidigung verantworten und steht unter dem Verdacht, eine Brandgefahr herbeigeführt zu haben.
Dass die Attacke keine dramatischen Folgen hatte, ist mehreren Zufällen und technischen Einrichtungen in der Tankstelle zu verdanken. So sprudelt der Kraftstoff nicht in hohem Bogen aus der Zapfpistole. „Der läuft mit geringem Druck flach heraus und trifft direkt davor auf dem Boden aus“, erklärt Thomas Drott, Geschäftsführer des Bundesverbands Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche. Dann können Diesel oder Benzin von selbst in einen unterirdischen Tank laufen, der genau dafür vorgesehen ist, Spritreste aufzufangen. Spült die Feuerwehr den Boden wie in der Nacht zum Dienstag, bildet sich kein Gemisch aus Kraftstoff und Wasser. „Benzin und Diesel sind leichter als Wasser. Sie werden unterirdisch über eine Zwischenwand im Tank getrennt“, erklärt Drott.
Außerdem explodiert der Sprit längst nicht so schnell, wie es häufig in Filmen zu sehen ist. „Dazu muss ein Gasgemisch aus Luft und den Kraftstoffdämpfen entstehen. Dieses Gemisch kann durch eine Flamme in Brand geraten“, sagt Drott. Bei Benzin kann das schnell gehen, Diesel entzündet sich dagegen weniger schnell. Und selbst wenn es brennt, kommt kein Feuer an die unterirdischen Tanks heran. Dafür sorgen flammensichere Gummischläuche an den Zapfsäulen und Ventile, die das Innere der Tanks absichern. Selbst Handytelefonate an Tankstellen sind eigentlich ungefährlich. Wenn aber das Funktelefon herunterfällt, der Akku herausspringt und auf dem Boden auftrifft, könnten Funken schlagen, sagt Drott. „Das kann reichen, um eine Explosion auszulösen. Das ist aber noch nie vorgekommen.“ Der Tankstellenfachmann fügt hinzu: „Man muss ja kein unnötiges Risiko eingehen.“