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Benzin im Blut

Stromhardt Kraft war einer der bekanntesten Rennfahrer der DDR. Auch mit 72 Jahren kann der Oberlausitzer vom Motorsport nicht lassen.

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© André Braun

Von Constanze Knappe

Ältere werden sich an den Mann mit dem ungewöhnlichen Vornamen erinnern. Zu DDR-Zeiten düste Stromhardt Kraft über die Rennstrecken der sozialistischen Länder. Um die Traditionen des einstigen Motorsports im Osten zu bewahren, gründete er 2004 die Rennserie „Historische Automobilrennsport Interessen Gemeinschaft Ostdeutschland“ (Haigo). Ans Aufhören denkt der 72-Jährige bisher nicht.

Stromhardt Kraft beim Rennen: Er fuhr Motorrad, aber auch Auto. Mit dem Bischofswerdaer Heinz Fröhlich baute er sogar einen Renntrabi auf.
Stromhardt Kraft beim Rennen: Er fuhr Motorrad, aber auch Auto. Mit dem Bischofswerdaer Heinz Fröhlich baute er sogar einen Renntrabi auf. © privat

Hallo, Herr Kraft, Sie haben für Ihr Alter aber eine junge Stimme. Wie geht es Ihnen denn?

(Er lacht). Gut. Ich bin glücklich, dass es mir noch so gut geht, und froh, dass ich bei all den Verletzungen, die ich hatte, noch laufen, schwimmen und Rad fahren kann.

Sie stammen aus Frankenthal, leben seit 1978 bei Nossen. Haben Sie noch Verbindungen zu Ihrer alten Heimat?

Na klar. Zur Fahrschule Freudenberg, der Autolackiererei Langner, zu Joachim Nißel, der früher einen Schlüsseldienst hatte und mein Sponsor war, und zu anderen. Wir treffen uns noch manchmal.

Am Mittwoch lesen Sie in Bischofswerda aus Ihrem Buch „Ich wollte Weltmeister werden“. Sind Sie aufgeregt?

Ja. Es ist meine 16. Lesung. Nirgendwo vorher war ich so nervös wie jetzt. Das liegt wohl daran, dass viele Leute in Bischofswerda und Umgebung einiges miterlebt haben, was ich erzählen werde. Ich freue mich darauf und bin gespannt, wie die Zuhörer darauf reagieren werden.

Sie wären gern Weltmeister geworden. Warum erfüllte sich der Traum nicht?

Ich hatte zweimal die Möglichkeit, an Weltmeisterschaften teilzunehmen. Beim ersten Mal waren politische Dinge im Spiel. Als 20-Jähriger habe ich 1963 die Zusammenhänge nicht verstanden. Und 1967 machte mein Unfall alle Chancen zunichte. Danach war es für Fahrer aus der DDR mit der Weltmeisterschaft vorbei.

Sind Sie traurig darüber?

Ja. Bis heute schwingt da ein bisschen Wehmut mit. Wenn ich bei den Lesungen darüber spreche, wird es immer ganz mucksmäuschenstill im Saal.

Wie kamen Sie zum Motorsport?

Durch meinen Cousin Helmut Rischer aus Frankenthal. Als ich 1952 nach dem Besuch eines Rennens in Dresden meiner Mutter sagte, dass ich Rennfahrer werde, hat sie nur darüber gelächelt. 1960 musste sie dann meinen Vertrag unterschreiben, weil ich ja noch nicht volljährig war.

Der schwere Unfall im Juni 1967 hätte Sie fast das Leben gekostet. Und dennoch sind Sie einige Monate später wieder ins Kart gestiegen. Wie motiviert man sich da?

