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Besser als die Semperoper

Die Villa Haniel zeigte sich gestern erstmals seit ihrer Sanierung. Die Dresdner kamen in Massen und staunten über das prunkvolle Luxus-Anwesen.

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© Sven Ellger

Von Lars Kühl

Während sich das Schmuddelwetter draußen in tristem Grau verliert, sind die Besucher der Villa Haniel drinnen von prächtigen Farbspielen begeistert. Zum gestrigen Tag des offenen Denkmals zeigt Besitzer Peter Renatus Vogel das Südvorstädter Haus an der Leubnitzer Straße 7 erstmals seit der Komplettrestaurierung. „Wie in der Semperoper“, staunt ein Gast schon im Treppenhaus über den aufwendigen Stuckmarmor an den Wänden.

Absicht, erklärt Vogel. „Und besser als in der Semperoper.“ Schon lässt er die Besucher in die bewegte Geschichte der Villa eintauchen. Erbaut 1868 nach einem Entwurf des Architekten Edmund Hanefeldt und in Tradition der für Dresden typischen Semper-Nicolai-Schule. Wahrscheinlich als Spekulationsobjekt im späten Klassizismus-Stil. Der ist an der Außenseite des Gebäudes noch deutlich auszumachen. Drinnen wechseln sich Neubarock und Jugendstil ab, denn das Haus wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Immer verbunden mit den wechselnden Eigentümern.

Dazu hat Unternehmer Vogel recherchiert und unter anderem die Bauakte im Stadtarchiv gefunden. 1890 erwarb ein gewisser Hugo Charles Haniel die Villa. Der stammte aus einer steinreichen Coburger Familie. Kurz zuvor hatte er eine Hofopernsängerin geheiratet, die auch noch älter war als er selbst – eine von seiner wohlhabenden Verwandtschaft nicht gern gesehene Liaison. Doch das Paar blieb zusammen und entschied sich für eine Zukunft in Dresden. Das Liebesglück währte aber nur sechs Jahre, dann starb der Mann.

Seine Frau, Anna Sophie Haniel, erbte ein riesiges Industrievermögen. Finanziell ausgesorgt begann sie ab 1901, die Villa im Schweizer Viertel auszubauen: exorbitant, mit allen Schikanen und dem neuesten Schick, was die damalige Zeit hergab. Weil die Dame einen eigenen Musiksaal im Barockstil wollte, wurde unter anderem das Treppenhaus versetzt. Es entstand besagter Marmorprachtbau, der tatsächlich eine Miniaturausgabe des Aufganges in der Semperoper sein sollte und in dieser künstlerischen Vollendung ziemlich sicher der einzige seiner Art in Dresden ist. Zu den Neuerungen zählten aber auch eine Zentralheizung und elektrisches Licht. Die Küche war damals im Keller. Für unangenehme Düfte gab es sogar eine Entlüftung, die mit Wasserkraft lief. Selbst ein römisches Bad ließ Anna Sophie Haniel einbauen. Sie lebte im Luxus, bis sie 1922 auszog.

Vieles von dem konnten die zahlreichen Gäste gestern bewundern. Vogel hatte vier Ferienwohnungen zugänglich gemacht, die drei vermieteten Apartments blieben tabu. Was die Interessierten sahen, beeindruckte sie: bis zu vier Meter hohe Räume, aufwendige Parkettböden mit dicken, bunten Teppichen, verschnörkelter Stuck, filigrane Malereien, leuchtende und dezente Farbspiele sowie wertvollste Materialien wie Marmor und Edelholz.

Doch die Villa Haniel hatte auch ihre schlechten Zeiten. 1933 wurde das Haus mit dem Dach- und zwei Vollgeschossen sowie dem Souterrain zunächst in Etagenwohnungen aufgeteilt. Die Kriegsjahre überstand es trotz Zentrums- und Hauptbahnhofnähe mit geringen Schäden. Ein mutiger Bewohner soll einmal eine Brandbombe wieder herausgeworfen haben.

Erster Besuch nach der Wende

Das hat auch Sonja Eilfeld gehört. Sie lebte als Kind seit 1957 sieben Jahre in der Villa. Gestern war sie nach der politischen Wende das erste Mal wieder in ihrem Kindheitshaus. „Ein bewegender Moment für mich.“ Zu Hause will sie nachschauen, ob sie noch alte Fotos findet, verspricht sie Peter Renatus Vogel. Der ist angewiesen auf Privatarchive, wenn er noch mehr über das Gebäude herausfinden will. Sonja Eilfeld erinnert sich an riesige Gobelins. Und auch daran, wie das Haus zu DDR-Zeiten immer mehr verkam, sie erkennt es jetzt kaum wieder.

Heruntergekommen und zugewachsen kaufte Vogel die Villa 2001 auf dem knapp 2.500 Quadratmeter großen Grundstück. Die aufwendige Sanierung und Restaurierung dauerte bis 2004. Vieles wurde freigelegt. Hinter den Wänden und Decken fand sich noch Erstaunliches. Einiges sogar gut erhalten. Anderes einfach überstrichen, zugemauert oder zerstört. So wie der protzige Vorbau mit dem Glasdach, unter dem in besseren Tagen die Droschken vorfuhren.

Die Verbindung vom Originalen mit Nachempfundenen wurde die große Herausforderung. Im Keller wurde eine Restaurationswerkstatt eingerichtet. Von Erhaltenem wurden Abdrücke aus Spezialkautschuk genommen und danach Formen für den Nachguss hergestellt. An markanten Stellen ließ Vogel „Sichtfenster“, damit der von ihm vorgefundene Zustand nachempfunden werden kann. Die Villa erfüllt heute höchste Denkmalschutzansprüche. Und die Besucher fühlten sich gestern für einen Tag wie auf einer Zeitreise.