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Benzinduft und die große Freiheit

Am Wochenende startet die Höckendorfer Oldtimer-Rallye in ihre 17. Auflage. Mit dabei ist auch ein echtes Urgestein.

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© Frank Baldauf

Von Jane Jannke

Höckendorf. Die Strecke ist so gut wie abgesteckt, die Motoren sind geölt. Um Punkt 10 Uhr am Sonntag fällt der Startschuss zur 80 Kilometer langen Ausfahrt unter internationalen Rallye-Bedingungen auf dem Höckendorfer Marktplatz. Mehr als 100 Fahrzeuge hatten ihre Teilnahme bis zum Mittwoch gemeldet - mit weit über 200 Insassen. Damit wird der Starterrekord aus dem Vorjahr von 127 Fahrzeugen vermutlich nicht geknackt. Initiator Olaf Schwalbe vom Höckendorfer Hotel „Zum Erbgericht“ ist trotzdem zufrieden. Mehr Sorge dürfte ihm der Blick auf die Wetterkarte bereiten: Nach den beiden letzten heißen Tagen steht am Wochenende unberechenbares Waschküchenwetter mit hoher Unwettergefahr auf dem Programm. Wie es sich anfühlt, wenn die Rallye urplötzlich ins Wasser fällt, wissen Schwalbe und viele der häufig seit Jahren startenden Teilnehmer gut: 2014 musste sie wegen Dauerregens abgesagt werden.

Doch wer wirklich Benzin im Blut hat wie der Höckendorfer Gunter Schmelzer, den beeindrucken solche Prognosen wenig. In Lederkluft und mit Rauschebart – so kennt man ihn in Oldie-Kreisen. Seit vier Jahren geht der 66-Jährige regelmäßig mit seinem Lieblingsstück an den Start. Nicht auf vier, sondern auf zwei Rädern, denn auch Motorräder sind neben Pkw und kleinen Traktoren bei der Rallye zugelassen. Nur alt müssen sie sein. 500 Kubikzentimeter Hubraum und vergleichsweise niedliche acht PS – das sind die Merkmale von Schmelzers D-Rad R-04, Baujahr 1925. Seit fast zehn Jahren ist das Stück in seinem Besitz, gekauft bei einem Sammler in Annaberg-Buchholz. Es ist das älteste Fahrzeug, das am Sonntag auf die Strecke geht. Aber auf Geschwindigkeit und Leistung kommt‘s auch nicht an bei der Oldtimer-Rallye, weiß der Sammler, der die genaue Zahl seiner Zweiräder nicht verraten will. „Hier geht es darum, diese alten Gefährte einmal auszufahren, dabei zu sein“, so der Motorrad-Freak.

Strecke über 80 Kilometer

Allerdings ist auch Köpfchen gefragt, um am Ende einen der begehrten Preise abzuräumen. Denn unterwegs gilt es, an den Durchgangskontrollen Aufgaben zu lösen, die jeder bereits vor dem Start ausgehändigt bekommt. Wer am Ende die wenigsten Strafpunkte hat, siegt in seiner jeweiligen Kategorie. Weiterhin werden das beste Damen-Team, die originellsten Umbauten sowie das älteste und das schönste Fahrzeug gekürt. Doch zunächst geht es über 80 Kilometer auf die Straße. In Dippoldiswalde steht der erste von vier Stopps auf dem Marktplatz an. Anschließend führt die Strecke über Rabenau und Niederfauendorf nach Schmiedeberg ins Pöbeltal, dann weiter über Reichenau und Bobritzsch sowie über Pretzschendorf, Klingenberg und Dorfhain wieder nach Höckendorf.

Für Gunter Schmelzer steht der Spaßfaktor im Vordergrund. Schon seit seiner Jugend schraubt und bastelt der 66-Jährige, damals noch an Awos. „Zu DDR-Zeiten war das Motorrad das Hauptfortbewegungsmittel – und die Awo die Maschine schlechthin“, erzählt Schmelzer. Motorrad fahren – das sei die ganz große Freiheit. Wenn’s mal schneller gehen soll als die 80 km/h, die die gute alte R-04 maximal zustande bringt, greift er zur 1200er-BMW. „Da kann man richtig Gas geben.“ Im Gegensatz zur R-04 sogar halbwegs gefahrlos, denn das gute alte Stück hat keine konventionelle Bremse. Schon deshalb wird Gunter Schmelzer die Dinge am Sonntag gelassen angehen. Mit dabei ist dann die ganze Familie: die Ehefrau samt Enkeln am Streckenrand, Sohn Jürgen mit seinem Trabi mit auf Tour. Kein Wunder, denn das Oldiefieber liegt bei Schmelzers einfach in der Familie.