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Bescherung für Männer

Besondere Technik und besondere Menschen treffen beim Schmalspurbahn-Festival zusammen.

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© Norbert Millauer

Von Stephan Hönigschmid

Radebeul. Normalerweise ist es ja nicht so ratsam, sich mit Fotoapparat oder Smartphone auf die Gleise einer Bahnstrecke zu stellen und auf den Zug zu warten. Trotzdem war dieses Phänomen am Wochenende auf der Lößnitzgrundbahn von Radebeul nach Radeburg immer wieder zu beobachten. Lebensmüde waren diese Menschen aber nicht, sondern vielmehr eingefleischte Eisenbahnfans, die die 13. Ausgabe des jährlichen Schmalspurbahn-Festivals besucht haben. Vor allem Männern aller Altersgruppen war der Enthusiasmus förmlich anzusehen. Wie Kinder bei der Bescherung am Weihnachtsabend freuten sie sich über jeden Zug, der vorüber fuhr. Auch Thomas Meischner aus Annaberg-Buchholz und Mario Arzt aus Schneeberg drückten am Bahnhof in Moritzburg begeistert auf den Auslöser ihrer Kameras. „Wenn es die Zeit zulässt, sind wir auf allen Schmalspurbahn-Festivals in Sachsen vor Ort“, sagt Meischner, der schon so oft beim Festival auf der Lößnitzgrundbahn dabei war, dass er gar nicht genau sagen konnte, das wievielte Mal es eigentlich war.

Darf nicht fehlen: Das VVO-Maskottchen Mobilus verlässt im Bahnhof von Moritzburg gemeinsam mit vielen Gästen den Traditionszug.
Darf nicht fehlen: Das VVO-Maskottchen Mobilus verlässt im Bahnhof von Moritzburg gemeinsam mit vielen Gästen den Traditionszug. © Norbert Millauer
Drehen am Rad: Zwei Familien mit Kindern fahren im Bahnhof in Radebeul-Ost auf einer Draisine. Das Gefährt wiegt knapp 300 Kilogramm.
Drehen am Rad: Zwei Familien mit Kindern fahren im Bahnhof in Radebeul-Ost auf einer Draisine. Das Gefährt wiegt knapp 300 Kilogramm. © Norbert Millauer
Saubermann: Lokführer Heiko Prautzsch poliert vor der Abfahrt den Führerstand der Dampflok IV K von 1899, welche den historischen sächsischen Zug zieht.
Saubermann: Lokführer Heiko Prautzsch poliert vor der Abfahrt den Führerstand der Dampflok IV K von 1899, welche den historischen sächsischen Zug zieht. © Norbert Millauer

Im Fokus stand für die beiden Werkzeugmacher besonders die Technik der alten Loks. „Die verschiedenen Bauarten und technischen Details halten wir im Bild fest und bauen dann zu Hause alles in Miniatur als Modellbahn nach“, sagt Arzt. Vollkommen anders war die Motivation bei Sabine Dittrich aus Radebeul. Sie sagt: „Ich habe keine Eisenbahnplatte zu Hause, sondern bin wegen meines kleinen Sohnes da.“ Dieser sei ein großer Eisenbahnfan und mag den Lößnitzdackel, aber auch moderne Züge wie den ICE. „Wir sind deshalb auch während der Woche öfters am Bahnhof“, sagt Dittrich.

90. Dampflokgeburtstag

Obwohl sie auch Freude daran hatte, hinter die Kulissen des Eisenbahnbetriebs zu schauen, bedauerte sie, dass in Radebeul nicht ganz so viel los war. „Die Veranstaltung hat sich in den vergangenen zwei Jahren zunehmend nach Moritzburg verlagert“, stellt Dittrich fest. Attraktionen gab es aber trotzdem. So hatte die Radebeulerin unter anderem Spaß daran, mit ihrer Familie Draisine zu fahren.

Neben der 280 Kilogramm schweren Draisine galt die Aufmerksamkeit der Besucher außerdem der 33,5 Tonnen wiegenden Dampflok VI K 99 713, die ihren 90. Geburtstag feierte. Nach einjähriger Restaurierung in Oberwiesenthal war sie wieder voll einsatzfähig und erstmals seit zehn Jahren auf den Gleisen zu sehen. Wer die lange Geschichte der Lok nachvollziehen wollte, hatte in einer Fotoausstellung Gelegenheit dazu.

Einen Hingucker der besonderen Art stellte erneut der Zug der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn aus dem 19. Jahrhundert dar. Punkt 11.28 Uhr setzte er sich am Sonnabend und Sonntag von Radebeul aus Richtung Moritzburg in Bewegung. „Die Lok ist am Freitag von ihrem Standort in Radeburg nach Radebeul gekommen und wurde von einem Nachtschuppenheizer beaufsichtigt“, sagt Karsten Köhler von der Traditionsbahn Radebeul. Sie müsse in der Regel acht Stunden vor der Abfahrt unter Dampf stehen, um sie materialschonend auf Temperatur zu bringen, so Köhler, der bei dem Festival mit 60 Vereinskameraden im Einsatz war.

Auf dem Mottowagen, der gleich auf die grüne Sachsen-Lok folgte, waren diesmal zwei Trafos aus den 1930er-Jahren zu sehen. Danach kamen ein Güterwaggon und sechs Personenwagen. Nimmt man alle Züge zusammen, hatten die Besucher am Wochenende die Wahl zwischen 46 Abfahrten. Wer sich nicht für Eisenbahnen interessierte oder etwas Abwechslung suchte, kam auch auf seine Kosten. So warteten in Moritzburg ein buntes Bühnenprogramm sowie Minitischtennis, Fußballkicker, Beuteldruck und eine Hüpfburg für Kinder auf die Besucher.

Mirko Froß, Eisenbahnbetriebsleiter bei der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft (SDG), die die Veranstaltung gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) und der Traditionsbahn Radebeul organisierte, zog ein positives Fazit: „Wir sind sehr zufrieden. Im Gegensatz zum Vorjahr, wo es einen Regentag gab, hat das Wetter mitgespielt.“ Die Zahl der Besucher habe sich daher um 2 000 auf etwa 10 000 gesteigert, sagt Froß.