Nach meinem Unfall war ich zu 75 Prozent erwerbsunfähig. Im Sportsanatorium in Kreischa haben sie mich wieder hingekriegt. Bis 1971 habe ich 22 Kart-Rennen gewonnen. Überall, wohin ich als Motorradrennfahrer kam, freuten sich die Leute. Ab 1972 habe ich mit Heinz Fröhlich in Bischofswerda einen Renntrabant aufgebaut. Als ich damit 1974 das erste Mal wieder auf dem Sachsenring an der Unfallstelle vorbeifuhr, kamen mir ernsthafte Zweifel, ob die Rückkehr in den Motorsport richtig war. Aber bereut habe ich es nicht.

Sie haben 46 Pokale, waren DDR-Vizemeister. Was war das schönste Erlebnis Ihrer Rennfahrerkarriere?

Da gibt es zwei. Als ich 1967 in Kreischa zum ersten Mal wieder selber laufen konnte, habe ich vor Freude Rotz und Wasser geheult. Und als ich 1996 in England vor 41 internationalen Fahrern gewann, habe ich den Siegerkranz meinem Cousin umgehängt, der war da schon über 80 und hat vor Freude bitterlich geweint.

2001 haben Sie Ihren Rennoveral endgültig an den Nagel gehängt und wollten im gleichen Jahr mit der Haigo eine historische Rennserie gründen. Warum hat das bis 2004 gedauert?

Ich habe mir in England, dem Mutterland des Motorsports, abgeguckt und erklären lassen, wie man eine solche Rennserie auf die Beine stellt. Als ich meine Ideen 2001 vor 58 Fahrern auf dem Sachsenring erklärte, waren die meisten dafür. Aber es gab auch Gegenwind, weil mancher meinte, ich wollte mich nur profilieren. Das hat mich sehr getroffen. 2004 kamen sie dann auf mich zu. Im tschechischen Most haben wir die Haigo gegründet.

Wie schwierig ist es, eine solche Rennserie am Leben zu erhalten?

Sehr schwer. Die Finanzdecke ist sehr dünn. Die Betreiber der Rennstrecken wollen zu Jahresbeginn zehn Prozent Anzahlung, um sicherzugehen, dass wir im Laufe des Jahres auch wirklich dort unsere Rennen veranstalten. Ein Start kostet an die 20 000 Euro. Man weiß aber nie, wie viele Fahrer mitfahren, das lässt mich manchmal nicht schlafen. Zum Glück habe ich Unterstützung in der Fahrerschaft.

Wer fährt bei der Haigo mit?

50 Fahrer in 25 historischen Touren- und 25 Rennwagen. Sie sind zwischen 19 und 70 Jahre alt.

Ist die Rennserie für 2015 gesichert?

Aber ja. Die Termine für die zwölf Rennen, darunter auf dem Lausitzring und in Oschersleben, stehen fest. Seit drei Jahren bin ich mit der Rennserie bei der FIA in Paris, der höchsten Organisation im Rennsport in der Welt, registriert. Diese Lizenz braucht man, wenn man mindestens einmal im Jahr im Ausland starten will. Wir fahren auch in Polen und Tschechien. Ich halte die Vorschrift für überholt, wir leben ja längst in einem vereinten Europa.

Was hat Ihnen der Motorsport gegeben?

Er hat mir alles gegeben, aber auch alles genommen. Alles, was ich bin, bin ich durch den Motorsport. Überall, wo ich hinkomme, werde ich herzlich begrüßt. In England sagte mal jemand, ich sei einer, der mit kleinem Gepäck durch die Welt reist. Denn nach Familie, Haus und Hof stand mir damals nicht der Sinn. Mein Hobby hat mein ganzes Geld gefressen. Heute lebe ich von einer kleinen Rente und bin froh, mein eigenes Grundstück zu haben.

Stromhardt Kraft ist Gast des zweiten Sportlerstammtisches der Buchhandlung Heinrich am Mittwoch 19 Uhr im Kirchgemeindehaus Bischofswerda, Kirchplatz 2. Eintritt: vier Euro. Anmeldung erforderlich. 03594 7779595