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Beredte Zeugen aus Wien

Zwei Versicherungsangestellten aus Österreich war der Dresdner Finanzdienstleister nicht ganz geheuer. Geschäfte mit ihm haben sie trotzdem gemacht.

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Von Ulrich Wolf

Der Ausflug in die Welt der Versicherungswirtschaft erfordert Grundwissen. „Was bedeutet IRM?“, fragt der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats. „Integrated Risk Management“, antwortet der Zeuge trocken. Von Beruf ist er Risikomanager bei Österreichs zweitgrößter Versicherung, der Uniqa in Wien. Und davor war er Risikomanager bei der Nummer zwei in Deutschland, der Ergo. Die hat eine Tochter in Luxemburg. Und die hat Geschäfte mit der Infinus-Gruppe gemacht.

Und deshalb sitzt Götz Cypra am Donnerstag auf dem Zeugenstuhl vor der fünften großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden. Er macht einen nervösen Eindruck, vollendet selten einen Satz, zuckt oft mit den Schultern. Im Juni 2012 sei es gewesen, als er die im Infinus-Prozess wegen Betrugs angeklagten Ex-Manager Jörg Biehl und Kewan Kadkhodai erstmals getroffen habe, sagt er. „Es sollte sichergestellt werden, dass im Falle einer Infinus-Insolvenz dem Ergo-Konzern kein Schaden entsteht.“ Der Deal zwischen Ergo und Infinus lief Cypra zufolge nach dem folgenden Muster: Infinus schloss Lebensversicherungen ab; als versicherte Personen der Policen trugen die Finanzgruppe ihre eigene Mitarbeiter, Makler und deren Angehörige ein. Die Provisionen für die Geschäfte flossen zurück an Infinus-Firmen. Mit solchen Eigengeschäften, so vermutet die Staatsanwaltschaft Dresden, habe Infinus seine Bilanzen künstlich aufgebläht, um Anleger für Orderschuldverschreibungen zu begeistern. Einerseits. Andererseits: „Uns wurde klar, dass Infinus die Erträge aus den Provisionen brauchte, um die Zinszahlungen für die Anleger zu finanzieren,“ sagt Cypra, der am Institut für Versicherungswissenschaften der Universität Leipzig ausgebildet wurde. Dass eine Firma selbst direkt in Lebensversicherungen investiert, „war für mich ein neues Modell“. Da hätten die Alarmglocken geklingelt. Inten sei auch das Stichwort „Schneeballsystem“ gefallen.

Seinem früheren Arbeitgeber sei es auch um die eigene Reputation gegangen, „falls die Finanzierung bei Infinus zusammenbrechen sollte“. Er, Cypra, habe bei den Dresdnern „ein ungutes Gefühl und erhebliche Zweifel hinsichtlich der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells“ gehabt.

Seine damaligen Chefs machten dennoch weiter. Auf Nachfragen von Biehl-Verteidiger Ulf Israel räumte Cypra ein: „Der Nutzen des Geschäfts mit Infinus war für Ergo am Ende höher als die Risiken.“ Nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung Handelsblatt nährte Ergo den Provisionsfluss bei Infinus mit mehr als 70 Millionen Euro. Cypra sagte zum Umfang der Ergo-Infinus-Deals, der sei ihm nicht bekannt. Er wusste auch nicht, wie der Verteidiger vom ebenfalls beschuldigten Infinus-Manager Jens Pardeike, Thomas Zeeh, herausfand, dass seine eigene Tante bei Infinus „erheblich angelegt“ hatte - nach SZ-Informationen 65 000 Euro.

Auch dem Zeugen Mathias Frisch, studierter Mathematiker, stießen die Verträge von Infinus sauer auf. Der 48-Jährige leitet die Abteilung Lebensversicherung bei der Wiener Städtischen, Österreichs Nummer eins. In seinem Haus seien den Mitarbeitern Eigengeschäfte verboten. Daher sei stets „ein schaler Beigeschmack“ geblieben. Infinus habe - anders als zugesagt - nur einen geringen Teil der Policen mit Privatkunden abgeschlossen. Stattdessen habe allein ein einzelner Infinus-Vermittler aus der Oberpfalz acht hochvolumige Verträge auf sich sowie nahe Bekannte und Verwandte abgeschlossen. Für jeden Abschluss hätten Infinus rund sieben Prozent Provision zugestanden.

Im Frühjahr 2013 habe die Wiener Städtische die Reißleine gezogen und infinus-interne Eigenverträge nicht mehr angenommen, im Sommer 2013 habe er, Frisch, dann die erste Geldwäschemeldung beim österreichischen Bundeskriminalamt gemacht.

Der Prozess soll am Montag fortgesetzt werden.