Merken

Bergunfall am Höllenhund

Ein Film zeigt, wie in den 1930er-Jahren im Elbsandstein geklettert wurde. Das ist aber nicht die einzige Entdeckung.

Teilen
Folgen
NEU!
© Repro: SZ

Von Peter Ufer

Sächsische Schweiz. Ein Zug aus Dresden fährt in Rathen in den Bahnhof ein. Wanderer und Kletterer steigen aus, setzen mit der Fähre auf die andere Elbseite über, wo der Ferienhof Erbgericht steht und die Felsen in die Höhe ragen. Dort ist noch der vordere Ganskopf zu sehen, den es heute, genau wie das Erbgericht, nicht mehr gibt. In den 1940er-Jahren stürzte der Fels in die Tiefe.

Die DVD Sächsische Filmschätze, speziell aus Pirna und der Sächsischen Schweiz. Spieldauer: eine Stunde. Erhältlich ist die DVD in allen SZ-Treffpunkten für 14,90 Euro. SZ-Card-Inhaber zahlen 12,90 Euro.
Die DVD Sächsische Filmschätze, speziell aus Pirna und der Sächsischen Schweiz. Spieldauer: eine Stunde. Erhältlich ist die DVD in allen SZ-Treffpunkten für 14,90 Euro. SZ-Card-Inhaber zahlen 12,90 Euro. © Repro: SZ

Die Aufnahmen entstanden in den 1930er-Jahren und wurden kürzlich von den Produzenten der DVD „Sächsische Filmschätze – Pirna und Sächsische Schweiz“ in einem privaten Archiv gefunden. Das Elbsandsteingebirge präsentiert sich in dem Streifen als Ausflugsidylle der Einwohner aus Dresden, das längst zu einer Industriestadt mit über 600 000 Einwohnern gewachsen war.

Die Dresdner suchten Erholung in dem nahegelegenen Gebirge. Herren wanderten zum Sonntagsausflug mit Anzug und Krawatte, Damen mit langem Rock und feinem Hut, Kinder bekamen im Wald Musik- und Naturkundeunterricht.

Die entdeckten Filme waren ohne Ton, so dass erst Recherchen ergaben, dass für eine bestimmte Aufnahme die Akteure extra an die Rübezahlstiege bei Schmilka geschickt wurden, um dort auf erheiternde Weise zu exerzieren, wie Touristen versuchen, Gipfel zu erklimmen. In einer Szene steigt ein Paar in die Felswand, ein Windstoß wedelt den Rock der Dame nach oben, und all die darunter liegenden Textilien kommen zum Vorschein. Ein echter Spaß.

Der Gaudi setzt sich fort, denn in einer weiteren Szene feiert eine Trachtengruppe in Lederhosen auf den Felsen ein zünftiges Fest. Zunächst konnte nicht exakt ermittelt werden, ob es sich bei der Feier tatsächlich um Aufnahmen aus der Sächsischen Schweiz handelt.

Doch sowohl die Analyse der Umgebung, als auch Hinweise vom Sächsischen Bergsteigerbund ergaben, dass es sich hier um die sogenannten „Frankensteiner“ handeln muss, die im Elbsandstein das Brauchtum aus den bayerischen Alpen pflegten.

Ein weiterer Film zeigt eine Rettungsaktion eines verletzten Bergsteigers, der auf einen Stamm eingestrickt wird, um ihn vom Berg abzuseilen. Ganz ohne Karabiner und Abseilhaken, denn die gab es damals noch nicht. Eine höchst riskante Aktion am Alten Weg im Höllenhund. Heute würde die Bergwacht vermutlich streiken, wenn sie mit derlei Material zu einem Unfall ausrücken müsste.

Doch der Verletzte konnte damals ohne zusätzliche Blessuren in die Pension am Amselgrund gebracht werden. Die Bilder sind schon deshalb historisch wertvoll, weil solch eine Rettungsaktion kein zweites Mal gefilmt wurde und es sich bei der Pension um die einstige Kultkneipe der Bergsteiger handelt. Bis 1956 hatte dort die Bergwacht ihr Domizil, um dann zum benachbarten Amselsee umzuziehen.

Die „Filmschätze“ bewahren die Zeit auf. Nicht nur das Klettern in der Vergangenheit wird wieder sichtbar, sondern mit dieser DVD erleben Zuschauer eine 50-jährige Zeitreise durch Pirna und die Umgebung. Hoch spannend die Aufnahmen aus den 1920er- und 1930er-Jahren, genau wie die Streifen aus den 1960er-Jahren, die Pirna als aufstrebende sozialistische Stadt zeigen, aber zugleich den Verfall der Altstadt offenbaren.

Für diese Produktion arbeitete der Dresdner Filmemacher Ernst Hirsch mit dem Pirnaer Film- und Videoklub zusammen. Es ist bereits der fünfte Teil in der Reihe „Filmschätze“. Die ersten vier Teile der Serie zeigen 100 Jahre Dresdner Geschichte, von 1910 bis in die Gegenwart.