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Bekommt Pirna wieder einen Tanzsaal?

Pirnas OB präsentiert seine Visionen für eine zweite Amtszeit – und überrascht mit einem fast vergessenen Schatz.

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© SZ/Thomas Möckel

Von Thomas Möckel

Pirna. Von außen ist dem Weißen Roß in Pirna nicht anzusehen, was in ihm steckt. Eine Tür, ein paar Fenster zur B 172, das war’s, denken viele. Dabei erstreckt sich hinter der Gaststube ein gewaltiges Ensemble mit wettkampftauglicher Kegelbahn, Gesellschaftszimmern, Büros und Ferienwohnungen. Über alldem thront ein fast vergessener Schatz: ein riesiger Tanzsaal, erbaut 1903, innen elf Meter hoch, mit Parkett, Bühne und Orchestergraben. Bei bestuhlten Veranstaltungen finden 400 Gäste im Saal Platz, ohne auf eine Tanzfläche verzichten zu müssen.

Das massentaugliche Tanzlokal hatte früher einen festen Platz im gesellschaftlichen Leben. Es gab Konzerte, Schülertheater, Tanzstunden, Abschlussbälle, der frühere CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Gregert hat als Jugendlicher im Saal geboxt. Doch eine nicht zu bewältigende Großreparatur brachte das vorläufige Aus. „Seit 1986“, sagt Klemens Kosok, Inhaber des Weißen Roßes seit 37 Jahren, „wird der Saal nicht mehr genutzt.“ Eine defekte Heizung und fehlendes Material zwangen Kosok, den Raum einstweilen aufzugeben. Aber möglicherweise wird das Schätzchen bald schon entstaubt.

Das ganze Ensemble ist Teil einer großen Vision, die Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) für eine zweite Amtszeit mit sich trägt. Pirna, sagt er, bauche endlich wieder ein gescheites Kulturhaus. Die Einsicht entspringt dem Umstand, dass es im Kulturstätten-Getriebe mächtig hakt. Zunächst bemühte sich die Stadt mit einem Investor, das frühere Kreiskulturhaus Tanne zu reanimieren, die Pläne scheiterten allerdings. Und bei der dünnhäutigen Herderhalle stößt die Stadt schon länger an Grenzen. Weil eine Dämmung fehlt, sind längst nicht mehr alle Veranstaltungen möglich, erst vor Kurzem flogen bis auf Weiteres die Veranstalter der Ü-30-Partys raus. Und im Innern bleibt es eine schmucklose Turnhalle, in der nicht wirklich Veranstaltungsflair aufkommen will. „Wir brauchen einen Saal“, sagt Hanke, „wo wir nicht mehr den Spagat zwischen Sport und Veranstaltungen stemmen müssen.“

Die Suche nach Alternativen gestaltete sich schwierig, weil es kaum welche gibt. Ein noch existierender Saal im Schwarzen Adler erwies sich als zu klein für die Zukunftspläne. Übrig blieb das Weiße Roß. Hankes erstes Fazit: Es erscheine grundsätzlich als machbar, dem Saal und auch dem Ensemble ringsum als Veranstaltungsstätte wieder Leben einzuhauchen. Aus Sicht des Rathauschefs sprechen gleich mehrere Vorzüge dafür.

Der Schall muss drinbleiben

Zum einen liegt das Parkhaus Stadtmitte an der Ecke B 172/Robert-Koch-Straße in der Nähe, der an der Herderhalle so oft gerügte andauernde und lautstarke An- und Abreiseverkehr bei Veranstaltungen würde somit am Weißen Roß kaum ins Gewicht fallen. Zum anderen liegt das Gebäudeensemble bauplanungsrechtlich in einem sogenannten Mischgebiet, in dem Gewerbe und Veranstaltungsstätten grundsätzlich zulässig sind. Darüber hinaus ist das Weiße Roß in ein Stadtumbau-Fördergebiet integriert, aus dem auch schon Zuschüsse für die Sanierung der Häuser gegenüber – Breite Straße 2 bis 8 – flossen. Die Chancen stehen gut, dass es auch für den auferstehenden Kultursaal Fördermittel geben kann.

Wie hoch die Sanierungskosten einmal sein werden, vermag Hanke derzeit noch nicht zu schätzen. Feststeht: Das Haus muss grundlegend hergerichtet und modernen Standards angepasst werden, zudem ist eine ordentliche Schalldämmung Pflicht, sollen in dem Saal wie geplant auch wieder Discos über die Bühne gehen. Laut Kosok spricht allerdings einiges dafür, dass die Modernisierungskosten durchaus beherrschbar bleiben könnten. So sei der Saal weder baufällig, noch haften ihm gravierende Mängel an. „Er muss halt wieder hergerichtet werden“, sagt er. Die zugemauerte Bühne ließe sich leicht wieder öffnen, die nur von außen zugemauerten Fenster könnten ohne riesigen Aufwand wieder lichtdurchlässig werden. Ein Problem bleibt allerdings.

Das Haus gehört derzeit Klemens Kosok, und Pirna kann als Stadt schlecht ein privates Gebäudeensemble mit öffentlichen Fördergeldern sanieren. Aber auch dafür hat Hanke eine Vision. Dem Beispiel des Gebäudekomplexes Breite Straße 2 folgend, könnte die Stadt oder eine städtische Gesellschaft das Weiße Roß übernehmen. Das Ensemble Breite Straße 2 kaufte die Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna (SEP), sie lässt es herrichten und zieht im Januar 2017 selbst in das Gebäude ein. Ausgehend davon könnte sich Hanke vorstellen, den Dienstsitz der Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna (KTP) ins Weiße Roß zu verlagern, ausreichend Büroräume sind vorhanden. Nähme ein solches Projekt Gestalt an, würde es am Verkäufer nicht scheitern: Kosok, längst im Rentenalter, wäre bereit, das Objekt dann auch zu verkaufen.

Hanke ist sehr optimistisch, dass seine Vision eines Tages Wirklichkeit wird. Keinesfalls will er – so er denn wiedergewählt wird – in der nächsten siebenjährigen Amtszeit nicht nur über das Projekt sprechen, sondern auch Taten folgen lassen. „Mit all dem, was im Weißen Roß vorhanden ist“, sagt der Rathauschef, „können wir hier eine tolle Veranstaltungsstätte haben.“