Merken

„Bei uns isses scheen“

Neun Spielstätten, Busse in der Nacht und jede Menge Spaß bei der Großenhainer Kulturnacht – und das für fünf Euro.

Teilen
Folgen
© Kristin Richter

Von Thomas Riemer

Großenhain. Katharina Dorn gesteht, dass sie „nicht alles verstanden“ hat. Das wundert nicht und sei auch nicht schlimm, sagt die 26-Jährige. Denn in Lübben, ihrer Heimat, ist das Sächsische nun fürwahr nicht Amtssprache. Doch genau das wollte sich Katharina Dorn bei der „Großenhainer Kulturnacht“ am Sonnabend nicht entgehen lassen. Deshalb führte ihr Weg „auf der Durchfahrt“ vom Erzgebirge in den Spreewald ins beschauliche Röderstädtchen. Neun Spielstätten, ein jeweils einstündiges Programm, das mehrmals wiederholt wird – so das Konzept der Veranstalter, mit dem sie wieder einmal ins Schwarze getroffen haben. „Wo kriegt man so was für fünf Euro schon geboten“, sagt Katharina Dorn.

„Berenice“ – Theater frei nach Edgar Allan Poe – zog die Besucher in der Marienkirche in ihren Bann.
„Berenice“ – Theater frei nach Edgar Allan Poe – zog die Besucher in der Marienkirche in ihren Bann. © Kristin Richter
„Romantische Schauergeschichten“ las Ines Hommann im Museum Alte Lateinschule.
„Romantische Schauergeschichten“ las Ines Hommann im Museum Alte Lateinschule. © Kristin Richter
In der Karl-Preusker-Bibliothek begeisterte die Ur-Großenhainerin Nadine Weichenhain mit Songs unter anderem von Bob Marley.
In der Karl-Preusker-Bibliothek begeisterte die Ur-Großenhainerin Nadine Weichenhain mit Songs unter anderem von Bob Marley. © Kristin Richter

Nach Kulturschloss und Bibliothek ist das „Hexenstübchen“ am Rahmenplatz ihre dritte Station des Abends. Es ist eine heimelige Atmosphäre, die die drei, vier Dutzend Besucher hier empfängt. Oder eben „urig“, wie Katharina Dorn schmunzelnd bemerkt. Mit der Ruhe ist es aber bald vorbei. Kathy Leen, Sächsin aus Überzeugung, hat etwas dagegen. „Bei uns isses scheen, hier gibt’s viel zu seh’n“, schmettert sie ihr Loblied auf Sachsen mit kraftvoller Stimme ins Volk. „Ich bin Künstlerin, und Herr Miersch ist Pianist“, ruft sie und hat sofort die Lacher auf ihrer Seite. Besagter Herr Miersch heißt Holger, zusammen sind sie unschlagbar, wenn es darum geht, die Sachsen – und hier besonders die Männer – kabarettistisch-liebevoll aufs Korn zu nehmen. Schnell werden die Zuhörer aufgeklärt, dass Partnerschaftsprobleme schon in der Kennenlernphase beginnen. Sie erfahren, dass Joschka Fischer im Krankenhaus ist, weil er bei der Geburt seiner nächsten Frau dabei sein will. Und sie werden belehrt, dass „in einer Beziehung der Mann die Hose anhaben sollte. Aber wir Frauen sagen, welche.“

Flugs ist eine halbe Stunde vorbei. Szenenwechsel im „Hexenstübchen“. Peter und Reini, zwei gute alte Bekannte von der einstigen Albert-House-Band, können es auch im reifen Alter nicht lassen und präsentieren ihren Fans ein „Kontrastprogramm mit Hits der 60er und 70er Jahre“. Ronny Ullrich ist begeistert. Im „Hexenstübchen“ reicht er zusammen mit weiteren Helfern den Gästen ein Bier oder ein Glas Wein, ein paar Wiener mit Brötchen für den kleinen Hunger. „Ich bin heute sozusagen für die Großenhainer Kultur im Ehrenamt unterwegs“, sagt er. Die Idee der Großenhainer Kulturnacht finde er prima, auch wenn die Röderstadt nach seinem Dafürhalten gerade in Sachen Kultur auch sonst allerlei zu bieten habe. Das Schloss sei eine tolle Adresse, aber auch Veranstaltungen wie das jüngste Badfest gehören dazu. „Das ist schon in Ordnung“, sagt Ronny Ullrich.

Manuela Pötzsch-Naumann sieht es ein wenig kritischer. „Ich finde es schön, dass so etwas wie die Kulturnacht gemacht wird“, so die Großenhainerin. Denn aus ihrer Sicht sei die Stadt „in der Kultur etwas unterbesetzt“. Deshalb ist dieser Abend wohl wie für sie geschaffen. Mindestens drei Stationen wolle sie schaffen. „Wir arbeiten uns sozusagen von außen in die Stadt hinein“, sagt sie. Denn im Zentrum pulsiert das Kulturleben an diesem Samstag zu später Stunde. Gut gefüllte Parkplätze zwischen Frauen- und Neumarkt sprechen eine eigene Sprache. Im Halbstunden-Takt wechseln die Besucher mit lauten Hallo und allerlei Schwärmerei über das soeben Erlebte hastig die Spielorte. Nur nichts verpassen zwischen Schloss, Museum, Alleegässchen, Bibliothek, Marienkirche, Alberttreff und, und, und. Wer es gar zu eilig hat, bitteschön: Kleinbusse sorgen mit einem Shuttle-Verkehr für die schnellste Verbindung zwischen A und B und sind im Preis für den Abend inbegriffen. Ein absolutes Novum. Denn wann fahren in Großenhain nach 21 Uhr sonst Busse?

Um zehn hat es dann auch Katharina Dorn geschafft. Oder genauer: „Ich bin jetzt geschafft.“ So viel Spaß für wenig Geld – das habe sie „noch nie erlebt“. Immerhin sieben Aufführungen an den kleinen Kultur-Oasen konnte sie wahrnehmen. „Mehr ging nicht, ich muss ja jetzt noch in den Spreewald. Aber ich komm bestimmt wieder“, ergänzt sie schnell.