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Benni Kirsten muss Dynamo verlassen

Dynamo plant nicht mehr mit dem Torwart. Für ihn wird der Abschied eine emotionale Herausforderung.

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© Robert Michael

Von Sven Geisler

Dresden. Es ist 20.20 Uhr, als Benjamin Kirsten gestern Abend die überraschende Nachricht auf seiner Facebook-Seite öffentlich macht: Für den Torwart geht die Zeit bei Dynamo Dresden nach sieben Jahren mit der Saison zu Ende. „Trotz positiver Signale im Vorfeld“ habe ihm der Verein mitgeteilt, dass er und der künftige Trainer Uwe Neuhaus nicht mehr mit ihm planen, schreibt Kirsten in seinem Statement, das ihm alles andere als leicht gefallen sein muss. Der 27-Jährige erklärt: „Der Abschied ist für mich eine echte emotionale Herausforderung.“

Mit Kirsten muss der zurzeit dienstälteste Profi die Schwarz-Gelben verlassen. Im Sommer 2008 kam der Sohn von Dynamo-Legende Ulf Kirsten nach einem Zwischenstopp bei Waldhof Mannheim von Bayer Leverkusen nach Dresden. Kritiker meinten, es sei ein Freundschaftsdienst von Ralf Minge – damals in seiner ersten Amtszeit als Sportdirektor – für seinen Kumpel Ulf. Doch Benny zeigte, dass er nicht nur den Nachnamen seines Vaters mitbringt, sondern den gleichen Ehrgeiz.

Über sich hinaus gewachsen

Anfangs von manchem belächelt stieg er erst zum Ersatztorwart auf, bevor ihn Ex-Trainer Matthias Maucksch im Februar 2011 zur Nummer eins erklärte. In den Relegationsspielen gegen Osnabrück wuchs der wegen seiner nur 1,82 Meter Körpergröße von einigen argwöhnisch betrachtete Kirsten über sich hinaus. Trotzdem musste er sich nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga neu beweisen – was ihm eindrucksvoll gelang.

In der Saison 2012/13 hielt er fünf von sieben Elfmetern und war ein Garant für den Klassenerhalt. Mit einem Notendurchschnitt von 2,83 erhielt er im Fachmagazin Kicker die beste Bewertung aller Zweitliga-Profis. Insgesamt stand er in 124 Pflichtspielen, davon 74 in Liga zwei und drei im DFB-Pokal, bei den Dynamo-Profis zwischen den Pfosten. Kirsten blieb als einer von nur acht Spielern nach dem Abstieg vor einem Jahr. Erst Anfang dieser Woche bezeichnete er „die drei Tage nach Bielefeld“, der entscheidenden Niederlage, als die bisher schlimmsten in seiner Karriere.

In der Radio-Dresden-Sendung „19:53 – der Dresdner Fußballtalk“ ließ Kirsten seine Zukunft offen, wiederholte aber, was er schon im Februar der SZ gesagt hatte: „Wie ich zu Dynamo stehe, muss ich wahrscheinlich niemandem mehr beweisen.“ Doch mit dem künftigen Trainer und nach der in dieser Woche bekannt gewordenen Trennung von Torwartcoach Thomas Köhler haben sich die Vorzeichen offenbar geändert. Neuhaus scheint von Kirstens Qualität weniger überzeugt zu sein. Das geht aus einer Stellungnahme von Minge hervor, die der Verein gestern Abend per Pressemitteilung verbreitete. Es sei der Wunsch des neuen Cheftrainers, auf der Torwartposition einen Umbruch zu vollziehen und einen neuen Schlussmann neben Patrick Wiegers zu verpflichten, heißt es.

Mit Wiegers war der Vertrag Mitte März bis 30. Juni 2017 verlängert worden. Minge hatte damals auf Nachfrage erklärt, auch mit Kirsten gesprochen zu haben. Das klang nicht nach einer Trennung. Und der Sportchef räumt ein, dass es ihm alles andere als leicht gefallen ist, ihm nun das Aus bei Dynamo verkünden zu müssen. „Benni ist zu einer echten Identifikationsfigur geworden“, erklärt Minge und bedankt sich für die Zusammenarbeit und die Leistungen. Nette Worte als schwacher Trost.

„Für mich endet damit am Saisonende ein Lebenstraum. Ich hätte hier gern mit einem sportlichen Höhepunkt abgeschlossen“, schreibt Kirsten. „Leider ist in dieser Saison wohl einfach zu viel schief gelaufen.“ Dabei konnte er nichts dafür, dass er seinen Stammplatz verlor.

21 Spiele hatte er solide gehalten, doch im Heimspiel gegen Energie Cottbus kurz vor Weihnachten spürte er, dass mit seiner rechten Hand etwas passiert war. Er wollte weitermachen, aber die Schmerzen gingen nicht weg. „Der Arzt konnte nicht ausschließen, dass etwas gebrochen ist, also musste ich mich zum ersten Mal in meiner Karriere wegen einer Verletzung auswechseln lassen“, erzählte er im Gespräch mit der SZ. Kirsten hatte sich einen Mittelhandbruch zugezogen. Wiegers nutzte seine Chance und gehört in der schwachen Rückrunde zu den wenigen Dresdnern in Normalform. Für den Trainer gibt es also keinen Grund für einen erneuten Torwartwechsel. Kirsten hat aber nicht etwa klein beigegeben, sondern sein Trainingspensum aufgestockt. „Selbstzufriedenheit wäre für mich ein Riesenproblem. Vielleicht liegt das bei uns in der Familie.“

Vater Ulf geht nun intensiv auf die Suche nach einem neuen Verein. „Ich habe noch keinen Plan B, werde aber jetzt mit Hochdruck daran arbeiten“, schreibt Kirsten junior, der sich über die Facebook-Nachricht hinaus vorerst nicht weiter äußern wird. „Ich kann diese ,Für-immer-Dynamo’-Zitate nicht wirklich leiden, aber ich werde immer mit Stolz und mit erhobenem Kopf an eine geile Dynamo-Zeit denken“, schreibt er. Vielleicht gibt es ja irgendwann ein Zurück.